Die Deutschen sind müde von all den Krisen. Sie spüren, dass nichts so bleiben kann, wie es vielleicht sowieso nie war. Viele Menschen würden all die Herausforderungen, die da warten, am liebsten ausblenden. Kriege, Klima, Konjunktur – Augen zu, Fernseher aus, wird schon irgendwie gut gehen. Und wenn nicht, können wir es ohnehin nicht ändern. So fühlen die einen. Andere diskutieren sich an digitalen oder realen Stammtischen die Köpfe heiß und werden immer unversöhnlicher. Vielleicht war politische Führung und Orientierung nie so wichtig wie heute. Doch ausgerechnet in dieser Zeit erleben wir Politikerinnen und Politiker, die den Menschen bloß nicht noch mehr zumuten wollen und deshalb zu oft auf halber Strecke stehen bleiben oder gar nicht erst loslaufen.
Bevor ein Ruck durchs Land gehen kann, müssten unangenehme Wahrheiten ausgesprochen werden. Zum Beispiel, dass „Made in Germany“ kein Selbstläufer mehr ist. Dass Demokratien ins Wanken geraten, wenn der Lebensstandard vieler Menschen sinkt. Dass weniger Leistung auch weniger Wohlstand bedeutet. Dass fast alles in diesem Land heillos überreguliert ist. Dass selbst eine wohlhabende Gesellschaft überfordert ist, wenn sie Jahr für Jahr Hunderttausende Flüchtlinge aufnehmen soll. Dass der Kult um die Schuldenbremse lähmend wirken kann. Dass die Menschheit diesen Planeten eines Tages zu Tode konsumieren wird, wenn wir nichts ändern.
Olaf Scholz und die Ampel liefern sich lieber interne Scharmützel
Anstatt sich all dem zu stellen, liefern sich Kanzler Olaf Scholz und seine Koalitionspartner nervtötende interne Scharmützel, und die Opposition tut so, als müsste man nur die Ampel endlich ausknipsen und alle könnten so weitermachen wie früher. Können wir aber nicht. Symbol für diese ermüdende Art von Politik ist die FDP, die ständig auf der Bremse steht und den Leuten weismachen will, dass sie sich eben nicht umstellen müssen, weil ganz bestimmt irgendwann irgendwer irgendwas erfindet. Technologieoffenheit und freier Wettbewerb um die besten Ideen – klingt gut, wird aber zu oft als Alibi dafür genutzt, um klare Entscheidungen aufzuschieben.
Die FDP steht ständig auf der Bremse – und bremst sich selbst aus
Das Kuriose daran: Der FDP nützt die Strategie, den Menschen vermeintliche Zumutungen zu ersparen, überhaupt nicht. Denn den meisten Leuten – so gerne sie all die Krisen auch ausblenden würden – ist ja durchaus bewusst, dass Deutschland wieder in die Gänge kommen muss. Viele sehnen sich danach, dass Politiker aufhören, ständig zu erzählen, was auf gar keinen Fall geht. Wer nur warnt, wer nur anprangert, wer nur Probleme benennt, aber keine Lösungen anbietet, macht die Zukunft zu einer einzigen großen Bedrohung, spielt damit den skrupellosen Vereinfachern von Links- und Rechtsaußen in die Karten und ermüdet die Menschen noch mehr. Einfach mal anfangen, einfach mal machen, andere überzeugen, anstatt zu lamentieren!
Zur Wahrheit gehört, dass Robert Habecks Waterloo mit dem Heizungsgesetz dazu geführt hat, dass noch mehr Politiker nur noch eins wollen: bloß keine Fehler machen. Aber stellen wir uns doch mal vor, jene schwarz-gelbe Regierung, die 2011 den Atomausstieg vorgezogen hat, hätte das mit der Energiewende damals tatsächlich ernst genommen. Dann wären die Stromautobahnen von Nord nach Süd heute womöglich schon fertig. Stattdessen wetterten Spitzenpolitiker wie der damalige CSU-Chef Horst Seehofer gegen „Monstertrassen“, nahmen der Windkraft den Schwung und zogen dem ganzen Projekt den Stecker.
Horst Seehofer hat gezeigt, wohin der Weg des geringsten Widerstands führt
Bayerns damaliger Ministerpräsident ging seinerzeit nach eigener Aussage eine „Koalition mit dem Volk“ ein, was in etwa bedeutete, dass er bereit war, seine Standpunkte der jeweiligen Mehrheitsmeinung anzupassen. Der Weg des geringsten Widerstands. Die Folgen für die Energieversorgung waren fatal. Für kaum ein anderes Bundesland ist die Energiekrise so bedrohlich wie für Bayern. Aus der Scheu, den Bürgerinnen und Bürgern zu viel zuzumuten, wurde am Ende eine weit größere Zumutung. Man könnte daraus lernen.