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Migration: CDU fordert Kurswechsel in Asylpolitik

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CDU fordert Kurswechsel in Asylpolitik

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    Flüchtlinge kommen in das Grenzdurchgangslager Friedland. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, plädiert für einen Systemwechsel in der Asylpolitik.
    Flüchtlinge kommen in das Grenzdurchgangslager Friedland. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, plädiert für einen Systemwechsel in der Asylpolitik. Foto: Swen Pförtner, dpa

    In der CDU mehren sich die Stimmen, die eine tiefgreifende Neuordnung des deutschen und europäischen Asylsystems fordern. Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der FAZ. Jüngst hatte sich schon sein Parteikollege Jens Spahn für eine Änderung des individuellen Rechts auf Asyl ausgesprochen. Es wäre ein massiver Eingriff in die heutige Praxis.

    Die stetig wachsende Zahl an Migranten sei nicht nur für die aufnehmenden Gesellschaften eine Belastung, argumentiert Frei. Auch für die Flüchtlinge selbst sei die aktuelle Regelung inhuman. „Wer zu alt, zu schwach, zu arm oder zu krank ist, ist chancenlos“, schreibt er. „Europa kann diesen Teufelskreis nur beenden, wenn es sein Asylrecht neu gründet.“ Eine Antragstellung auf europäischem Boden wäre nach Vorstellungen der Union nicht länger möglich, der Bezug von Sozialleistungen und Arbeitsmöglichkeiten ausgeschlossen. „Ein solcher Ansatz würde Im Jahr 2022 wurden allein in Deutschland 252.422 Asylsuchende registriert. 

    Experten halten CDU-Vorschlag für eine Scheindiskussion

    Kritik an den Vorschlägen kommt von Experten. Bernd Kasparek, Migrationsforscher an der Humboldt-Universität Berlin, erinnert daran, dass der individuelle Schutzanspruch sowohl in der Genfer Flüchtlingskonvention, im europäischen Asylrecht als auch im deutschen Grundgesetz festgeschrieben ist – als Reaktion auf den Zweiten Weltkrieg. „Das individuelle Recht auf Asyl zwingt die Staaten, sich ihrer Verantwortung für den Flüchtlingsschutz zu stellen“, sagt Kasparek. „Es ist das Fundament wirksamer Schutzsysteme.“ Es sei ein Minimalrecht für Schutzsuchende und zwingend, dass jeder Asylantrag individuell geprüft werde. Nach Zahlen der Vereinten Nationen gebe es derzeit rund 110 Millionen Geflüchtete auf der Welt. „Wie soll hier eine kleine Anzahl ausgewählt werden? Wie kann dies logistisch vor Ort organisiert werden? Auf Basis welcher Erkenntnisse wird die Zahl der aufzunehmenden Personen bestimmt? Wie kann garantiert werden, dass diese Zahl nicht Spielball innenpolitischer Auseinandersetzungen wird?“, fragt der Forscher. Der Vorstoß aus der Union sei eine Scheindiskussion, die darauf abziele, das Recht auf Asyl abzuschaffen und Schutzsuchende vom Arbeitsmarkt und aus den Sozialsystemen auszuschließen. 

    Constantin Hruschka vom Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik in München sieht zudem massive juristische Hürden. Sollte Asylbewerbern der Zugang zu Sozialleistungen verweigert werden, müsste Artikel 1 des Grundgesetzes geändert werden. „Was nach allgemeiner juristischer Meinung wegen der Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes in diesem Bereich nicht geht“, stellt Hruschka klar. In Artikel 1 sind die allgemeine Menschenwürde und die Unverletzlichkeit von Menschenrechten geregelt. „Angesichts der Tatsache, dass über 90 Prozent der schutzberechtigten Personen außerhalb von Industrieländern Schutz finden, wäre das auch eine Bankrotterklärung der EU“, urteilt Hruschka über den CDU-Vorstoß. Weltweit beherbergen die Türkei und der Iran die meisten Flüchtlinge. 

    Hofreiter: „Das Agieren von Thorsten Frei ist brandgefährlich“

    Deutliche Vorwürfe in Richtung Union äußert der Grünen-Politiker Anton Hofreiter. „Bisher wurde die Forderung nach Abschaffung des Rechts auf Asyl in der Bundesrepublik nur von Rechtsextremen vertreten“, sagt er. Der Vorschlag von CDU/CSU mache solch radikale Positionen salonfähig und nutze nur der AfD, kritisiert der Europaausschuss-Vorsitzende des Bundestags. „Das Agieren von Thorsten Frei ist brandgefährlich“, sagt Hofreiter. Auch inhaltlich sei die Argumentation falsch, das jetzige Recht sei unmenschlich. „Thorsten Frei macht hier einen Schein-Gegensatz auf“, sagt der Grüne. „Das individuelle Recht auf Asyl und Kontingente schließen sich nicht aus“, betont er. „Bereits jetzt können politisch Verfolgte und Kriegsflüchtlinge über Kontingente in die Europäische Union einreisen. Es ist notwendig, dass diese legalen Fluchtwege weiter ausgebaut werden, damit weniger Menschen lebensgefährliche Überfahrten über das Mittelmeer in Kauf nehmen müssen.“

    Hofreiter wirft der CDU einen Rechtsschwenk nach der Ernennung ihres neuen Generalsekretärs Carsten Linnemann durch Parteichef Friedrich Merz vor, der nicht vor dem Asyl-Artikel des Grundgesetzes haltmache. „Wenn die CDU und Merz, Linnemann und Frei solche Positionen salonfähig machen, wird das am Ende nur die AfD stärken“, warnt er. „Das individuelle Recht auf Asyl ist im Grundgesetz verankert“, betont Hofreiter. „Es ist ein Grundpfeiler unseres demokratischen Rechtsstaats und sichert das Schutzbedürfnis jedes und jeder Einzelnen.“

    Die EU plant aktuell ohnehin eine weitreichende Asylreform, um die allerdings noch gerungen wird. Vorgesehen sind zahlreiche Verschärfungen, um die irreguläre Migration zu begrenzen - insbesondere aus Ländern, die als relativ sicher gelten. Beispielsweise soll bereits an den EU-Außengrenzen geschaut werden, wer wenig Aussicht auf Asyl hat. Diese Menschen sollen gegebenenfalls direkt zurückgeschickt werden.

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