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Machtübergabe: Auf den Wechsel kommt es an

Machtübergabe

Auf den Wechsel kommt es an

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    Helmut Schmidt reichte seinem Nachfolger Helmut Kohl die Hand, aber es war wenig Lächeln dabei – war der SPD-Kanzler doch gerade nach dem Wechselmanöver der FDP zur Union per Misstrauensvotum gestürzt worden.
    Helmut Schmidt reichte seinem Nachfolger Helmut Kohl die Hand, aber es war wenig Lächeln dabei – war der SPD-Kanzler doch gerade nach dem Wechselmanöver der FDP zur Union per Misstrauensvotum gestürzt worden. Foto: Jörg Schmitt, dpa (Archivbild)

    Beim letzten Machtwechsel gab es Kuchen. Den hatte Gerhard Schröder (SPD) Angela Merkel (CDU) im Bundeskanzleramt ins Büro gestellt. Die fand das „ganz toll“. Die Nachfolgerin erzählte das vor ein paar Jahren, als sie die Biografie ihres Vorgängers vorstellte. Schröder lächelte dazu. Und zwar ganz unpomadig. Mit dem Abstand schmerzte ihn der Verlust dessen nicht mehr, was er schon als am Zaun rüttelnder Juso unbedingt gewollt hatte. Wie sich das aber am Wahlabend 2005 anfühlte, ist längst Legende. Elefantenrunde, „Kirche im Dorf lassen“, krawallig, suboptimal – „Acker“ Schröders letzte Grätsche. Merkel wurde trotzdem Kanzlerin, blieb es 16 Jahre.

    Wenn am Mittwoch der Bundestag Olaf Scholz zum Kanzler wählt, der demokratische Machtwechsel sich also wieder vollzieht, dann weiß man nicht, ob im Kanzleramt wieder eine Torte bereitstehen wird. Gewiss aber ist, dass Merkel gut schlafen wird. Ihr Nachfolger darf als der merkeligste Minister ihres scheidenden Kabinetts gelten. Keiner kann so schön Raute. Ob Armin Laschet Kuchen bekommen hätte? Jetzt nur nicht schlumpfig grinsen.

    Faire Verlierer reichen sich die Hand

    Helmut Kohl war davon jedenfalls entfernt, als Bundestagspräsident Wolfgang Thierse 1998 verlas, dass der Abgeordnete Gerhard Schröder 351 Stimmen des hohen Hauses auf sich vereinigen konnte und somit zum Bundeskanzler gewählt sei. Aber natürlich gratulierte Kohl Schröder, sobald Thierse die entscheidenden Worte gesprochen hatte. Zwar waren ihm da schon ein paar euphorische Sozialdemokraten zuvorgekommen, aber Kohls Gang zu Schröder hatte nichts Zögerliches. Er hatte einfach nur gewartet, bis Thierse das Wahlergebnis vollständig verkündet hatte. Faire Geste, wie sich das für einen fairen Verlierer gehört. Was Kohl in diesem Moment fühlte, bleibt sein Geheimnis. Wie es Wolfgang Schäuble in dem Moment ging, daran wohl dachte er eher nicht.

    Natürlich folgt im Protokoll noch die Ernennung durch den Bundespräsidenten, danach – zurück im Bundestag – die Vereidigung des Gewählten. Aber es ist der Handschlag, der Blick in die Augen des Nachfolgers oder der Nachfolgerin, der den friedlichen Machtwechsel dokumentiert.

    Helmut Schmidt hatte Stahl in der Stimme

    Auch Schröder gratulierte selbstverständlich Angela Merkel. So wie Helmut Schmidt (SPD) 1982 Helmut Kohl (CDU) die Hand gereicht hatte. Obwohl damals wenig Lächeln dabei war. Der durch ein Misstrauensvotum gestürzte Schmidt hatte zuvor in einer geschliffenen Rede mit Stahl in der Stimme seziert, was er von dem parlamentarischen Manöver der Opposition hielt: gar nichts. Und dass er den hinter seinem Rücken kungelnden Hans-Dietrich Genscher (FDP), der die sozialliberale Koalition aufkündigte, wohl recht gerne von Bonn bis nach Halle geboxt hätte, war deutlich geworden. Aber als Kohl gewählt war, tat Staatsmann Schmidt, was zu tun ist.

    Man kann das fortsetzen, bis zu den Anfängen der Bundesrepublik. Altkanzler Schröder hat auch mal gesagt, man könne vom Regierungschef nicht erwarten, dass er sein Amt „gleichsam freudig und freiwillig“ übergebe. Vielleicht dachte er dabei auch an Konrad Adenauer (CDU). Der Alte aus Rhöndorf hat es seinem Nachfolger Ludwig Erhard (CDU), nun ja, nicht leicht gemacht. Sollte Markus Söder dieser Tage, sagen wir, ein bisschen geschmutzelt haben, um Armin Laschets Mühen ums Kanzleramt zu orchestrieren, dann hat der seinerzeit bereits 87-jährige Adenauer seinem Parteifreund und Wirtschaftswundermann Erhard eher mit Boccia-Kugeln beschmissen. Und zwar feste. Er hielt sich jedenfalls, auch als er bereits von der Macht lassen musste, für unentbehrlich.

    Angela Merkel wird selbstbestimmt gehen

    Dergleichen hat Scholz von Merkel, wie gesagt, kaum zu befürchten. Zwar darf man, allen Sachlichkeitsinszenierungen zum Trotz, der angehenden Altkanzlerin durchaus Bedeutungsbewusstsein unterstellen, sie ist aber doch unverdächtig, staatsmännische Weisheiten übergriffig unters Volk bringen zu wollen. Man glaubt ihr das auch deshalb, weil sie – allen Machtverfallserscheinungen zum Trotz – geschafft hat, was keinem ihrer Vorgänger gelang. Sie wird selbstbestimmt gehen. Ob das für die Pandemie-Politik dieses Landes gut war, sei dahingestellt. Entrissen aber wurde Merkel auch deshalb nichts, weil sie nicht klammerte.

    Gerhard Schröder gratulierte Nachfolgerin Angela Merkel 2005 bei der Machtübergabe.
    Gerhard Schröder gratulierte Nachfolgerin Angela Merkel 2005 bei der Machtübergabe. Foto: Peer Grimm, dpa (Archivbild)

    Wenn Macht – der gute, alte Max Weber soll hier nicht fehlen – die Chance ist, „in einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht“, dann darf man gespannt sein, was Scholz nun aus seiner ersten Chance als Kanzler macht. Dass man bei ihm Führung bekommt, wenn man Führung bestellt, gilt als unstrittig.

    Wie schon Jürgen Klopp sagte: Wichtig ist, was über einen gedacht wird, wenn man geht

    Der andere bekannte Soziologe Jürgen Klopp, der einem die Instrumentalisierung als Gebrauchsphilosoph an dieser Stelle nachsehen möge, hat (als er Borussia Dortmund verließ) gesagt: „Es ist nicht wichtig, was über einen gedacht wird, wenn man kommt, es ist extrem wichtig, was über einen gedacht wird, wenn man geht.“

    Auch daran könnte Scholz sich erinnern, wenn er heute den Amtseid (ohne den Gottesbezug) ablegt. Ob er dereinst – in vier oder wie angestrebt acht Jahren – seiner Nachfolgerin und seinen Nachfolger mit zu internationalen Gipfel-Treffen nimmt, um sie dort auf höchster Ebene einzuführen und den Machtwechsel geschmeidiger zu gestalten?

    Angela Merkel wird wohl auf der Ehrentribüne sitzen

    Wie viele Chancen Scholz erhält, entscheidet bekanntlich das Volk, von dem alle Macht ausgeht. Wenn er dann geht, wird er jemand die Hand reichen. Heute bekommt er die (respektive die Corona-Faust) von Merkel – aber erst bei der offiziellen Amtsübergabe ab 15 Uhr, Bundeskanzleramt, Foyer Süd, 1. OG. Denn die Kanzlerin a. D. wird – weil nicht mehr Abgeordnete – am Vormittag wohl auf der Ehrentribüne des Reichstages Platz nehmen. Ob es Kuchen geben wird, ließ das Presseamt auf Nachfrage offen.

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