Markus Söder ist nicht Rezo. Der CSU-Vorsitzende trägt keine blauen Haare, und er würde niemals die "Zerstörung" der CDU als Ziel ausrufen. Darin enden aber schon die Unterschiede zwischen dem Spitzen-Politiker und dem Spitzen-Influencer. Denn letztlich könnten beide das Gleiche erreichen: das Ende der CDU, wie wir sie kennen.
Rezo hat das in einem Video befördert, das millionenfach durchs Netz geisterte. Söder befördert es auch öffentlich, sehr sogar. Seine Kampfansage an Armin Laschet in der K-Frage ist – anders als bei manchen früheren Duellen zwischen CSU und CDU – kein Ringen um einen Job. Es geht um viel mehr: Diese Kampfansage aus Bayern ist auch eine Abschiedserklärung an die CDU, die den Begriff "Kanzlerwahlverein" lange als Kompliment verstanden hat.
Viele in der CSU sehen die CDU als Auslaufmodell
Söder (und offenbar viele in der CSU) sehen die CDU als Auslaufmodell, ähnlich wie in anderen Ländern, wo christdemokratische Traditionsparteien so gut wie verschwunden sind. Wenn der bayerische Ministerpräsident vom "Hinterzimmer" spricht und damit das mächtige CDU-Präsidium meint (dessen Unterstützung für Laschet angeblich die Parteibasis wenig schere), macht er die große Schwesterpartei auch rhetorisch so klein, wie er diese anscheinend mittlerweile sieht.
Für Söder selbst hat die Distanzierung von den Parteioberen ironischerweise bis ganz nach oben geführt. In fast jedes politische Amt ist er von den Parteioberen keineswegs gerufen worden, eher im Gegenteil. Zuletzt wollten ihn diese, allen voran Horst Seehofer, mit aller Entschlossenheit als Parteichef und Ministerpräsident verhindern – Söder siegte dennoch, weil er vor allem Mandatsträger jahrelang umworben hatte. Seit langem blickt sein Umfeld bewundernd nach Österreich und auf den jungen Sebastian Kurz, der mit dem traditionellen Parteiensystem nichts mehr anfangen kann. Der Franzose Emmanuel Macron, der gleich eine ganze Bewegung ausrief, liegt zwar politisch nicht auf CSU-Linie, gilt aber machtpolitisch ebenfalls als Vorbild. Also ist der Söder-Satz, sein Platz sei in Bayern, im Prinzip immer noch gültig. Söder sähe sich auch für den Wahlkampf fest verankert in Bayern, seine "Bewegung" soll aber in ganz Deutschland, selbst im tiefsten Osten, Wähler anziehen – sogar dort also, wo die CSU eigentlich gar nicht wählbar ist. So einen Versuch eines persönlichen, von Parteien entkoppelten, Wahlkampfes hat es in der deutschen Politik noch nicht gegeben. Nur: Was bleibt dann für die CDU, wenn ihr die ureigenste Kompetenz, Kanzler, von denen es in der deutschen Geschichte nur wenige gab, küren zu können und mit ihnen zu regieren, verloren geht?
Es sind nur wenige, die die Wucht von Söders Kampfansage voll umreißen
Es wäre die ultimative Abdankung als "Kanzlerpartei". Deswegen stehen gerade die Älteren, welche die historische Wucht von Söders Kampfansage voll umreißen, so fest an Laschets Seite: allen voran Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Der scheint sogar bereit, lieber die Macht aufzugeben als die Partei – er hat offen gesagt, die Welt ginge nicht unter, wenn die CDU mal nicht den Kanzler stelle. Aber, so scheint Schäuble nun zu ergänzen: Die CDU könnte untergehen, wenn sie sich als Partei Söder unterwerfe. Passend ist, dass Kanzlerin Angela Merkel diese Sorge scheinbar weit weniger umtreibt. Die Partei war für sie immer ein Mittel zur Macht, mehr nicht.
Söder ist Jurist, kein Historiker. Aber die historischen Vorbilder für einen von Parteien entkoppelten Wahlkampf sind bislang, gelinde gesagt, wenig überzeugend. Kurz regiert in Wien mit Unterbrechung seit rund vier Jahren, von den Rechten bis zu den Grünen war ihm jeder Koalitionspartner recht. Ein Skandal jagt den nächsten – und das, obwohl das viel kleinere Österreich schon jeden Skandal mitgemacht zu haben glaubte.
Und Macron? Er könnte nächstes Jahr das "hinbekommen", was die verachteten Parteipolitiker vor ihm zumindest jahrelang verhindert hatten: die rechtsradikale Marine Le Pen zu Frankreichs Präsidentin zu machen. Natürlich kann es in Deutschland ganz anders kommen. Aber schon ein kurzes Durchdenken der Optionen zeigt: Es geht bei diesem aktuellen Streit um sehr viel, eigentlich um alles.
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