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Linkspartei: Sahra Wagenknecht: Von den einen gefeiert, von den anderen gefeuert?

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Sahra Wagenknecht: Von den einen gefeiert, von den anderen gefeuert?

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    Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht ruft zu einem "Startschuss für eine neue starke Friedensbewegung"  auf.
    Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht ruft zu einem "Startschuss für eine neue starke Friedensbewegung" auf. Foto: Monika Skolimowska, dpa

    Die Entschuldigung ging in der aufwallenden Empörung völlig unter. „Ich habe tatsächlich damals nicht gedacht, dass der Krieg unmittelbar bevorsteht. Da habe ich mich geirrt, da war ich nicht die Einzige“, sagte Sahra Wagenknecht am Montagabend in der ARD-Sendung „Hart aber fair“. Im Studio wollte das kaum jemand zur Kenntnis nehmen, erst recht nicht, als sich die Linken-Politikerin zu den Verbrechen im Ukraine-Krieg äußerte. Vergewaltigungen würden nicht nur von russischen, sondern auch von ukrainischen Soldaten begangen, behauptete sie. Moderator Louis Klamroth hielt ihr Aussagen der Vereinten Nationen entgegen, dass es keine Belege für Vergewaltigungen durch ukrainische Soldaten gebe und dass Vergewaltigungen zur russischen Kriegsstrategie gehörten. In sozialen Medien löste die Linken-Politikerin einen Sturm der Entrüstung aus. Mal wieder. 

    Wagenknecht, am 16. Juli 1969 in Jena geboren, gilt vielen als Anwältin der Russen. „Sahra Wagenknecht ist die Lieblingspolitikerin von Putins Fernsehpropagandisten“, kritisierte beispielsweise die russische Journalistin Marina Owsjannikowa gerade im Gespräch mit unserer Redaktion. Owsjannikowa hatte im russischen Fernsehen mit einem Plakat gegen den Krieg demonstriert, Wagenknecht ist für sie „die Advokatin des Teufels“. 

    Einst war Sahra Wagenknecht Wortführerin der Kommunistischen Plattform

    Die derart Gescholtene trat im Alter von 19 Jahren in die SED ein und profilierte sich in deren Nachfolgepartei PDS als Wortführerin der Kommunistischen Plattform. In der Linkspartei, die der Wagenknecht im September in einer Bundestagsrede der Regierung vorwarf, einen „beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen Russland vom Zaun gebrochen zu haben“, fanden das viele überhaupt nicht gut, auch in ihrer Partei nicht. Viele warfen ihr vor, Opfer und Täter zu verkehren. „Anderseits sagt Sahra Dinge, die viele unterschreiben können“, sagt einer aus der Fraktionsspitze. 

    „Das ist ein grauenvoller, brutaler Krieg“ ist einer dieser Sätze. Auch Wagenknechts Schlussfolgerung findet sicherlich noch viele Unterstützer: „Jetzt ist doch die Frage: Was tun wir, um diesen Krieg zu beenden?“ Was dann kommt, sie sagt es in der ARD und hat es schon viele Male vorher gefordert, bringt viele Menschen gegen sie auf: „Wir lassen uns immer tiefer in diesen Krieg hineinziehen, statt ernsthaft ein Angebot zu unterbreiten und erst mal zu testen, ob das in Moskau eine Chance haben würde oder nicht.“ Laut aktuellen Meinungsumfragen steht rund die Hälfte der Deutschen in dieser Frage auf ihrer Seite. 

    Zumindest stimmt ihre Feststellung, sie sei nicht die Einzige, die sich bei der Einschätzung zum Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine geirrt habe. Als Bundeskanzler Olaf Scholz kurz vor Kriegsausbruch in den Kreml zu Wladimir Putin reiste, war der SPD-Politiker betont guter Dinge, trank anschließend gar noch ein Gläschen mit Putin.

    Wagenknecht schrieb zusammen mit Alice Schwarzer nun das „Manifest für Frieden“ und organisierte mit ihr die Demo „Aufstand für den Frieden“. Auch Angehörige des rechten Spektrums wurden dabei gesichtet, manche unterstellen der Linken deswegen eine Nähe zu den Rechten. AfD-Rechtsaußen Björn Höcke forderte sie sogar auf, zu seiner Partei überzulaufen. Dabei wissen Beobachter, dass sich Extreme jeder Couleur von Kundgebungen nicht fernhalten lassen. 

    Was sagt die Linkspartei zu den Kapriolen?

    Der Linkspartei schaden die Kapriolen nicht. Neben Gregor Gysi, Lothar Bisky und Oskar Lafontaine wurde Wagenknecht zum Gesicht der Partei und gar zur Linken-Ikone hochstilisiert. Das ist sie immer noch, selbst wenn sie seit ihrem überraschenden Verzicht auf eine erneute Kandidatur im Jahr 2019 nicht mehr der Fraktionsspitze angehört. Der amtierende Co-Vorsitzende ist entspannt. Wagenknecht sei eben „eine besondere Persönlichkeit mit einem hohen Bekanntheitsgrad“, sagte Dietmar Bartsch unlängst in einem Interview mit unserer Redaktion. Er könne nicht erkennen, dass sie aus der Partei oder der Fraktion heraus von irgendwas profitieren wolle. 

    Es gibt durchaus Parteifreunde, die Wagenknecht am liebsten hinauswerfen würden. Doch ein Parteiausschluss ist nicht in Sicht. Im Sommer 2021 hatten parteiinterne Gegner in Nordrhein-Westfalen als Reaktion auf ihr kritisches Buch „Die Selbstgerechten“ einen solchen beantragt. Die zuständige Landesschiedskommission lehnte das ab. Einstimmig. 

    Die Frage ist, ob es Wagenknecht weiter in der Linkspartei oder überhaupt in der Politik hält. Für ihren Kandidaturverzicht 2019 führte sie auch gesundheitliche Gründe an. Die Linke könnte eine eigene Partei gründen, sie weiß aber, dass es für eine Organisation links neben den Linken nicht genügend Stimmen gibt – es würde für die eigene Neugründung nicht reichen und gleichzeitig die Linkspartei zerreißen.

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