Die Regierung macht es der Opposition derzeit schwer: So heftig wie sich die Spitzenpolitiker der Ampel selbst attackieren und gegeneinander arbeiten, tun sich die Kritiker auf der politischen Gegenseite schwer, überhaupt wahrgenommen zu werden. Nachdem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ohne jede Absprache mit seinen Kabinettskollegen ein zig Milliarden Euro schweres Konjunkturprogramm vorgeschlagen hatte, zerlegte FDP-Chef Christian Lindner mit erbarmungsloser Härte die Vorstöße des grünen Vizekanzlers.
Lindner bescheinigt Habeck „konzeptionelle Hilflosigkeit“
„Für mich ist das ein Zeichen von konzeptioneller Hilflosigkeit“, bescheinigte Lindner am Donnerstagabend vor dem ZDF-Millionenpublikum des „Heute Journals“ seinem Kabinettskollegen Habeck wirtschaftspolitisches Unvermögen. „Nachdem wir gesehen haben, dass bei Intel Subventionen nichts gebracht haben, soll auf das Scheitern bei Intel jetzt Intel zum Quadrat folgen“, kritisierte der FDP-Chef. Deutschland brauche eine Politik, bei der die Wirtschaft den Staat mit Steuern finanziere und nicht umgekehrt. „Die Finanzpolitik kann nicht reparieren, was die Wirtschaftspolitik versäumt“, stichelte er gegen Habeck.
Auch den Kanzler kritisierte Lindner dafür, dass Olaf Scholz weder den Wirtschaftsminister noch ihn als Finanzminister vorab über den am Dienstag geplanten Industriegipfel informiert, geschweige denn eingeladen habe. Er kenne Scholz’ industriepolitische Agenda nicht, sagte Lindner. All dies sei „sich genommen ein Problem“, betonte der FDP-Chef. Dadurch enstehe bei den Unternehmen zusätzliche Unsicherheit.
FDP-Chef Lindner gibt Ampel-Koalition 50 Prozent Schuld für Wirtschaftskrise
„Ich bin inzwischen der Überzeugung, dass 50 Prozent der Probleme in der Wirtschaftspolitik, der Zurückhaltung bei den Investitionen und auch der Zurückhaltung beim privaten Konsum mit politisch gemachter Unsicherheit zusammenhängt“, sage Lindner. Habeck stelle einfach in den Raum, der Staat könne Hunderte Milliarden Euro Schulden machen, um mit der Gießkanne Investitionsprämien an alle zu verteilen. „Da darf man sich nicht wundern, dass dann die Entscheider in der Wirtschaft sagen, wir halten uns bei Investitionen zurück, denn wir wissen ja nicht, was gilt.“ Mit dieser Politik nehme die Wirtschaft in Deutschland weiteren Schaden.
Doch schon am Morgen nach seiner Kritik an den Alleingängen von Scholz und Habeck, tat es FDP-Chef seinen Kabinettskollegen gleich und brüskierte vor allem den Bundeskanzler: Lindner bittet demonstrativ für den Dienstagvormittag zu einem eigenen Gipfel in die FDP-Fraktion: Eingeladen sind der Arbeitgeberverband, die Industrie- und Handelskammern, das Handwerk und die Verbände der Freien Berufe und Familienunternehmer.
Scholz dagegen will am Nachmittag mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie, den Chefs der großen Autobauer und IG-Metall-Chefin Christiane Benner in vertraulicher Runde sprechen. Die Botschaft des Treffens machte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch schon vorher klar: „Der Bundeskanzler macht die Sicherung der Industriearbeitsplätze jetzt zur Chefsache – das ist das Signal, das zählt“, sagte der neue Wahlkampfmanager der Sozialdemokraten der Rheinischen Post. Die so düpierten Habeck und Lindner wollen mit ihren Solo-Auftritten dem Kanzler die Showbühne elf Monate vor der Wahl allerdings nicht alleine überlassen.
Wirtschaft reagiert zunehmend gereizt auf Ampel-Politik
Die Wirtschaft reagiert zunehmend genervt, auf das Jeder gegen Jeden in der Ampelkoalition. Es müssten nun rasch Taten folgen, sagt die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie Tanja Gönner vor dem Gipfel im Kanzleramt: „Wir erhoffen uns von dem Treffen Klarheit über die kurz- und mittelfristigen Pläne der Bundesregierung, das Wachstum am Wirtschaftsstandort Deutschland wieder zu stärken.“ Die Wirtschaft brauche klare Zusagen, wie die Regierung Wachstumsimpulse setzen und auch finanzieren wolle.
Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass nur noch jeder dem anderen erklärt, was dieser alles falsch macht und gfälligst zu tun hat. Und wenn mal einer ums Eck kommt und einen Vorschlag macht, wird er niedergemacht. Am Schlimmsten ist es jedoch, wenn jemand mal was umsetzt. Da wird nicht mal das Schwarze unterm Fingernagel gegönnt. Und wehe, nicht alles klappt auf Anhieb! Wann in der Geschichte der Menschheit hat so eine Vorgehensweise irgendwas verbessert? Wie wäre mal der Ansatz, jeder wirft mal in die Runde, was er bereit ist zu tun: was wollen die Unternehmer unternehmen, um die Transformation voranzutreiben, was ist die Politik und Verwaltung auf allen Ebenen bereit zu tun und was die Arbeitnehmer, die Presse etc. Mit einem integrativen und kommunikativen Kanzler, der den Prozess steuert und moderiert und dem man zugesteht, dass auch mal was nicht klappt. Ich weiß, es klingt naiv. Aber man wird ja mal noch träumen dürfen...
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