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Lena Schilling: Von der grünen Hoffnungsträgerin zur Zielscheibe

Österreich

Lena Schilling wird von der grünen Hoffnungsträgerin zur Zielscheibe

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    Die Grüne-Spitzenkandidatin Lena Schilling (Grüne) muss sich gegen Vorwürfe wehren.
    Die Grüne-Spitzenkandidatin Lena Schilling (Grüne) muss sich gegen Vorwürfe wehren. Foto: Tobias Steinmaurer, dpa

    Eigentlich hatten die Grünen mit ihr einen echten politischen Joker in der Hand für die Europa-Wahlen am 9. Juni: Lena Schilling, 23, seit einigen Jahren Führungsfigur der österreichischen Klimabewegung, bekannt durch Klima-Camps und Besetzungen etwa in der Wiener Lobau, durch zahlreiche Interviews und TV-Auftritte als inoffizielle Sprecherin für „Fridays for Future“. 

    Bei der Wahl in wenigen Wochen ist die charismatisch wirkende Schilling in der Riege der Spitzenkandidaten der österreichischen Parteien – allesamt Männer im gehobenen Alter, allesamt seit Jahren in der Politik – nicht nur die einzige Frau, sie steht aufgrund ihres Alters auch als einzige Kandidatin perfekt für den Anspruch der Grünen, sich dem Recht der Jugend auf eine lebenswerte Zukunft und auf einen Ausweg aus der Klimakatastrophe zu verpflichten. 

    Als Schilling sich am vergangenen Dienstag in Wien den Fragen der internationalen Journalisten stellte, zeigte die gebürtige

    Schwere Vorwürfe gegen österreichische Grünen-Politikerin Lena Schilling

    Dazu sollte Schilling schon bald Gelegenheit bekommen. Die Tageszeitung Der Standard veröffentlichte am Dienstagabend den ersten von mehreren Artikeln, deren Inhalt nun seit Tagen die politische und mediale Wiener Blase zum Kochen bringt. Schilling soll ein intimes Verhältnis mit einem bekannten Journalisten erfunden, einem weiteren soll sie Belästigung unterstellt haben – der soll deshalb beinah seinen Job verloren haben. Auch in der Klimabewegung soll Schilling verbrannte Erde hinterlassen und junge Anhänger gegeneinander ausgespielt haben. Und: Schilling soll über ein Aktivisten-Ehepaar – dieses stellte sich später als Veronika und Sebastian Bohrn Mena heraus, die zusammen die Gemeinwohlstiftung „Común“ betreiben – behauptet haben, der Ehemann würde seiner Partnerin Gewalt antun und diese habe daraufhin eine Fehlgeburt erlitten. 

    Im April haben das Ehepaar Bohrn Mena und Lena Schilling, damals bereits Spitzenkandidatin der Grünen, vor Gericht einen Vergleich abgeschlossen. Schilling verpflichtete sich darin, besagte Äußerungen zu unterlassen. Auch jene, wonach die Bohrn Menas mit ihrer Stiftung „wie eine Mafia“ agieren würden. Erst als der Standard an sie herangetreten sei, habe man die Journalisten dort über den Vergleich mit Schilling informiert, sagt dazu Veronika Bohrn Mena. 

    Grüne stellen sich hinter ihre Spitzenkandidatin Lena Schilling

    In einer eilends einberufenen Pressekonferenz stellte sich tags darauf fast die gesamte grüne Parteispitze vor ihre Spitzenkandidatin, ohne jedoch konkret auf die Vorwürfe einzugehen. Berichtet würde lediglich aus Schillings Privatleben, mit ihrer Politik habe all das nichts zu tun, so der Tenor. Vom „anonymen Gemurkse und Gefurze“ werde man sich nicht aufhalten lassen, beschwor Grünen-Parteichef und Vizekanzler Werner Kogler Anhänger wie Mitstreiter seiner Partei. Schilling auf den letzten Metern als Spitzenkandidatin zu ersetzten – unmöglich.

    Eine gute Figur macht in diesem sehr österreichischen Spektakel keiner der Beteiligten: weder Lena Schilling, die offenbar allzu schnell die österreichische Ellenbogen-Praxis des politischen Betriebs gelernt hat, noch die Grünen, die es versäumt haben, ihre Quereinsteigerin und Hoffnungsträgerin vorab zu prüfen – bis jetzt ist nicht klar, ob und in welchem Ausmaß die Parteispitze über die schon seit Wochen, wenn nicht Monaten durch Wien geisternden Gerüchte über Schilling Bescheid gewusst hatte. 

    Und auch die Qualitätszeitung Der Standard muss sich Kritik und Fragen gefallen lassen: etwa jene, ob bei der Berichterstattung über die Vorwürfe und Vorgänge in Schillings Privatleben, das sich vielfach in der politischen Szene abgespielt haben soll, nicht eine Grenze überschritten worden ist – auch zugunsten der Aufmerksamkeit der Leser. Details und Namen zu den Vorwürfen gegen Schilling und ihre Affären, ob nun erfunden oder tatsächlich vorhanden, lässt der Standard-Artikel zum Teil vermissen. Man könne aber jede Zeile durch Screenshots und Beweise belegen, versichert das Medium. Ein klares Bild von den Zusammenhängen der Affäre ist somit schwer erkennbar. Fakt ist: Mehrere Medien in Österreich wussten über die Vorwürfe Bescheid, entschieden sich aber gegen eine Veröffentlichung.

    Was bleibt, ist vor allem das recht unschöne Bild einer von Intrigen, Konflikten und „Verhaberung“ zwischen Medien und Politikern durchzogenen politischen Szene in Österreich. Und eine junge Frau, die offensichtlich gerne und viel redet – deren politische Karriere aber, egal ob sie am 9. Juni erfolgreich ist, zumindest in absehbarer Zeit wohl so schnell vorbei sein wird, wie sie begonnen hat.

    Hinweis: Der Autor war in der Vergangenheit einige Jahre mit Frau Bohrn Mena in einer privaten Partnerschaft.

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