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Landwirte fassungslos: Wie Milliarden Liter Fake-Biodiesel in deutschen Tanks landen

Interview

Wie funktioniert der große Fake-Biodiesel-Betrug?

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    Seit Jahren prangert die deutsche Biokraftstoffbranche einen großangelegten Betrug bei mutmaßlichem Fake-Biodiesel aus  China und Südostasien an. Doch die Bundesregeierung gibt sich machtlos.
    Seit Jahren prangert die deutsche Biokraftstoffbranche einen großangelegten Betrug bei mutmaßlichem Fake-Biodiesel aus China und Südostasien an. Doch die Bundesregeierung gibt sich machtlos. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Noch immer werden tropische Regenwälder für Palmölanbau gerodet. In Europa landeten in den vergangenen Jahren Milliarden Liter importiertes Palmöl in Auto- und Lkw-Tanks – weil dem Diesel zum Klimaschutz Biokraftstoffe beigemischt werden und Palmöl billig ist. Läuft hier Klimaschutzpolitik in eine absurde Richtung?
    BERNHARD KRÜSKEN: Die ökologischen Probleme beim Palmölanbau in vielen Ländern sind seit Langem bekannt. Die EU hatte angekündigt, dass sie die Verwendung von Palmöl als Rohstoff für Biokraftstoffe ausschließen will, und verlangt außerdem Nachhaltigkeitsnachweise. Für deutsche Landwirte als heimische Erzeuger von Biomasse bedeutet das sehr viel Bürokratie mit einer umfassenden Zertifizierung, obwohl in Deutschland natürlich keine Wälder solchem Anbau zum Opfer fallen. Woanders wird falsch gespielt: Wir erleben, wie der deutsche Markt mit angeblich fortschrittlichem Biodiesel auf Basis von Altfetten aus China überschwemmt wird, der aber offensichtlich aus umetikettiertem Palmöl stammt. Fast alle Experten der Biokraftstoffbranche halten die großen Mengen an angeblich fortschrittlichem Biodiesel für völlig unglaubwürdig. Dennoch kaufen die Mineralölfirmen den Biodiesel.

    Die Biokraftstoffbranche schlägt seit Jahren Alarm: Man kann im Internet Schiffsrouten nachvollziehen und erkennen, wie Palmölfrachter etwa aus Indonesien in China anlegen und nach kurzer Pause ihre Ladung als zertifizierten chinesischen Altfett-Biodiesel nach Europa schippern. Spielt sich vor aller Augen ein Umwelt- und Wirtschaftsskandal ab?
    KRÜSKEN: Wenn massenhaft Palmöl zu Altfetten umetikettiert wird, daraus hergestellter sogenannter fortschrittlicher Biokraftstoff bei uns landet und die Politik in Brüssel und Berlin nichts dagegen unternimmt, ist das ein Skandal. Der mutmaßliche Betrug beim Import von asiatischem Biodiesel liegt seit mehr als anderthalb Jahren mehr oder weniger offen auf dem Tisch. Seit Jahren laufen die Erzeuger auch in Deutschland der Bundesregierung hinterher und sagen: Bitte tut endlich etwas dagegen, aber das Bundesumweltministerium sieht hier offensichtlich keinen dringenden Handlungsbedarf.

    Beim Biodiesel geht es um ein Milliardengeschäft. Wie groß ist der Schaden für deutsche Landwirte?
    KRÜSKEN: Die deutschen Landwirte leiden mehrfach unter dieser Politik: Die Bürokratie bei den Auflagen für heimische Biomasse wird immer größer und der fragwürdige Import-Biodiesel bei den gesetzlich vorgegebenen Treibhausgasminderungsquoten wird gegenüber nachhaltigen heimischen Produkten wie Rapsöl bevorzugt: Mineralölkonzerne können in Deutschland Zertifikate für aus Altfetten hergestellten Biodiesel mehrfach bei der THG-Quote anrechnen und kaufen entsprechend weniger heimisches Rapsöl oder Bioethanol zur Kraftstoffbeimischung. Der Schaden ist kaum exakt bezifferbar, doch man kann für die deutschen Landwirte von einem mehrstelligen Millionenbetrag ausgehen. Dazu kommt der allgemeine Schaden für die Klimapolitik und in das Vertrauen in die Zertifizierung in Drittländern.

    Eigentlich sollen Zertifikate eine ordnungsgemäße Herkunft der Biokraftstoffe sicherstellen, doch Kontrollen vor Ort in China finden so gut wie nicht statt, weil die Regierung keine Prüfer ins Land lässt, um die angeblichen Produktionsanlagen zu inspizieren. Liegt hier ein Systemversagen vor?
    KRÜSKEN: Dieses System lädt offensichtlich zu Betrug und Missbrauch ein, wenn Zertifikate zwar ausgegeben werden, aber das mit der Zertifizierung beauftragte Unternehmen zugleich nicht in der Lage oder nicht willens ist, die Einhaltung der Standards zu kontrollieren und zu überwachen. Der Fehler im System liegt darin, dass man diesen Zertifizierern nicht auf die Finger klopft. Wenn deutschen Behörden Kontrollmöglichkeiten im Ausland verwehrt werden – wie dies in China der Fall ist – stellt sich die Frage, warum wir diese Produkte importieren sollen? Und mit der Mehrfachanrechnung der Zertifikate des mutmaßlich gefälschten Biodiesels auf die Klimaquoten werden von der deutschen Politik noch zusätzliche Anreize geschaffen, dass solche Produkte aus angeblichen Altfetten Absatz finden und nachhaltige heimische Rohstoffe verdrängen. Bei all dem hat das Bundesumweltministerium lange mehr oder weniger tatenlos zugeschaut.

    Abholzung eines Waldgebietes im indonesischen Sumatra.
    Abholzung eines Waldgebietes im indonesischen Sumatra. Foto: WWF (Archivbild)

    Die Bundesregierung spricht inzwischen selbst von „mutmaßlichem Betrug“ und ließ Strafanzeige stellen. Allerdings hat die Bonner Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt. Nun will man von Brüssel mehr Befugnisse. Reicht das an Konsequenzen?
    KRÜSKEN: Die Bundesregierung hat sich erst nach jahrelangem massivem Druck bewegt. Die Einstellung des Verfahrens wurde damit begründet, dass kein direkt Geschädigter nachgewiesen werden konnte, was eine Farce ist: Die ganze Branche trägt den Schaden und kein einzelnes Unternehmen allein. Die Bundesregierung muss endlich Druck auf die EU ausüben: Die Praxis solcher Zertifizierungssysteme, die keine Überwachung ihrer Standards kontrollieren können, muss geändert werden. Hier reichen auch keine Antidumpingverfahren, wie sie in Brüssel geprüft werden. Und es muss auf nationaler Ebene gehandelt werden.

    Was könnte die Bundespolitik unabhängig von Brüssel tun?
    KRÜSKEN: Es gibt eine einfache Lösung: In Staaten wie Belgien und Österreich benötigen die Importeure von Biokraftstoffen eine behördliche Zulassung, bei der nachgewiesen werden muss, dass die in Frage kommenden Anlagen tatsächlich die komplexen Verfahren zur Verarbeitung von Altfetten beherrschen und welche Mengen an Biokraftstoffen daraus produziert werden können. Dieses System müsste Deutschland einfach kopieren, das würde den Missbrauch eindämmen. Eine weitere wirksame Maßnahme wäre das Aussetzen der Mehrfachanrechnung für Drittlandimporte, wenn für deutsche Behörden keine Kontrollen erlaubt sind, weil hier der eigentliche Anreiz für Betrügereien liegt.

    Eine Luftaufnahme zeigt Palmöl-Plantagen in Indonesien. Das zu großen Teilen für Biodiesel verwendete Palmöl hat verheerende Folgen für die Artenvielfalt, Umwelt und Klima.
    Eine Luftaufnahme zeigt Palmöl-Plantagen in Indonesien. Das zu großen Teilen für Biodiesel verwendete Palmöl hat verheerende Folgen für die Artenvielfalt, Umwelt und Klima. Foto: Bagus Indahono, dpa

    Die Bundesregierung lehnt das österreichische System ab. Können Sie das nachvollziehen?
    KRÜSKEN: Man hat den Eindruck, der Schaden in der deutschen Biokraftstoffwirtschaft kommt dem Umweltministerium ganz recht. Offiziell argumentiert die Bundesregierung mit Welthandelsregeln, doch das halten wir für vorgeschoben. Denn das Zulassungsverfahren für Biokraftstoffe ist in anderen EU-Staaten gängige Praxis. Die augenscheinliche Gleichgültigkeit und Tatenlosigkeit der Bundesregierung gegenüber Betrug mit Fake-Biodiesel aus China ist Ausdruck ihres generellen Misstrauens gegenüber Biomasse, auch aus heimischem Anbau. Auch hier wird gebremst und eingeschränkt, wo es nur geht. Das passt alles so gar nicht mit der nach außen hin vertretenen Klimapolitik zusammen.

    Auch in Teilen der Bevölkerung gibt es unter dem Schlagwort „Tank oder Teller“ ein Misstrauen gegen die Biokraftstofferzeugung aus Raps oder Getreide …
    KRÜSKEN: Aus dieser Skepsis spricht leider auch etwas Unkenntnis über unsere Anbausysteme, bei denen immer gleichzeitig Lebens- und Futtermittel sowie nachwachsende Rohstoffe anfallen. Wir sprechen von vielfältigen Fruchtfolgen und Kaskadennutzungen. Heimische Biokraftstoffe kommen mit einem verpflichtenden Nachhaltigkeitsnachweis. Ein anderes Beispiel ist Getreide, das nicht Qualitätsansprüchen der Mühlen entspricht, und für die Bioethanol-Erzeugung genutzt werden kann. Bei all diesem Mix spielen Biokraftstoffe eine Rolle. Bei einer korrekten Zertifizierung ist Biomasse ein wichtiger Beitrag für nachhaltigen Klimaschutz.

    Bauerverband-Generalsekreär Bernhard Krüsken wirft der Bundesregierung Tatenlosigkeit im Biodiesel-Skandal vor.
    Bauerverband-Generalsekreär Bernhard Krüsken wirft der Bundesregierung Tatenlosigkeit im Biodiesel-Skandal vor. Foto: Gero Breloer, DBV

    Zur Person: Bernhard Krüsken, der 62-jährige Agrar-Ingenieur ist seit 2013 Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands und arbeitete zuvor unter anderm lange für den Deutschen Raiffeisenverband.

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    4 Kommentare
    Gerold Rainer

    Grundsätzlich haben die sogenannten Biokraftstoffe überhaupt nichts mit Umweltschutz oder Klimaschutz zu tun. Um ein Rapsfeld zu pflanzen, musste auch irgendwann einmal ein Wald geschlagen werden. Das CO2 aus "Biokraftstoff" ist genau so ein Treibhausgas wie das aus Erdöl. Besser wäre es, mehr zusätzlichen Wald als CO2- Senke zu pflanzen und weiterhin fossile Kraftstoffe zu verbrennen. Aber Menschen lieben es, in Teufelskreisen zu denken.

    Franz Xanter

    Ist es nicht immer wieder bemerkenswert, wie der Deutsche sich von offiziellen Institutionen und insbesondere von Politikerinnen und Politikern verschaukeln lässt? Und da fragt die Politik sich ernsthaft, wie es zu solchen Wahlergebnissen kommt? Bleibt nur noch die Frage, wann das Ganze in ein Extrem umschlägt. Denn ausgeschlossen ist dies nach derzeitigem Stand in keiner Weise.

    Thomas Keller

    Wir werden immer mehr Menschen die immer mehr Energie und Rohstoffe brauchen. Das Problem zu verlagern bringt überhaupt nichts. Allem einen grünen Anstricht zu geben, damit beeindruckt man ein paar Naive. Ich musste lachen als ich letztens bemerkte das mein Spülmittel vegan sei. Da war noch nie etwas anderes als Tenside drin. Wie immer wird der Kunde und Verbraucher für den steigenden Umsatz der Konzerne veralbert.

    Raimund Kamm

    Ich erinnere mich wie ab 2007 der Automobilindustrie im Interesse des Klimaschutzes strengere Vorgaben gemacht werden sollten. Doch die Wirtschaftsminister (Glos, zu Guttenberg, (CSU) Brüderle, Rösler (beide FDP) und Gabriel (SPD) verbündeten sich mit den Landwirtschaftsminister*innen Seehofer, Aigner, Friedrich (alle CSU). Beimischungen von Biosprit (E10 und E5) wurden als CO2-Minderung angerechnet. So durften die Autos („SUV“ & Co) noch schwerer, stärker und klimaschädlicher werden. Wir Umweltschützer haben dies immer angeprangert. Intensiver Raps- oder Maisanbau führt über die Düngung zur Entstehung von viel extrem klimaschädlichem Distickstoffmonoxid (N2O). Egal ob in Übersee oder in Deutschland. In Übersee wird der Klimaschaden noch größer, wenn dort für den Anbau der Ölpflanzen Regenwald abgeholzt wird. Aktuell wird ein ähnlicher Fehler mit der Forderung nach angeblich klimaschonenden E-Fuels wiederholt. Schade, dass Herr Pohl dies nicht einordnet!

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