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Landtagswahl in Brandenburg: Bei der FDP reicht es nur noch für Mitleid

Landtagswahl in Brandenburg

Bei der FDP reicht es nur noch für Mitleid

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     Christian Lindner, FDP-Bundesvorsitzender, nennt die Landtagswahl in Brandenburg ernüchternd, er rüttelt aber nicht an der Koalition.
    Christian Lindner, FDP-Bundesvorsitzender, nennt die Landtagswahl in Brandenburg ernüchternd, er rüttelt aber nicht an der Koalition. Foto: Sebastian Christoph Gollnow, dpa

    Zwei Dinge gehören zur Wahlnachlese der FDP mittlerweile so sicher dazu, wie das Amen in der Kirche. Erstens: Partei-Urgestein Wolfgang Kubicki stellt lautstark die Ampel-Koalition infrage. Zweitens: FDP-Chef Christian Lindner bleibt in der Ampel, erhöht aber den Druck auf die Koalitionspartner SPD und Grüne. Nach dem Desaster in Brandenburg kommt neu das Lamento anderer Parteien hinzu. „Wie weit will man als FDP noch sinken?“, fragte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz am Montag und bezog sich darauf, dass die Liberalen nur halb so viele Stimmen wie die Tierschutzpartei eingefahren hatten.

    AfD-Chef Tino Chrupalla diagnostizierte, dass die FDP „eigentlich in Ostdeutschland nicht mehr existiert“. Ihr Stand war in den neuen Bundesländern immer gefährdet. Was die Lage bedrohlich macht, ist das gegenwärtig schlechte Ansehen in der gesamten Republik. Zuletzt reichte es in den Umfragen nur noch für 4 Prozent, einen Zähler unter der entscheidenden Marke von fünf Prozent. Was tun, um nicht unterzugehen?

    Christian Lindner auf dem Sprung

    „Ich bin nicht pessimistisch. Ich bin sprungbereit, sofort loszulegen“, sagte Lindner am Montag nach der Tagung des Präsidiums. Drei Themen hat er ausgemacht, die jetzt wichtig seien. Migration, Wirtschaftswachstum und eine sparsame Haushaltspolitik. Wenn der 45-Jährige sprungbereit ist, dann bedeutete das seit anderthalb Jahren nichts Gutes für die Koalitionspartner. Während sich die drei Regierungsparteien am ehesten auf Erleichterungen für die Unternehmen verständigen (Wachstumsinitiative), riecht es auf den anderen beiden Politikfeldern nach Stunk.

    Bei der Asylpolitik sind SPD und Grüne bis an das Limit des für sie Erträglichen gegangen. Beide Parteien hätten außerdem lieber gestern als heute die Schuldenbremse ausgesetzt, um sich mehr Spielraum für ihre Politik mit geborgtem Geld zu verschaffen. Lindner forderte von seinen Partnern Mut, über ihre Schmerzgrenze hinauszugehen. Konkret heißt das, Flüchtlinge an der Grenze pauschal abzuweisen und die Schuldenbremse trotz aller Misslichkeiten einzuhalten. Wenn „die Grenzen des Mutes“ erreicht seien, dann brauche es „Mut, eine neue Dynamik zu entfachen“. Die Koalition wollte er damit ausdrücklich nicht infrage stellen. „Das tue ich nicht“, betonte der Finanzminister.

    FDP-Chef Lindner sieht „Herbst der Entscheidungen“

    Bei Kubicki war die Wortwahl gewohnt klar. „Entweder die Ampel zeigt, dass sie die nötigen Schlüsse aus diesen Wahlen ziehen kann, oder sie hört auf zu existieren.“ Das zu klären, sei eine Angelegenheit weniger Wochen. „Wir warten nicht bis Weihnachten.“ Der bayerische FDP-Landesvorsitzende Martin Hagen stimmte zu: „Wenn man merkt, dass es nicht mehr geht, dann muss man auch irgendwann bereit sein, den Stecker zu ziehen“, hatte Hagen unserer Redaktion gesagt.

    Wolfgang Kubicki (FDP), stellvertretender Bundesvorsitzender seiner Partei, stellt die Ampelkoalition infrage.
    Wolfgang Kubicki (FDP), stellvertretender Bundesvorsitzender seiner Partei, stellt die Ampelkoalition infrage. Foto: Axel Heimken, dpa (Archivbild)

    Lindner fing Kubicki nur halb ein. Dessen Frist sei dessen Frist. Im Grunde räumte der FDP-Bundesvorsitzende dem Bündnis mit SPD und Grünen aber nicht wesentlich mehr Zeit ein. Mehrfach sprach er von einem „Herbst der Entscheidungen“, der meteorologisch bis zum 21. Dezember ginge. Weihnachten steht dann vor der Tür.

    In der jüngeren Parteiengeschichte gibt es ein Vorbild für Forderungen nach dem vorzeitigen Ende einer Koalition in der Adventszeit. Im Jahr 2019 war es der SPD-Nachwuchs der Jusos, der raus wollte aus der Großen Koalition unter der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU). „Am Nikolaus ist Groko-Aus“, hieß die Parole seinerzeit. Die Jusos und der linke Flügel hatten genug von Formelkompromissen mit der Union. Die Sozialdemokraten blieben dann doch bis zum regulären Schlusstermin dabei und eroberten bei der Bundestagswahl 2021 überraschend mit Olaf Scholz die Macht. Die Stimmung in der Groko war vergleichbar schlecht wie in der Ampel, nur war es damals die SPD, die ihre Erfolge von den Wählern nicht honoriert sah. Heute werden die Freien Demokraten von den Wählern abgestraft.

    Grüne und SPD wollen nach der Brandenburg-Wahl weitermachen

    Die Muster gleichen sich. Bei der FDP hat sich aber genau wie bei der damaligen SPD eine Arbeitsteilung etabliert. Kubicki, Hagen und Generalsekretär Bijan Djir-Sarai spielen mit dem Koalitionsbruch, während Lindner die Scherben halbwegs zusammenfegt. Während der GroKo schoss Ex-Juso-Chef Kevin Kühnert gegen das Bündnis mit den Konservativen, Olaf Scholz und Hubertus Heil traten für dessen Fortsetzung ein.

    Darauf hoffen, dass Grüne und SPD ihnen die riskante Entscheidung abnehmen, ihrerseits die Koalition aufzukündigen, sollte die FDP nicht haben. Grünen-Chef Omid Nouripour bekräftigte weiterzumachen - „aber das ist es auch dann“. „Ich würde niemandem raten, in diese Koalition viele Emotionen mehr zu stecken, auch wenn wir noch einiges ambitioniert vorhaben, was das Land voranbringen wird“, sagte Nouripour. Und der Kanzler? „Die Regierung muss sich den Aufgaben stellen, die vor ihr liegen“, betonte er in New York.

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    9 Kommentare
    Wolfgang Leonhard

    Lindner ist vielleicht auf dem Sprung in einen millionenschweren Job in der Bankwirtschaft - aber sonst nirgendwohin.

    Dirk Thum

    Es ist schon traurig anzuschauen, was aus der FDP eines Genschers oder Baums geworden ist. Nach jeder Wahl das gleiche Gerede "Wir müssen uns stärker durchsetzen". Danach folgt endlose Oppositionsarbeit in der Koalition und trotzdem, bzw. gerade deswegen, strafen die Wähler die Partei noch stärker ab. Man hätte auch die Taktik ändern und versuchen können, das Land konstruktiv mitzuregieren. Kubicki und Lindner eint eine Sache: für Lindner ist das Ministerium der erste Job, in der aktives Umsetzen angesagt ist, Kubicki hatte noch nie ein Regierungsamt inne. Es zeigt sich nun, dass markige Sprüche nicht ausreichen, um gute Politik zu machen. Es braucht auch eine Idee / Vision, was man erreichen will und jede Menge Mut zu pragmatischen Lösungen jenseits der reinen Lehre. Zu wissen was man nicht will, reicht als Opposition, aber nicht als Regierung. Das gleiche Problem hat übrigens auch Friedrich Merz. Mal schauen, ob er aus den Fehlern der FDP lernt.

    Franz Wagner

    Die FDP hat schon recht wenn sie auf der Einhaltung der Schuldenbremse drängt. Man kann halt nicht ständig über seinen Verhältnissen auf Kosten zukünftiger Generationen leben! Da machen sich Arbeitsunwillige mit dem Geld zukünftiger Generationen ein schönes Leben.... SPD und Grünen-Style halt!

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    Maria Reichenauer

    Wer vor allem auf Kosten künftiger Generationen lebt, sind die, die nicht begreifen, dass Investitionen in die Zukunft JETZT getätigt werden müssen. Die Industrie braucht JETZT die Transformation in eine bessere, sichere und günstigere Energieversorgung. Wir sind eh schon spät dran, weil die Merkel-Jahre in dieser Hinsicht sehr ineffektiv waren. Man schielt gerne auf das Wachstum der anderen Länder, aber die investieren entsprechend und haben dies auch in der Vergangenheit getan. Dafür ein paar Arbeitsunwillige verantwortlich zu machen, ist falsch, ja schäbig. Wer immer auf die Bürgergeldempfänger schimpft, hat das Problem unserer Zeit einfach nicht verstanden.

    Martin Goller

    Wenn in ihrem Haus das Dach leckt und der Putz von den Wänden bröckelt können sie gerne ihren Kindern etwas von solider Haushaltsführung vorschwärmen und denen Vorwerfen, wenn Sie gerne funktionierendes Warmwasser hätten, dass dies nur auf ihre Kosten gehe. Einen Staat kann man halt nicht so führen!

    Esther Ern

    "CDU ist entbehrlich“: SPD feilscht mit BSW trotz Ukraine-Streit um Koalition" - Bin schon dafür, daß die CDU insgesamt den Linksruck nicht weiter mitmacht, ob im Bund oder in den Ländern, schon gar nicht als kleiner “Juniorpartner” oder Mehrheitsbeschaffer. Laßt SPD und BSW, also Sozialisten mit Sozialisten, ruhig in Brandenburg koalieren und uns dabei zusehen, wohin das führen könnte.

    Esther Ern

    Bei Rot/Schwarz in Brandenburg hätte die CDU die selbe Position wie die FDP in der Ampel: Mehrheitsbeschaffender aber kleiner Juniorpartner einer dominierenden Linkspartei, nicht auf Augenhöhe oder partnerschaftlich gewertschätzt: Dafür aber unverzichtbar und wie FDP in der Position, den Dominierenden zu verlassen. Will die Brandenburg-CDU diese Rolle wirklich auf sich nehmen?

    Esther Ern

    Grünen-Fraktionschefin Haßelmann lehnt Ultimaten aus der FDP ab. Natürlich lehnt grüne Fraktionschefin Ultimatum aus der FDP ab! Ohne FDP keine Ampel, keine Grünen in der Regierung. Nicht, daß die FDP von Grünen gewertschätzt würde: Sie benötigt diese dringend, um weiter regieren, um ihren "Umbruch" - den wirtschaftlichen Abriß weiterführen zu können.

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    Maria Reichenauer

    ... und mit Neuwahlen auch keine FDP im Bundestag. So blöd könnte es laufen – dass Lindner nun wie ein trotziges Kind um sich schlägt … geschenkt. Er wird nicht aussteigen, er weiß, dass er dann nicht unbedingt auf die Füße fällt. In einer Koalition ein Ultimatum zu stellen – das ist doch lächerlich.

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