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Lage so ernst wie noch nie: Immer mehr Kliniken schränken Angebot ein

Gesundheitssystem

Viele Kliniken schränken ihr Angebot ein

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    Jede zweite Klinik plant eine Verschärfung der Sparmaßnahmen, die mitunter versorgungsrelevante Bereiche betreffen.
    Jede zweite Klinik plant eine Verschärfung der Sparmaßnahmen, die mitunter versorgungsrelevante Bereiche betreffen. Foto: Marijan Murat, dpa

    Die deutschen Krankenhäuser rutschen immer tiefer in die roten Zahlen und erwarten Einschränkungen in der Patientenversorgung bis zu längeren Wartelisten bei planbaren Operationen. „Die finanzielle Lage der deutschen Kliniken ist so ernst wie noch nie“, sagte der Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, im Interview mit unserer Redaktion. „Jede zweite Klinik plant notgedrungen eine Verschärfung der Sparmaßnahmen, die mitunter versorgungsrelevante Bereiche betreffen.“

    Krankenhäuser fordern von Lauterbach Inflationsausgleich

    Der Chef des Krankenhausträgerverbands forderte vor dem am Montag in Berlin beginnenden Krankenhaus-Gipfel Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf, die Vergütungen der Krankenkassen an sprunghaft gestiegene Inflation und Lohnerhöhungen anzupassen. „Seit den Jahren 2022 und 2023 laufen den Kliniken die Kosten davon“, sagte Gaß. „Ohne einen Ausgleich für diese Inflationsfolgen sind immer mehr Häuser in ihrer Existenz bedroht“, warnte er. „Hochgerechnet auf alle Krankenhäuser erwarten wir ein Defizit insgesamt von sechs Milliarden Euro in diesem Jahr.“ Seit der hohen Inflation machten die Kliniken im Schnitt jedes Jahr drei Prozent Verlust. „Bei solchen Zahlen wäre keine Wirtschaftsbranche lange überlebensfähig“, sagte Gaß.

    Krankenhäuser warnen vor Wartelistenmedizin wie in anderen Ländern

    Der Trägerverbandschef warnte vor zunehmend negativen Folgen für die Patientenversorgung und einem Kliniksterben. „Wenn die Politik nicht endlich etwas gegen den kalten Strukturwandel in der Krankenhauslandschaft unternimmt, droht auch in Deutschland eine Wartelistenmedizin wie in anderen Ländern“, betonte Gaß. „Das deutsche Gesundheitssystem droht sein Markenzeichen zu verlieren, dass Patienten – egal ob gesetzlich oder privat versichert – einen schnellen Zugang zu Krankenhäusern mit einer guten Auswahl haben.“ Der Weg in eine Wartelistenmedizin bei planbaren OPs sei eine Konsequenz der Politik der Bundesregierung. So halte die geplante Krankenhausreform nicht das Versprechen, Kliniken mit einer sogenannten Vorhaltefinanzierung langfristig abzusichern.

    „Die von Minister Lauterbach versprochene ,Entökonomisierung’ ist ein Etikettenschwindel“, sagte Gaß. „Das neue System bringt keine echte Verbesserung.“ Er forderte die Länder auf, die Reform im Bundesrat zu blockieren und dann in einem Vermittlungsverfahren grundlegend zu verbessern.

    Krankenhaussterben bedroht vor allem kirchliche Kliniken

    Der Vorstandschef der Krankenhausgesellschaft warf der Ampel-Koalition zudem vor, mit ihrer Politik insbesondere Kliniken kirchlicher und anderer gemeinnütziger Träger in die Insolvenz zu treiben. „Unter der gegenwärtigen Politik der Bundesregierung haben kirchliche oder gemeinnützige Kliniken keine Chance, dauerhaft ihre Defizite auszugleichen“, sagte Gaß. Anders als öffentliche Krankenhäuser bekämen sie weder Hilfen von Kommunen noch ausreichende Kredite von den Banken. „Wenn es so weitergeht, werden mehrere hundert Jahre alte katholische und evangelische Hospitäler sang- und klanglos verschwinden. Ohne Wertschätzung für ihre Arbeit.“ Diese Entwicklung sei auch gesellschaftlich fatal.

    Auch in Bayern mussten seit vergangenem Jahr mehrere kirchliche Kliniken ein Insolvenz- oder Schutzschirmverfahren beantragen. So kündigte Ende Juli das Schweinfurter Krankenhaus St. Josef des katholischen Ordens „Kongregation der Schwestern des Erlösers“ an, die Klinik mit 800 Mitarbeitern zum Jahresende zu schließen, nachdem sie erstmals in ihrer fast hundertjährigen Geschichte Millionenverluste schreibt. „Wir fühlen uns von der Gesundheitspolitik im Stich gelassen“, klagte die Ordensoberin Monika Edinger. „Es ist unverantwortbar, dass uns die Politik einfach ausbluten lässt.“

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