Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Kühnert-Rücktritt wegen Krankheit: SPD sucht neuen Generalsekretär

SPD

Nach Kühnert-Rücktritt: „Es geht jetzt um Kevin und seine Gesundheit“

    • |
    • |
    Kevin Kühnert bei einem Fernsehinterview in der SPD-Zentrale.
    Kevin Kühnert bei einem Fernsehinterview in der SPD-Zentrale. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Kevin Kühnert klang nicht wie ein Politiker, der sich demnächst verabschiedet, als er dem Spiegel in der vergangenen Woche ein großes Interview gab. Mehr Kampfgeist verlangte der SPD-Generalsekretär darin angesichts der verheerenden Umfragewerte von seiner Partei und ihrem Kanzler und mehr Klarheit in ihren Aussagen. „Alle wissen um die Größe der Aufgabe, die vor uns liegt“, versicherte Kühnert. Und fügte hinzu: „Auch der Bundeskanzler.“

    Sich selbst nahm der 35-Jährige dabei, wie es schien, nicht aus. „Jeder von uns muss und wird in dieser Kampagne über sich hinauswachsen“, kündigte er an. Nun allerdings begründet er mit genau jenem Satz seinen Rücktritt: „Ich selbst kann im Moment nicht über mich hinauswachsen, weil ich leider nicht gesund bin.“ Die Energie, die für das Amt des Generalsekretärs und einen Wahlkampf nötig seien, benötige er „auf absehbare Zeit“, um wieder gesund zu werden. Auch für den Bundestag will Kühnert nicht noch einmal kandidieren. Mit ihm geht, wenn auch aus anderen Gründen, nur knapp zwei Wochen nach den beiden Grünen-Vorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang ein weiterer Protagonist der Ampelkoalition.

    SPD-Vorsitzende äußern sich: „Es geht jetzt um Kevin und es geht um seine Gesundheit“

    Ob es psychische Probleme sind, wie die Bild-Zeitung spekuliert, oder ob ihn eine andere Diagnose zum Rücktritt zwingt, bleibt am Montag noch unklar. Wie viel Kraft, Nerven und Energie der Job eines Spitzenpolitikers kostet – daraus allerdings hat der frühere Juso-Chef nie ein Geheimnis gemacht. „Ich glaube, die Gefahr besteht darin, einfach weiter durchzuarbeiten, obwohl man eigentlich schon auf dem Zahnfleisch unterwegs ist“, hat Kühnert vor einigen Jahren bereits gesagt. „Aber ich will überhaupt nicht jammern. Das ist ja eine freie Entscheidung, die wir getroffen haben, wenn wir uns zur Wahl stellen.“

    Dass der Grund für den Rücktritt hier liegen könnte, deutet am Nachmittag auch Parteichef Lars Klingbeil an. „Wir alle wissen, wie fordernd das politische Geschäft ist“, sagt er. Und dass die Politik nicht alles sei.  Den Eindruck, die schlechten Wahlergebnisse der letzten Monate könnten etwas mit der Entscheidung zu tun haben, will Klingbeil gar nicht erst aufkommen lassen: „Es geht jetzt um Kevin und es geht um seine Gesundheit.“ Klingbeil und seine Mitvorsitzende Saskia Esken gehören zu den wenigen Genossen, die Kühnert eingeweiht hat, und sie sind es auch, die den Parteigremien am Abend einen Vorschlag für seine Nachfolge machen.

    Den Kanzler hat Kühnert geachtet, aber nicht unbedingt geschätzt

    Mit Kühnert verliert die SPD, zumindest vorübergehend, eines der größten politischen Talente seiner Zeit. Schon als Zehntklässler hatte er ein Praktikum bei der Partei absolviert, mit 16 Jahren trat er ihr dann bei, Die Tür für ihn stehe immer offen, beteuert Saskia Esken. Allerdings ist es in der Sozialdemokratie auch ein offenes Geheimnis, dass ihr Generalsekretär mit dem Erscheinungsbild von Partei und Regierungsmannschaft zuletzt alles andere als zufrieden war. Mehrfach forderte er nach Wahlniederlagen mehr Engagement und eine bessere Kommunikation ein. Für die Schlappe bei der Europawahl, als die SPD ihr bislang schlechtestes Ergebnis einfuhr, war allerdings auch Kühnert mitverantwortlich - es war sein erster großer Wahlkampf als Generalsekretär.

    Kühnert und Scholz: das ist die Geschichte einer höchst ambivalenten Beziehung: Als Juso-Chef quasi kraft Amtes schon auf dem linken Flügel der Partei spielend, hatte er erst eine Kampagne gegen die letzte Große Koalition unter Angela Merkel und ihrem späteren Finanzminister Scholz angezettelt und dann dafür gesorgt, dass Esken und der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans Nachfolger der zurückgetretenen Andrea Nahles als Parteivorsitzende wurden – und nicht Scholz und seine heutige Bauministerin Klara Geywitz.. Scholz, höhnte Kühnert damals, sei ein „Pragmatiker ohne Charme.“

    Genauso schnell allerdings hat er sich, rhetorisch begabt und medial gut vernetzt, den Realitäten der Ampelkoalition gestellt, den Kanzler tapfer verteidigt und einen Kandidatenwechsel zugunsten von Verteidigungsminister Boris Pistorius ausgeschlossen. Auch in der vergangenen Woche, in seinem letzten großen Interview, beteuert er noch einmal: „Wir stellen den Bundeskanzler und wir wollen mit ihm erneut gewinnen.“

    Als Generalsekretär zurückzutreten und nicht noch einmal für den Bundestag zu kandidieren, habe ihn große Überwindung gekostet, schreibt Kühnert in einem Brief an seine Partei. „Diese Entscheidungen schmerzen mich, weil ich meine politische Arbeit mit Herzblut betreibe.“ Aber sie seien trotzdem richtig. „Ich trage Verantwortung für mich selbst – und für die SPD. Indem ich mich jetzt ganz um meine Gesundheit kümmere, glaube ich, meiner doppelten Verantwortung am besten gerecht zu werden.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden