Wer im westlichen Bündnis das Sagen hat, zeigt das Treffen der Verteidigungsminister im pfälzischen Ramstein exemplarisch. Gastgeber ist dort nicht etwa der frische deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), sondern sein amerikanischer Amtskollege Lloyd Austin. In Ramstein unterhält das US-Militär einen großen Stützpunkt. Wer Koch und Kellner ist, könnte klarer nicht sein.
Das Treffen zur Unterstützung der Ukraine steht unter dem inoffiziellen Motto „Free the Leopards“ – lasst die Leoparden frei. Gemeint sind damit die gleichnamigen Kampfpanzer aus Deutschland, die Kanzler Olaf Scholz nicht an Kiew liefern will. In den letzten Wochen ist er aber außenpolitisch schwer unter Druck geraten, weil immer mehr Verbündete den ukrainischen Streitkräften schwere Panzer überlassen wollen.
Leopard-Panzer liefern oder nicht? Kanzler Olaf Scholz spielt Poker
Scholz hat deshalb gepokert und ein Umschwenken in der Panzer-Frage daran geknüpft, dass die Amerikaner ebenfalls Kampfpanzer an die Ukraine geben. Das US-Verteidigungsministerium hat aber erklärt, das nicht zu tun. Als Grund nennt es die komplizierte und teure Wartung der Abrams-Panzer. In der Tat werden diese beispielsweise nicht von Dieselmotoren angetrieben, sondern von einer Gasturbine.
Die in Washington getroffene Entscheidung nimmt Druck vom deutschen Bundeskanzler, Leopard-Panzer aus Beständen der Bundeswehr oder den Waffenschmieden Richtung Schlachtfeld zu schicken. Indes wird der Druck in der direkten Nachbarschaft stetig erhöht. Polen ist entschlossen, der Ukraine Leopard-Panzer aus eigenen Beständen zu überlassen. Berlin muss dem zustimmen, weil das Kriegsgerät aus deutscher Produktion stammt.
Der polnische Premier Mateusz Morawiecki will notfalls darauf verzichten. „Die Zustimmung ist hier zweitrangig. Wir werden entweder schnell eine Einigung erzielen oder wir werden selbst das Richtige tun“, sagte er in einem Interview mit dem Fernsehen. Im Gespräch mit einem Radiosender legte er eine zweite Unfreundlichkeit nach. Sie trifft den neuen Verteidigungsminister Pistorius. „Er ist ein enger Mitarbeiter des Symbols der Schande, Gerhard Schröder – einer, der die ganze Zeit mit Putin redet, plaudert, als wäre nichts gewesen.“
Pistorius: "Unterstützung für die Ukraine ist uneingeschränkt"
Pistorius hatte da kaum seine Ernennungsurkunde erhalten. Am Donnerstagmorgen war er mit Pauken und Trompeten im Verteidigungsministerium in Berlin eingezogen, gleich darauf stand das Treffen mit Lloyd Austin auf der Tagesordnung. Beide Politiker traten vor ihrem Kennenlernen vor die Kameras, Nachfragen waren nicht erlaubt. Der einstige General Austin tat dem Neuling den Gefallen, die Panzer-Frage in seinen Worten auszusparen. Er lobte Deutschland für die Unterstützung der Ukraine und erinnerte an seine Zeit, in der er hierzulande stationiert war.
Pistorius umschiffte den heiklen Punkt selbstredend. Später schob er auf dem Kurznachrichtendienst Twitter nach: „Deutschlands Unterstützung für die Ukraine ist uneingeschränkt und ohne Zögern“. Was das heißt, blieb zunächst offen. Erwartet wird in Berlin, dass Pistorius in Ramstein Polen und anderen Verbündeten die Zustimmung signalisiert, Leopard-Panzer an die Ukraine liefern zu dürfen. Damit käme Scholz seiner Brüskierung durch Warschau zuvor.
Mit jedem Leopard-Panzer, der an die ukrainische Armee geht, steigt der Druck aber erneut. Dafür sorgen wird auch die Opposition im Bundestag: „Bislang hat sich Deutschland durch die Haltung von Scholz, alle Bestrebungen zu verzögern und zu blockieren, immer mehr isoliert und erheblich an Vertrauen und Reputation bei unseren Partnern verloren“, sagte der CDU-Wehrpolitiker Roderich Kiesewetter unserer Redaktion. Scholz werde hierbei als Bremsklotz und nicht als verantwortungsbewusste Führungspersönlichkeit wahrgenommen, meinte der frühere Oberst der Bundeswehr.
Dass dem so ist, bestätigt der frühere Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger. „Alle Welt wartet darauf, dass Deutschland das grüne Licht gibt“, sagte Ischinger nach Gesprächen auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Vor der Runde in Ramstein kündigten Schweden und Dänemark an, der ukrainischen Armee Schützenpanzer und Haubitzen zu liefern. Der Bundeskanzler wird die Frage nach dem Beitrag des größten europäischen Landes nicht los.