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Krieg in der Ukraine: Putins Krieg trifft Pistorius auch persönlich

Krieg in der Ukraine

Putins Krieg trifft Pistorius auch persönlich

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    Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte einst gute Kontakte nach Russland. Heute entscheidet er mit, welche Waffen die Ukraine erhält.
    Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte einst gute Kontakte nach Russland. Heute entscheidet er mit, welche Waffen die Ukraine erhält. Foto: Peter Kneffel, dpa

    „Ich habe in Russisch Abitur gemacht. Ich fand das spannend, ich war richtig gut in Russisch“, erzählt Verteidigungsminister Boris Pistorius am Mittwochabend. Zu Gast ist er bei der Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Berlin-Pankow. Seine Zuhörer sind hohe Militärs, Diplomaten und Verteidigungsexperten. Der SPD-Mann plaudert ein bisschen aus dem Nähkästchen aus einer Zeit, in der Russland nicht das Böse war.

    Seine Heimatstadt Osnabrück ist seit den 70er Jahren mit der russischen Stadt Twer an der Wolga verbunden. Über den eisernen Vorhang hinweg gab es damals einen Jugendaustausch. Pistorius begleitete kleine Gruppen aus Kultur und Sport als Dolmetscher. „Mit der Nomenklatura hatten wir nichts zu tun.“ Die Russen seien warm, herzlich, gastfreundlich gewesen. 

    Immer das gleiche Spiel zwischen Deutschland und der Ukraine bei Waffenlieferungen

    Eine Minute später redet der 63-Jährige über Marschflugkörper vom Typ Taurus, die die Ukraine von Deutschland verlangt, um damit russische Soldaten anzugreifen und zu töten. Die brutale Logik des Krieges macht vor der eigenen Vergangenheit nicht halt. „Ich kann mit Putins Russland nichts anfangen, weil ich mit Putin nichts anfangen kann“, sagt Pistorius. Er glaubt – und womöglich hofft er es mehr –, dass viel weniger Russen den Krieg gegen die Ukraine unterstützen, als es der russische Präsident der Öffentlichkeit glauben machen will. Die Debatte um die Marschflugkörper geht ihm mittlerweile auf die Nerven. Jeden Tag wird Pistorius mehrfach dazu gefragt. Am Ende, so sagt es der Minister indirekt, entscheidet der Kanzler. 

    Bei den Taurus-Raketen scheint sich das Spiel zu wiederholen, das sich zwischen Deutschland und der Ukraine seit dem Einmarsch der Russen entsponnen hat. Kiew verlangt schweres Kriegsgerät, Kanzler Olaf Scholz zögert, wartet auf die Amerikaner und den linken Flügel seiner SPD, um schließlich die Forderung der Ukrainer zu erfüllen. „Am Ende liefert Ihr doch“, sagte Außenminister Dmytro Kuleba vor wenigen Tagen gallig. „Der Ton ist an der Stelle falsch“, entgegnet Pistorius, verspricht aber den Angegriffenen weitere massive unterstützen werde. 

    Dass Berlin nicht schneller mehr Nachschub an Waffen zur Verfügung stellen kann, liegt vor allem daran, dass die Lager der eigenen Streitkräfte leer sind. Die Bundeswehr ist auch anderthalb Jahre nach der russischen Invasion immer noch weitgehend blank. 

    An die Bürokratie wagt sich Pistorius nicht ran

    Schon im Jahr 2025 hat Deutschland der Nato zugesagt, eine voll einsatzbereite, gepanzerte Division vorzuhalten. Unter den Offizieren, die bei der Akademie zu Gast sind, kann sich keiner vorstellen, wie das klappen soll. Gleiches gilt für die Brigade mit 4000 Soldaten, die dauerhaft in Litauen stationiert sein soll. Eine Umfrage in den Verbänden hat ergeben, dass nur wenige Männer und Frauen bereit sind, mit ihren Familien nach Osteuropa zu ziehen. Doch nächste Woche will der Verteidigungsminister im Verteidigungsausschuss des Bundestages konkrete Schritte vorstellen. „Da wird der eine oder andere sich die Augen reiben“, sagt er. 

    Der Militärexperte Sönke Neitzel von der Universität Potsdam bescheinigt dem Minister, dass er deutlich mehr erreicht habe als seine Vorgänger. Doch er wirft ihm vor, nicht an das Kernproblem der Truppe ranzugehen – die alles erstickende Bürokratie. „Wir haben heute mehr Generale als während der Zeit des Kalten Krieges. Pistorius macht es eben nicht wie Helmut Schmidt, der einst 56 Generale rauswarf“, meint Neitzel. Pistorius kündigt in der Akademie an, in der nächsten Zeit in die Abteilungen zu gehen und „Regeln rauszuschmeißen und Fesseln abzuwerfen.“ Grundlegend will er aber sein Ministerium nicht umstrukturieren. „Wir haben gerade wahnsinnig viel am Hals“.

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