Der neue deutsche Verteidigungsminister hat das Zählen befohlen. Boris Pistorius lässt jetzt nachschauen, wie viele der von der Ukraine begehrten Leopard-Kampfpanzer in den Hallen von Bundeswehr und Rüstungsbetrieben stehen. Zählappelle und Stärkemeldung gehören schließlich zum Wesen der Armee. „Wir bereiten uns für den Fall der Fälle vor“, sagte der SPD-Mann nach den Beratungen mit seinen westlichen Amtskollegen und hohen Militärs im pfälzischen Ramstein.
Der Fall der Fälle ist jener, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu dem Schluss kommt, dass er Kiew doch das schwere Kriegsgerät liefert. Das könne binnen Tagen geschehen, umriss Pistorius den Zeitrahmen. Für das Frühjahr sagen die Strategen in der Ukraine große Schlachten mit den russischen Invasionstruppen voraus. „Wir müssen schneller werden“, forderte der nach Ramstein per Video zugeschaltete ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Freitag mit aufgerauter Stimme.
Selenskyj: Hundertfacher Dank und 100 Tanks
Er verlangte Kampfpanzer, Kampfflugzeuge und Luftabwehrraketen. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter schob er auf Englisch ein ironisches Wortspiel nach. „I can thank – but hundreds of ‚thank you‘ are not hundreds of tanks“. Hundertmal „Danke sagen“ sei nicht das Gleiche wie 100 Panzer.
Eine Zusage für die Stahlkolosse bekam Selenskyj in Ramstein nicht. Er steht dennoch nicht mit leeren Händen da. Schon im Vorfeld des Treffens der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe aus 50 Staaten hatten unter anderem die USA, Schweden und Dänemark umfangreiche Waffenlieferungen an die Überfallenen angekündigt. Auch Deutschland wird nach den Worten Pistorius‘ nachlegen, und zwar im Umfang von einer Milliarde Euro. „Deutschland wird nicht aufhören damit, Deutschland wird nicht nachlassen, die Ukraine zu unterstützen.“ Priorität habe die Luftverteidigung.
Deshalb wird die Bundeswehr – wie bereits bekannt – eine Patriot-Raketeneinheit an die ukrainische Armee weiterreichen. Auch Marder-Schützenpanzer gehen gen Osten. Auch das war bereits angekündigt. Bislang hat Deutschland Kriegsgerät im Umfang von zwei Milliarden Euro abgegeben.
US-Verteidigungsminister in Ramstein: "Die Geschichte schaut auf uns"
Die USA als Führungsmacht der Nato und Gastgeber der Runde in Ramstein drängten die Alliierten zu weiteren Zusagen. „Die ukrainische Bevölkerung schaut auf uns. Der Kreml schaut auf uns. Und die Geschichte schaut auf uns“, mahnte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin.
ist die Frage der Kampfpanzer im Bündnis noch nicht geklärt. „Es ist keineswegs so, als gebe es eine einheitliche geschlossene Koalition“, meinte der 62-Jährige. Ihm zufolge hatte seine zurückgetretene Vorgängerin Christine Lambrecht trotz monatelanger Diskussion keine Liste mit den verfügbaren Leoparden erstellen lassen.
Die USA wollen Selenskyj indes keine Kampfpanzer des Typs M1 Abrams zur Verfügung stellen und begründen das mit der komplizierten Wartung und spezieller Munition. In Europa weit verbreitet sind hingegen die Leoparden aus deutscher Produktion. Für die Ukraine ist es logistisch sinnvoller, den Nachschub an Material und Ersatzteilen für eine begrenzte Zahl von Panzermodellen zu organisieren. Aus Großbritannien erhält das angegriffene Land einige schwere Challenger-Panzer und muss bereits deren Nutzung im Heer vorbereiten.
Scholz verweigert Weitergabe von Leopard-Panzern an die Ukraine
Bundeskanzler Olaf Scholz sperrt sich gegen die Weitergabe von Leoparden an die Ukraine, um Russlands Präsident Wladimir Putin nicht zu provozieren. Er hatte ihre Lieferung zuletzt an den Willen der USA geknüpft, ihrerseits M1 zu liefern. Doch trotz der Absage Washingtons lässt der internationale Druck auf Deutschland nicht nach. Die Ukraine, die osteuropäischen Staaten und Großbritannien werfen Scholz Zögerlichkeit vor. Auf den Schlachtfeldern im Donbas konnte die russische Armee zuletzt einige Erfolge erringen und die Verteidiger zurückdrängen.