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Krieg gegen die Ukraine: Was der Krieg in Israel für die Ukraine bedeutet

Krieg gegen die Ukraine

Was der Krieg in Israel für die Ukraine bedeutet

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    Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, bat bei seinen Partnern um weitere Militär- und Finanzhilfen.
    Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, bat bei seinen Partnern um weitere Militär- und Finanzhilfen. Foto: Eric Lalmand, dpa

    Als Wolodymyr Selenskyj in dieser Woche vor dem Hauptquartier der Nato in Brüssel vorfuhr, war der Empfang herzlich. Ein fester Händedruck von Jens Stoltenberg, die Versicherung, dass die Allianz an der Seite der Ukraine stehe. Und doch war etwas anders als bei den letzten Zusammentreffen. Es blitzten weniger Kameras, die Titelbilder der folgenden Tage wurden von anderen bestimmt. Der Krieg im Nahen Osten lässt in Kiew die Befürchtung wachsen, dass die Belange der Ukraine mindestens auf Platz zwei der internationalen Prioritätenliste rutschen. Die Sorge, dass die finanzielle und militärische Hilfe aus dem Westen für Kiew deswegen nachlassen könnte, treibt den Präsidenten um.

    Moskau sei sehr daran interessiert, dass die Aufmerksamkeit und die Hilfe für Kiew nachlasse und sei dabei bereit, andere Weltteile zu destabilisieren. „Daher ist die billigste Variante für alle, Russland bei uns zu stoppen, den Krieg bei uns zu beenden“, mahnt Selenskyj. Nur dann werde es nicht zu einem großen Krieg in Europa und der Welt kommen. Russland werde ein Verschieben der internationalen Aufmerksamkeit ausnutzen und in ein bis drei Jahren neue Kräfte sammeln, um die „ganze Ukraine zu zerstören“.

    Putin nutzte Chance für einen Seitenhieb gegen die USA

    Gerade mit Blick auf den Winter werden weitere Zusagen der Verbündeten für die Ukraine entscheidend sein. Selenskyj ist nicht der Einzige, den das Thema umtreibt. „In Europa sehen wir bereits, wie der Zusammenhalt bröckelt an Staaten wie Slowakei und Ungarn, die sich eher wie Marionetten von Putin verhalten“, mahnt der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter. „Wir müssen ganz klar sehen, dass es das Interesse Russlands ist, dass der Krieg gegen Israel möglichst lange und brutal geführt wird.“

    Präsident Wladimir Putin nutzte bereits seine Chance für einen Seitenhieb auf die USA. Washington sei gescheitert im Nahen Osten, weil es sich nur um seine Interessen kümmere – nicht etwa um die Rechte der Palästinenser. Und auch Putins Kriegskasse füllt sich durch den Krieg zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas. Russische Staatsmedien jubeln, dass die Krise im Nahen Osten dauerhaft zu höheren Ölpreisen führt, wodurch mehr Geld in den Haushalt komme. Je höher der Ölpreis, desto stabiler auch der Rubel, der zuletzt im freien Fall war. 

    Russland befeuert den Flächenbrand im Nahen Osten

    Viel wichtiger aber für Putin ist, dass der Westen abgelenkt ist und die Hilfe versiegt. „Deshalb ist eine Unterstützung der Hamas durch Russland auch wahrscheinlich und so interpretiere ich die Aussage, dass Tschetschenen-Führer Ramsan Kadyrow seine Truppen für die Unterstützung der Hamas vorbereitet“, sagt Kiesewetter. „Russland hat ein sehr klares Interesse daran, den Krieg gegen Israel zu einem Flächenbrand im Nahen und Mittleren Osten auszuweiten und zu eskalieren, damit die USA und weitere westliche Staaten mit ihren Ressourcen in Polykrisen gebunden sind.“ Es habe sich eine Allianz der Autokratien aus Russland, China, Iran und Nordkorea gebildet, die das übergeordnete Ziel habe, die regelbasierte Ordnung zu schwächen. „Wir befinden uns bereits in einer globalen Systemauseinandersetzung, die eskaliert“, warnt Kiesewetter. 

    Traditionell unterhält Russland enge Kontakte zu Israel, aber auch zu den Palästinensern und sogar zur Hamas. Laut dem Außenministerium in Moskau hatte Vizeminister Michail Bogdanow schon mehrfach in diesem Jahr persönlichen und telefonischen Kontakt mit der Hamas-Führung. Für Putin dürfte es aber allen voran um seine eigene Machtbasis gehen – und darum, die USA zu schwächen. Amerika gilt bislang als wichtigster Verbündeter von Israel. 

    Russland setzt im Kampf gegen den Westen auf den Faktor Zeit

    Die Vereinigten Staaten seien weiterhin in der Lage, „an mehreren Schauplätzen“ Ressourcen zur Bewältigung von Krisen bereitzustellen, betont der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin. „Wir werden also fest an der Seite Israels stehen, während wir die Ukraine weiterhin unterstützen.“ Tatsächlich ist es aber nicht nur der neue Krisenherd, sondern auch der Haushaltsstreit und der schon bald aufkommende Präsidentschaftswahlkampf, die die Sorgen mit Blick auf Washington wachsen lassen. Viel wird wohl darauf ankommen, wie lange sich die multiple Krisenlage hinzieht. 

    „Der Zeitfaktor spielt ja nicht nur auf dem Schlachtfeld in der Ukraine eine Rolle“, sagt Verteidigungsexperte Kiesewetter. „Es ist auch ein Abnutzungskrieg gegen den Westen. Russland muss nur lange genug durchhalten, wenn wir weiterhin zu wenig und zu spät liefern, um seine Ziele zu erreichen. Das ist das Kalkül Putins.“ Die großen Erfolge der Ukraine sollten nicht zunichtegemacht werden, indem weiterhin zu wenig und zu spät geliefert werde.

    Deutschland stärkt die Nato mit Soldaten

    Was Selenskyj am dringendsten braucht, machte er in Brüssel deutlich. Er nannte zusätzliche Luftverteidigungssysteme, weitreichende Raketen und Artillerie. Nach Angaben des Staatschefs könnte damit verhindert werden, dass Russland wie im vergangenen Winter ukrainische Kraftwerke und Versorgungsnetze zerstört. 

    Die Nato gewährte ein Zeichen der eigenen Entschlossenheit. Die Ukraine-Unterstützerländer gaben Selenskyj ein Hilfspaket im Wert von 500 Millionen US-Dollar mit auf den Heimweg: Flugabwehr, Munition, Hilfe für den kommenden Winter sowie Kampfflugzeuge vom Typ F-16. Zur Abschreckung Russlands will Deutschland zudem künftig 35.000 Soldaten in sehr hoher Bereitschaft halten. Es gehe darum, die neuen Verteidigungspläne der Nato mit konkreten Kräften zu hinterlegen, erklärte Verteidigungsminister Boris Pistorius am Donnerstag. Die Truppen sollen ab 2025 vom Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte in Europa angefordert werden können. 

    Die Ukraine wehrt seit fast 20 Monaten eine russische Invasion ab. Am Freitag ist der 597. Kriegstag.

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