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Konflikte: Bundeswehr evakuiert weitere Menschen aus dem Sudan

Konflikte

Bundeswehr evakuiert weitere Menschen aus dem Sudan

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    Aus dem Sudan evakuierte Personen treffen auf der jordanischen Luftwaffenbasis Al-Azraqu ein.
    Aus dem Sudan evakuierte Personen treffen auf der jordanischen Luftwaffenbasis Al-Azraqu ein. Foto: Jana Neumann/Bundeswehr, dpa

    Die Bundeswehr hat weitere 120 Menschen aus dem umkämpften Sudan nach Jordanien ausgeflogen. Ihre Weiterreise nach Deutschland werde vorbereitet, teilte das Einsatzführungskommando gestern Abend auf Twitter mit. 

    Die Luftwaffe hat damit in den vergangenen Tagen mehr als 600 Menschen wegen der brenzligen Lage im Sudan evakuiert, wo es seit gut einer Woche Kämpfe zwischen dem regulären Militär und paramilitärischen Einheiten gibt. Die beiden Konfliktparteien missachteten mit ihren wahllosen Angriffen den Schutz von Zivilisten, kritisierte der deutsche UN-Vermittler Volker Perthes bei einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats in New York.

    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigte sich erleichtert über die gelungene Evakuierung. "Ich bin froh und glücklich, dass unsere Sicherheitskräfte viele deutsche Landsleute und viele Bürgerinnen und Bürger aus der dramatischen Situation im Sudan evakuieren konnten", sagte Steinmeier gestern in Vancouver während seines Kanada-Besuches. Zugleich sei er dankbar für den Mut und den Einsatz von Angehörigen der Bundeswehr, der Bundespolizei und des Auswärtigen Amtes.

    Nicht mehr viele Deutsche vor Ort

    Die Bundesregierung wollte den Evakuierungseinsatz, bei dem etwa 1000 Soldaten eingesetzt sind, noch gestern beenden. Im Sudan verbliebene Deutsche sollen bei Bedarf in den nächsten Tagen von internationalen Partnern bei deren Evakuierungsflügen mitgenommen werden. Der Anteil Deutscher an den letzten Bundeswehrflügen war aber ohnehin nur noch gering. Bis gestern Nachmittag wurden insgesamt rund 170 deutsche Staatsbürger und dazu Menschen aus rund 30 anderen Nationen evakuiert.

    Der Bundestag will heute um 16.30 Uhr über den Sudan-Einsatz der Bundeswehr abstimmen. Mit dem nachträglich erteilten Mandat sollen die Streitkräfte auch eine Rechtsgrundlage für die mögliche Fortsetzung der Rettungsmission bis Ende Mai erhalten.

    Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) dankten allen zivilen und militärischen Kräften für ihre "großartige Leistung". Baerbock sprach von "Mut, Teamwork und unermüdlicher Einsatzbereitschaft" vieler hundert Beteiligter in Bundeswehr, Bundespolizei und Auswärtigem Amt. Pistorius sagte: "Auf die Truppe können wir gemeinsam stolz sein."

    Hunderte Tote, Tausende Verletzte

    Im Sudan will De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan, der auch Oberbefehlshaber der Armee ist, mithilfe des Militärs seinen Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo entmachten, den Anführer der einflussreichen paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF). Die beiden hatten die Führung des Landes mit rund 46 Millionen Einwohnern durch zwei gemeinsame Militärcoups 2019 und 2021 übernommen. Bei den Kämpfen sind nach Informationen der Weltgesundheitsorganisation WHO mindestens rund 460 Menschen umgekommen und fast 4100 verletzt worden. Die wahre Zahl dürfte aber deutlich höher liegen.

    "Beide Kriegsparteien haben die Gesetze und Normen des Angriffs auf dicht besiedelte Gebiete missachtet, mit wenig Rücksicht auf Zivilisten, Krankenhäuser oder sogar Fahrzeuge, die Verwundete und Kranke transportieren", sagte der UN-Vermittler Perthes am Dienstag bei der Sitzung des Weltsicherheitsrats. Er forderte beide Seiten auf, den Verpflichtungen des humanitären Völkerrechts nachzukommen und den Schutz der Zivilbevölkerung und der zivilen Infrastruktur sicherzustellen. Zudem gebe es "beunruhigende Berichte über versuchte sexuelle Übergriffe".

    Keine Anzeichen für Verhandlungsbereitschaft

    Perthes, der seinen Arbeitsort aus Sicherheitsgründen in die Stadt Port Sudan verlegt hatte, ist nach eigenen Angaben weiterhin in regelmäßigem Kontakt mit den rivalisierenden Generälen im Sudan. Sowohl Armee-Oberbefehlshaber al-Burhan als auch RSF-Anführer Daglo würden aber noch immer gegenseitige Anschuldigungen erheben und damit wenig Hoffnung auf eine baldige Lösung der Krise machen: "Es gibt noch keine eindeutigen Anzeichen dafür, dass einer der beiden bereit ist, ernsthaft zu verhandeln, was darauf hindeutet, dass beide glauben, dass ein militärischer Sieg über den Anderen möglich ist. Dies ist eine Fehleinschätzung."

    Bezüglich der eigentlich seit der Nacht auf Dienstag geltenden Waffenruhe zog Perthes eine gemischte Bilanz. Die Feuerpause scheine zwar bislang "in einigen Teilen" des Landes zu halten. In der Hauptstadt Khartum aber würden die Kämpfe unter anderem um den Palast der Republik, den internationalen Flughafen und die Hauptquartiere sowie Stützpunkte von Armee und RSF "weitgehend fortgesetzt oder in einigen Fällen intensiviert". Luftangriffe und schwerer Beschuss insbesondere in den Städten Omdurman und Bahri unmittelbar bei Khartum hielten an. Der Flughafen sei Berichten zufolge zwar wieder in Betrieb, die Vorfelder seien aber beschädigt.

    Guterres warnt vor Krieg

    Es gebe zudem zahlreiche Berichte über Wohnungseinbrüche, Plünderungen von Häusern und Geschäften sowie an Kontrollpunkten entwendete Autos. Zu den Opfern gehörten sudanesische Bürgerinnen und Bürger wie auch Mitarbeitende der Vereinten Nationen, humanitäre Helferinnen und Helfer sowie diplomatisches Personal. Die Angst vor zunehmender Kriminalität wachse. UN-Generalsekretär António Guterres appellierte vor dem Sicherheitsrat für ein Ende der Gewalt und warnte vor dem Ausbruch eines vollumfänglichen Krieges.

    Die eilige Evakuierung deutscher und internationaler Helfer könnte aus Sicht von Entwicklungsministerin Svenja Schulze dramatische Folgen haben. Ein Drittel der Bevölkerung im Sudan sei schon jetzt auf Nahrungsmittelhilfen aus dem Ausland angewiesen, und es würden täglich mehr, sagte die SPD-Politikerin dem "General-Anzeiger" aus Bonn. Dass die Konfliktparteien einer Feuerpause von 72 Stunden zugestimmt haben, sei daher eine gute Nachricht. "So können sich die Menschen mit Wasser und Brot oder Medikamenten zu versorgen."

    Eine kurzzeitige Feuerpause könne aber nur der Anfang für eine dauerhafte Waffenruhe und Konfliktlösung sein, sagte Schulze. "Denn nur dann können wir unsere Arbeit wieder aufnehmen." Schulze forderte, dass das Militär seine Macht an eine zivile Regierung übertragen müsse.

    Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, äußerte sich zufrieden über die Leistung der Bundeswehr bei der Evakuierung im Sudan. Die SPD-Politikerin sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Die Bundeswehr hat eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass sie schnell reagieren kann und in Krisen einsatzbereit ist."

    (dpa)

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