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Kommentar: Warum wir Corona nicht einfach abhaken sollten

Kommentar

Warum wir Corona nicht einfach abhaken sollten

Margit Hufnagel
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    Auch im Fernverkehr wird bald die Maskenpflicht fallen.
    Auch im Fernverkehr wird bald die Maskenpflicht fallen. Foto: Andreas Arnold, dpa

    Sie wird schon bald zum Relikt aus anderen Zeiten: Die FFP2-Maske galt über zwei lange Jahre hinweg als das Symbol schlechthin für die Pandemie, die unser Leben so aus den Angeln gehoben hat. Inzwischen fischt man die Masken höchstens noch aus ein paar Jackentaschen, in die sie mal geknüllt wurden. Nun verschwindet sie selbst in den Fernzügen. Dass zugleich der Corona-Erklärer Lothar Wieler das RKI verlässt, passt in diese Zeit: Eine Phase geht ihrem Ende entgegen. 

    Doch mit dem Vergessen der Seuche sollten wir es nicht zu eilig haben. Nicht, weil es ewig den erhobenen Zeigefinger braucht oder Ängste geschürt werden sollen. Im Gegenteil. So einmalig diese Krise vielen erscheint, so sehr lässt sich von ihr für die Zukunft lernen. Nur leider scheinen viele Politiker davon nichts wissen zu wollen. Dabei geht es gar nicht um ein „blame-game“, also um Schuldzuweisungen, sondern um Lehren.

    Es gibt ein Grundvertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates

    Egal, ob Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, sein Vorgänger Jens Spahn oder der bayerische Ministerpräsident Markus Söder: Gerne gehört wird die Frage nach der Selbstkritik von keinem. Es seien Ausnahmesituationen gewesen, heißt es dann. Es wäre um Leben oder Tod gegangen. Im Nachhinein sei es immer leichter, alles besser zu wissen. Ob man die Menschen einfach hätte sterben lassen sollen. Wer so argumentiert, tötet jede Diskussion. 

    Der Reflex ist einerseits verständlich. Wohl kaum einer der Minister und Ministerpräsidenten war jemals in seiner beruflichen Laufbahn mit einer derart komplexen Situation konfrontiert. Auch wenn Details nicht immer nachvollziehbar waren: Im Zusammenspiel mit der Wissenschaft haben sie in der jeweiligen Lage nach bestem Wissen und Gewissem entschieden – so viel sollten ihnen auch ihre schärfsten Kritiker zugestehen. Der Verdacht, der Staat nutze die Chance, seine eigene Macht handstreichartig auszubauen, war schon immer absurd. Auf dieses Grundvertrauen weiter Teile der Gesellschaft konnte und kann sich die Regierung stützen. 

    Manche Corona-Entscheidungen waren zu streng, andere kamen zu spät

    Doch Wissen, gerade wenn die Situation unbekannt ist, ändert sich. Heute gibt es Studien, die zeigen, dass Kinder keine Pandemietreiber waren. Stattdessen haben die Schulschließungen und massiven Kontaktbeschränkungen ihrer Seele deutlich zugesetzt. Überhaupt wurden die psychischen Folgen der Pandemie viel zu wenig in den Blick genommen. Handfestes wie genug Impfstoff oder günstige Corona-Tests lässt sich in Tabellen abbilden, bei vermeintlich „weichen“ Aspekten ist das schwieriger. Dass Familien von Schlittenhügeln vertrieben wurden oder einsame Spaziergänger sich spätabends fragen lassen mussten, warum sie nicht zu Hause sitzen, gehört zu den Absurditäten der vergangenen Jahre. Umgekehrt haben verzögerte Entscheidungen wie ein „Lockdown light“ wohl viele Menschen das Leben gekostet. Viel zu spät wurde mit Impfkampagnen begonnen, staatliche Informationen für all die Haushalte, die keine Tageszeitung haben, gab es nicht. 

    Das alles lässt sich nicht rückgängig machen, aber darum geht es auch nicht. Wichtig ist, zu lernen. Denn auch wenn es den Anschein hat: Ganz ausgestanden ist die Pandemie nicht. 

    Nur eines sollte sich in der Debatte nicht verfestigen: Dass diese ganze Corona-Politik am Ende ein Stochern im Nebel war. Wer dazu beiträgt, dass eine Katastrophe nicht eintritt, hat bekanntlich immer größere Schwierigkeiten, das zu beweisen als derjenige, der negative Effekte auflisten kann.

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