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Kommentar: Vor dieser Opposition muss sich Scholz nicht fürchten

Kommentar

Vor dieser Opposition muss sich Scholz nicht fürchten

Rudi Wais
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    Armin Laschet gratuliert Olaf Scholz nach seiner Wahl zum Bundeskanzler. Wen muss die aktuelle Regierung fürchten?
    Armin Laschet gratuliert Olaf Scholz nach seiner Wahl zum Bundeskanzler. Wen muss die aktuelle Regierung fürchten? Foto: Michael Kappeler, dpa

    Opposition ist Mist – für die Union muss das berühmte Bonmot von Franz Müntefering auch zehn Wochen nach der Wahl noch wie ein Schrei aus einer fernen, fremden Welt klingen. Nur knapp ein Viertel der 197 Abgeordneten von CDU und CSU weiß aus eigenem Erleben, was es heißt, nicht selbst zu regieren, sondern der Regierung kritisch auf die Finger zu sehen – Parlamentarier wie Wolfgang Schäuble, Alexander Dobrindt oder Peter Ramsauer saßen auch schon vor 2005 im Bundestag, als der Sozialdemokrat Gerhard Schröder noch Kanzler war und die lange unterschätzte Angela Merkel Oppositionsführerin.

    Die Union ist noch immer auf der Suche nach ihrer Identität

    Tatsächlich ist Opposition keineswegs Mist, sondern für jede Demokratie konstitutiv. Umso besorgniserregender allerdings ist der gegenwärtige Zustand der Opposition im Bundestag. Die AfD ignorant bis destruktiv, die Linke deutlich geschrumpft und alleine auf ihre Kernwählerschaft fokussiert – und die Union noch immer auf der Suche nach ihrer Identität. Nicht einmal einen richtigen Oppositionsführer gibt es bisher.

    Formell ist das Ralph Brinkhaus als Vorsitzender der Unionsfraktion. Was aber, wenn Friedrich Merz CDU-Chef wird? Dann spricht vieles dafür, dass er auch nach dem Fraktionsvorsitz greift, um der neue Gegenspieler des neuen Kanzlers Scholz zu werden. Sollte Merz es nicht schaffen, wird es komplizierter: Weder Norbert Röttgen noch Helge Braun lassen bisher Ambitionen auf den Fraktionsvorsitz erkennen, im Falle ihrer Wahl bliebe also unklar, wer in der Opposition eigentlich den Takt vorgibt: der neue CDU-Chef oder der Vorsitzende der Bundestagsfraktion?

    Kritik an der Regierung ist eine politische Notwendigkeit

    Solange diese Fragen nicht geklärt sind, hat die Ampel leichtes Spiel – es sei denn, sie macht sich ihre Opposition selbst, indem Liberale und Grüne im Regierungsalltag entdecken, dass es womöglich doch mehr Trennendes als Verbindendes gibt. Dabei böte die neue Bundesregierung vor allem der Union Angriffsfläche genug: Ihre Finanzpolitik fußt, vorsichtig gesagt, auf ungedeckten Schecks. Ihre Migrationspolitik öffnet die Türen nach Deutschland noch weiter als die von Angela Merkel – und ihre dirigistische Klimapolitik, darf man annehmen, geht vielen Wählerinnen und Wählern im bürgerlich-liberalen Milieu ein Stück zu weit.

    Hier die Finger plakativ in die Wunden zu legen, Probleme zu benennen und andere Lösungen aufzuzeigen, ist für eine Bundestagsfraktion keine lästige Pflichtübung, sondern eine politische Notwendigkeit. Je fußlahmer eine Opposition agiert, umso leichter macht sie es der Regierung. Bisher allerdings versucht alleine die CSU so etwas wie Opposition, gewohnt scharf im Ton, aber noch wenig konstruktiv in ihren Aussagen. Die CDU dagegen braucht erst Monate, um ihre ungeklärte Führungsfrage zu beantworten und dann vermutlich weitere Monate, um ihre Oppositionsrolle auch endlich anzunehmen. Obwohl im Frühjahr im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen drei ihrer Ministerpräsidenten um ihre Wiederwahl bangen, kommt die Partei nicht in die Gänge.

    Die CDU erinnert im Moment an die SPD in ihren schlechtesten Zeiten

    Dabei beginnt mit dem Amtsantritt der neuen Regierung bereits der Wettbewerb um die beste Ausgangsposition für die nächste Wahl. Dass Scholz unwidersprochen über eine Fortsetzung der Ampel-Koalition über das Jahr 2025 hinaus spekulieren kann, spricht Bände: Die Ampel-Parteien versuchen, aus ihrer Koalition ein Projekt für mehrere Legislaturen zu machen – und die Union sieht zu.

    Vor allem die CDU erinnert im Moment an die SPD in ihren schlechtesten Zeiten: auf sich selbst fixiert, ohne Elan und ohne klaren Kurs. Um das zu ändern, sind vier Jahre eine verdammt kurze Zeit. Angriffsfläche böte die neue Regierung genug.

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