Unmittelbar nach dem Einmarsch der Russen in die Ukraine gingen tausende Menschen in Deutschland auf die Straße, um gegen die Invasion und zugleich für Frieden zu demonstrieren. Viele machten mit, je länger der Krieg dauerte, desto geringer wurde die Teilnahme. Die Gründe für diese Entwicklung sind ganz sicher nicht nachlassendes Interesse oder gar Gleichgültigkeit.
Mit zunehmender Dauer wuchsen vielmehr die Zweifel, wie mit diesem Krieg umzugehen ist. Soll Deutschland Waffen liefern und sich gegebenenfalls der Gefahr aussetzen, selbst in die Auseinandersetzung hineingezogen zu werden? Machen Russland und sein Präsident Wladimir Putin immer so weiter, wenn Deutschland keine Waffen liefert? Diese und andere Fragen werden diskutiert, die Debatten und nicht zuletzt die Umfragen belegen, dass es zwei Lager gibt: Die einen wollen diesem Krieg mit Waffengewalt begegnen, die anderen wünschen sich Friedensgespräche am Verhandlungstisch. Wobei beides ja kein Widerspruch sein muss, die Übergänge fließend sind, sich Meinungen ändern, was auch die nachlassende Zahl von Demonstrantinnen und Demonstranten erklärt. Wofür genau soll man denn gerade auf die Straße gehen?
Pistorius sieht neue Bedrohungslage
Die Bundesregierung hat die Sache für sich entschieden, Verteidigungsminister Boris Pistorius brachte es jüngst noch mal so auf den Punkt: "Wir haben wieder eine militärische Bedrohungslage, wie wir sie seit drei Jahrzehnten nicht hatten", erklärte der SPD-Politiker. Für die Ampel lautet die Schlussfolgerung: Aufrüstung, egal, was es kostet. Aber will man wirklich wieder zu den (Angst-)Zuständen zurück, die zu Zeiten des Kalten Kriegs herrschten?
Es gibt auch die andere Meinung, wie sie sich zum Beispiel im "Manifest für den Frieden" der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer ausdrückt. Beide warnen vor einer Eskalation im Ukraine-Krieg und rufen zu einer großen Demo auf. Man mag sich über die beiden Frauen ärgern, aber der Auftritt von Außenministerin Annalena Baerbock in Aachen, wo die Grünen-Politikerin den "Orden wider den tierischen Ernst" verliehen bekam, beispielsweise war ebenfalls fragwürdig. Sie wäre gerne im Leoparden-Kostüm gekommen, erklärte Baerbock in Anspielung auf die geplanten Panzerlieferungen. Witze über einen Krieg sind genauso daneben wie die Art des Vortrags von Wagenknecht und Schwarzer.
Nicht nur Habermas will Gespräche
Der Friedensappell von Jürgen Habermas schlug ebenfalls Wellen. Die einen stimmten dem Philosophen zu, andere waren gegen seinen Vorschlag, dass man mit Putin reden sollte. Dabei gibt es durchaus andere namhafte Persönlichkeiten, die für Gespräche eintreten. Der französische Präsident Emmanuel Macron etwa sagte der französischen Zeitung Le Figaro: "Ich bin überzeugt, dass der Konflikt nicht militärisch beendet wird." Auf der Münchner Sicherheitskonferenz gab es nicht nur die Zusage für weitere Waffenlieferungen, sondern auch die dringende Bitte an Präsident Wolodymyr Selenskyj, die Möglichkeit von Verhandlungen nicht aus dem Auge zu verlieren. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Ängste der Deutschen, Kriegspartei zu werden, mehrfach thematisiert. Pistorius wünscht sich öffentlich, er könne die Milliarden Euro für die geplanten Waffenkäufe anders ausgeben.
Die Wahrheit ist doch, dass niemand die richtige Antwort auf diesen Krieg weiß. Am Ende wird die Geschichte entscheiden. Bis dahin gilt es, unterschiedliche Meinungen zuzulassen, darüber zu diskutieren und sie nicht vom Fleck weg zu verteufeln. Das gebietet allein schon der Respekt vor der Meinungsfreiheit im Land. Alles andere würde Zustände wie in Russland bedeuten.