Das Internet hat die Demokratie verändert: War es früher schwierig, sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen oder politische Initiativen zu gründen, gelingt dies heute fast mühelos. Mussten einst Parteien oder Bürgerinitiativen Briefe drucken, in Kuverts packen und teuer frankieren, reichen heute ein paar Mausklicks, um Zigtausende zu erreichen. Neugründungen wie die AfD und zuvor die Piratenpartei oder Emmanuel Macrons En Marche, wären vor Jahrzehnten kaum mit so schnellem Erfolg möglich gewesen. Die „politische Lufthoheit über den Stammtischen“ wird heute längst in den sozialen Netzwerken ausgefochten.
Die Macht der digitalen Vernetzung ist urgewaltig
Die Macht der digitalen Vernetzung ist urgewaltig: Sie bildete den organisatorischen Hintergrund der Massenrevolte junger Menschen, die im Arabischen Frühling in Nordafrika jahrzehntelang gefestigte Diktatoren wegspülte. Damals wurden Mark Zuckerberg und Facebook noch ernsthaft für den Friedensnobelpreis gehandelt.
Die neuen mächtigen Werkzeuge machen aber nicht nur die Auflehnung gegen Diktaturen leicht, sondern auch gegen bisherige Säulen der Demokratien. Der Aufstieg der populistischen Bewegungen wäre kaum möglich gewesen ohne den gewaltigen Treibstoff, den sie aus der Massenvernetzung saugen. Und auch ihnen helfen alle digitalen Errungenschaften – vom Smartphone bis hin zu Algorithmen, die menschliches Verhalten vorhersehbar und manipulierbar machen.
Die Behauptung, das Internet wäre „schuld“ an den Krisen unserer Zeit, bleibt dennoch Unsinn. Die Schattenseiten der Macht von Facebook & Co. sind vielschichtiger. Das größte Problem zeigte sich bei der US-Wahl: Die Demokratie hat leider keinen Virenscanner. Dem Einfall russischer Manipulationsversuche standen in den sozialen Netzwerken unkontrolliert alle Tore offen. Und in der von regellosem Wildwest-Pioniergeist beseelten Digitalwelt fiel es den in der Finanzwelt geschulten Big-Data-Experten von Cambridge Analytica leicht, 87 Millionen Facebook- Kunden auszuspähen. Sie gaben Donald Trumps Wahlkampf eine effiziente Schlagkraft, die ihn knapp zum US-Präsidenten machte.
Das Imperium der alten Welt schlägt zurück
Lange Zeit verfolgte die Politik das „Neuland Internet“ staunend und wohlwollend vom Rand des Geschehens. Das rasende Tempo der digitalen Revolution schien die langsamen Gesetzgeber längst abgehängt zu haben. Die Herrscher im Silicon Valley tönten, sie bestimmten die Regeln der neuen Welt.
Nun schlägt ausgerechnet die Alte Welt als Schutz-Imperium der Zivilgesellschaft zurück: Europa hat langsam, aber gründlich Spielregeln für die digitale Welt erarbeitet. Die neue EU-Datenschutzgrundverordnung gilt plötzlich im vom Facebook-Skandal erschütterten Amerika als Vorbild.
Es ist der Anfang des Comebacks des Datenschutzes: Die Daten müssen den Bürgern gehören und dürfen nicht dem Fortschrittsglauben und einem unregulierten Raubtierkapitalismus geopfert werden. Weder die Bürger noch die Politik dürfen die Schattenseiten der digitalen Revolution und deren Datensammelwut ausblenden. Ausgerechnet das viel gescholtene Brüssel weist dabei bürgernah den Weg: Datenschutz muss ein Menschenrecht des Digitalzeitalters werden.
Warum Facebook zerschlagen werden sollte
Angesichts der monopolhaften Größe der Internetkonzerne diskutieren Ökonomen bereits, ob man sie zerschlagen sollte, wie Anfang des 20. Jahrhunderts Rockefellers Standard Oil Company. Der Facebook-Konzern, der sich die Konkurrenten WhatsApp und Instagram einverleibt hatte, könnte der erste Digitalriese sein, bei dem sich diese Entflechtung aufdrängt. Vor allem, wenn sich Zuckerbergs Reich weiterhin vor Recht und Gesetz als unkontrollierbar erweist.
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