Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Kommentar: Solidaritätszuschlag: Was der "Soli" mit der Sektsteuer zu tun hat

Kommentar

Solidaritätszuschlag: Was der "Soli" mit der Sektsteuer zu tun hat

    • |
    Solidaritätszuschlag: 15 Milliarden Euro spielt der „Soli“ inzwischen jedes Jahr ein.
    Solidaritätszuschlag: 15 Milliarden Euro spielt der „Soli“ inzwischen jedes Jahr ein. Foto: Jens Wolf, dpa (Archiv)

    Die Not ist groß und der Kaiser knapp bei Kasse. Um seine teure Kriegsflotte zu finanzieren und den heutigen Nord-Ostsee-Kanal zu bauen, braucht Wilhelm II. dringend Geld – und ordnet daher die Einführung einer neuen Steuer an. Bei einer derart starken Steigerung der Ausgaben für die Wehrkraft, heißt es kurz darauf in einem Beschluss des Reichstages, müsse auch „der Schaumwein herangezogen werden“.

    Mehr als 100 Jahre später ist Deutschland ein friedliches, wohlhabendes Land – die Sektsteuer aber, die 1902 für einen klar umrissenen Zweck eingeführt wurde, gibt es noch immer. Ihre Rolle als Paradebeispiel für ein Provisorium, das mit der Zeit zur Dauerlösung wird, macht ihr inzwischen jedoch der Solidaritätszuschlag streitig, bei dem auch mehr als 25 Jahre nach dem Fall der Mauer kein Ende in Sicht ist. Im Gegenteil: Wenn überhaupt, dann sinkt der unpopuläre „Soli“ in der nächsten oder übernächsten Wahlperiode in Trippelschritten. Im ungünstigsten Fall wird er zwar Ende 2019 abgeschafft, im Gegenzug dafür aber nach dem Prinzip „linke Tasche, rechte Tasche“ die Einkommensteuer erhöht. An Helmut Kohls Versprechen, mit Ablauf des Jahres 1999 sei mit dem Zuschlag „endgültig“ Schluss, erinnert sich auch einer der Architekten der Einheit nicht mehr, der heutige Finanzminister Wolfgang Schäuble.

    "Soli": Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander

    Wie weit Anspruch und Wirklichkeit im Streit um den „Soli“ auseinanderklaffen, zeigen zwei schlichte Zahlen: Durch den sogenannten Solidarpakt II erhalten die neuen Länder in den Jahren 2005 bis 2019 noch einmal 156 Milliarden Euro für den Aufbau Ost. Im gleichen Zeitraum jedoch nimmt der Bund, vorsichtig geschätzt, an die 200 Milliarden aus dem Solidaritätszuschlag ein. Wann, wenn nicht jetzt, wäre es also an der Zeit, den Steuerzahlern einen Teil ihres Geldes zurückzugeben? Niemand erwartet, dass der „Soli“ von einem Tag auf den anderen abgeschafft wird. Den Einstieg in den Ausstieg aber sollte eine Koalition mit der gegenwärtigen Mehrheit eigentlich schon hinbekommen.

    Tatsächlich gibt es im Moment nur eine Partei, die so denkt – und die ist im Herbst 2013 auch deshalb aus dem Bundestag geflogen, weil sie ihren Wählern niedrigere Steuern versprochen hatte, dieses Versprechen anschließend aber nicht einlösen konnte. Union und SPD dagegen haben im Gegensatz zur FDP gar kein Interesse daran, den gefräßigen Steuerstaat auf Diät zu setzen. Sie brauchen ein möglichst hohes Steueraufkommen, um Wahlversprechen wie die Mütterrente oder die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren finanzieren zu können. Für Schäuble ist der Solidaritätszuschlag deshalb schon lange kein Ausdruck der Solidarität mit den neuen Ländern mehr, sondern nur noch eines: Mittel zum Zweck. Der ausgeglichene Haushalt, auf den er so stolz ist, ist auch mit den Milliarden aus dem „Soli“ erkauft.

    Mit jedem Jahr wird es schwerer, den "Soli" abzuschaffen

    So geht es dem Zuschlag, der nach Kohls Willen nur zehn Jahre lang erhoben werden sollte, wie der Sektsteuer des klammen Kaisers: Mit jedem Jahr wird es schwerer, ihn abzuschaffen, zumal auch einige West-Länder begehrliche Blicke auf die 15 Milliarden Euro geworfen haben, die der „Soli“ inzwischen jedes Jahr einspielt. Mit dem Argument, im Ruhrgebiet oder im Saarland sei der Investitionsstau ähnlich groß wie in der zusammengebrochenen DDR, arbeiten sie auf eine Umverteilung der Mittel hin – und wurden von Schäuble bis vor kurzem noch darin bestärkt. Selbst der bayerische Finanzminister Markus Söder, der es sich leisten könnte, will auf den „Soli“ nicht verzichten, sondern ihn allenfalls umbenennen – in Infrastrukturabgabe. So wie aus der Schaumweinsteuer einst die Sektsteuer wurde.

    Nach zehn Jahren, versprach Kohl, ist wieder Schluss...

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden