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Kommentar: Jeder ist gefordert, die Gewalt nicht zum Mittel der Politik werden zu lassen

Kommentar

Jeder ist gefordert, die Gewalt nicht zum Mittel der Politik werden zu lassen

Margit Hufnagel
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    Polizisten nehmen einen Mann fest, nachdem der slowakische Ministerpräsident Fico nach einer Kabinettssitzung in der Stadt Handlova angeschossen und verletzt worden war. Foto:
    Polizisten nehmen einen Mann fest, nachdem der slowakische Ministerpräsident Fico nach einer Kabinettssitzung in der Stadt Handlova angeschossen und verletzt worden war. Foto: Foto: Radovan Stoklasa, TASR/AP/dpa

    Robert Fico lag noch auf dem Operationstisch, da nahm die politische Schlacht schon ihren Lauf. Egal, ob Opposition oder Regierungspartei, Anlass zum Innehalten sah kaum jemand in der slowakischen Politik. Mit scharfen Worten wurde die Schuldfrage für das Attentat auf den Regierungschef innerhalb von Sekunden geklärt. Überall erkannten die Parteienvertreter die Verantwortung – nur nicht bei sich selbst. Der Übeltäter, es ist wie immer der andere. Man mag das als menschlichen Reflex entschuldigen, doch wahrscheinlicher ist, dass es ein Symptom unserer Zeit ist: Die zunehmende Polarisierung fordert ihren Preis. Anders gesagt: Der eigentliche Patient sind die Gesellschaften selbst. Fico konnte von den Ärzten gerettet werden, gegen die wachsende Wut hingegen hat noch niemand ein wirksames Mittel gefunden. 

    Wahlkampf in Deutschland unter hohem Risiko?

    Die Slowakei ist seit Jahren ein Land, in dem die Stimmung aufgeheizt ist. Liberale Kräfte wetteifern mit Nationalisten um die Deutungshoheit. Vor wenigen Jahren erschütterten Morde an Journalisten die Öffentlichkeit. Die Saat für den Hass wurde von vielen, die heute an den Schaltstellen der Macht sitzen, selbst gelegt. Aufgegangen ist sie im Rekordtempo. Leider ist auch in vielen anderen Staaten zu befürchten, dass das drückende Klima ein echter Wachstumstreiber für Wut und Aggression ist. 

    In Deutschland müssen sich Wahlkämpfer fragen, ob sie ein zu hohes Risiko eingehen, wenn sie Plakate kleben oder in der Innenstadt für ihre Ideen werben wollen. Minister werden von einer aufgebrachten Menge daran gehindert, öffentlich Auftritte zu absolvieren. In den USA, einer der stolzesten Demokratien der Welt, ist zu befürchten, dass die Präsidentschaftswahl im Herbst zu derartigen Verwerfungen führt, dass – egal, wer gewinnt – keine Seite das Ergebnis respektieren wird. Die Szenen vom Sturm auf das Kapitol könnten damit ihre Fortsetzung finden. 

    Verächtlichmachung als Mittel des politischen Umgangs

    Geert Wilders in den Niederlanden, Viktor Orbán in Ungarn, die PiS-Partei in Polen, rechte wie linke Gruppierungen, selbst jene aus der Mitte der Gesellschaft sind der Versuchung erlegen, nicht mehr nur mit Argumenten zu arbeiten, sondern die Verächtlichmachung und Diskreditierung des anderen als Mittel der Politik zu normalisieren. Das Radikale wird alltäglich. Viele spüren, dass etwas in Bewegung geraten ist. Dass Diskussionen unversöhnlicher geworden sind. Die Sehnsucht nach vermeintlich einfachen Antworten, die leider nur die Populisten liefern können, ist groß. Für die Komplexität von Kompromissen oder schwierige Entscheidungsfindungen fehlt vielen inzwischen die Geduld. Hinzu kommen die Versuche von Autokratien wie Russland, bewusst Stimmungen zu schüren. Schon immer erschienen Menschen wie Wladimir Putin Demokratien mit ihrer Debattenkultur als schwächlich und unterlegen. 

    Auch deshalb kann die Lehre aus Vorfällen wie dem in der Slowakei kaum sein, auf leidenschaftliche Diskussionen, in denen es auch einmal hart zur Sache gehen darf, zu verzichten. Doch was man von Demokraten – egal, ob im Ausland oder in Deutschland – erwarten darf, ist ein Gespür dafür, wo die Grenze verläuft. Sie müssen erkennen, dass es eine direkte Verbindung gibt zwischen ihren Worten und den Taten, die andere verüben. Und ein Attentat auf einen Scharfmacher wie Fico oder einen AfD-Politiker ist nicht weniger schlimm als eines auf politisch gefälligere Zeitgenossen. Wer den Gegner zum Feind und damit zur Zielscheibe macht, kann sich seine zur Schau getragene Empörung sparen, wenn der andere tatsächlich angegriffen wird.

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