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Kommentar: Entfremdung von Union und FDP: Es bebt im bürgerlichen Lager

Kommentar

Entfremdung von Union und FDP: Es bebt im bürgerlichen Lager

Rudi Wais
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    Auf Distanz: CDU-Chef Friedrich Merz und FDP-Chef Christian Lindner
    Auf Distanz: CDU-Chef Friedrich Merz und FDP-Chef Christian Lindner Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Politik verändert – nicht nur das Land, sondern auch die Parteien, die es regieren. Für die Union, zum Beispiel, waren die Liberalen lange Zeit der perfekte Koalitionspartner: In weltanschaulichen Fragen moderner, aber im Kern loyal, sich ihrer Rolle als kleinerer Partner bewusst, aber in der Wirtschafts- und Steuerpolitik mit einem klaren ordnungspolitischen Kompass. Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher waren die Protagonisten einer in Teilen schon symbiotischen Politik. Friedrich Merz und Christian Lindner sind nun die Protagonisten einer in Teilen schon grotesken Entfremdung.

    Seit die FDP in der Ampel mitregiert und die Union in der Opposition sitzt, ist das Verhältnis zwischen den einstigen Wunschpartnern spürbar abgekühlt und das Trennende stärker geworden als das Verbindende. Vor allem die FDP hat sich verändert: Einen Mann wie den früheren Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, der bundesweit als Mister Mittelstand bekannt war, sucht man in der Partei heute vergebens. Dafür drängt eine Generation nach, in deren Weltbild die Gemeinsamkeiten mit den Grünen größer sind als die mit der Union - man denke nur an die beschleunigte Einbürgerung von Ausländern, die Legalisierung von Cannabis oder die so genannte Verantwortungsgemeinschaft, die im Extremfall auch einer Wohngemeinschaft eheähnliche Rechte einräumt. Erschwerend hinzu kommt das neue, von der FDP mit Verve verteidigte Wahlrecht, das in seiner ursprünglichen Form vor allem der CSU geschadet hätte.

    Schwarz-Gelb rechnet sich nicht mehr

    Die Situation ist paradox. Einerseits empfinden Grüne und Sozialdemokraten die FDP in der Ampel als notorischen Störenfried, mit dem sie allein der Machterhalt verbindet - gleichzeitig aber wird auch die Schnittmenge zwischen Konservativen und Liberalen kleiner. Angesichts der tristen Umfragewerte für die FDP führt im Moment zwar ohnehin kein Weg zu einem schwarz-gelben Regierungsbündnis. Abgesehen von der Notwendigkeit, die Staatsfinanzen halbwegs in Ordnung zu halten und der Wirtschaft den nötigen Freiraum zu lassen, fände sich im Falle eines Falles aber auch nur wenig Gemeinsames dafür.

    Natürlich ist Politik nichts Statisches und die Zeit heute eine andere. Die bunter gewordene Lindner-FDP jedoch erinnert kaum noch an die alte, etwas biedere Genscher-FDP, die von ihren Gegnern gerne als Partei der Besserverdiener geschmäht wurde, die Deutschland aber ein halbes Menschenleben lang erfolgreich mitregiert hat. Schwierig wurde es erst, als Angela Merkel begann, die CDU in eine bessere SPD zu verwandeln und den Liberalen an ihrer Seite kaum Luft zum Atmen zu lassen. Vieles von damals wirkt in der FDP noch nach – zum Beispiel das Gefühl, nur wegen der Merkel–CDU 2013 aus dem Bundestag geflogen zu sein, oder der Verdacht, dass die Union auch unter dem strammen Konservativen Merz insgeheim längst auf ein Bündnis mit den Grünen zusteuert. Umgekehrt nimmt Merz es der FDP übel, dass sie im Europäischen Parlament gerade gegen die CDU-Frau Ursula von der Leyen gestimmt hat und die Kommissionschefin sich ihre Mehrheit mithilfe der europäischen Grünen sichern musste.

    Ein Teil der Erregung ist sicher dem Frust geschuldet– dem Oppositionsfrust in der Union und dem Ampelfrust in der FDP. Die Verbitterung aber sitzt hier wie dort tiefer. Sie ist auch Ausdruck einer späten und schmerzhaften Erkenntnis: Das bürgerliche Lager in Deutschland ist im Moment nicht in der Lage, einer bürgerlichen Mehrheit zur Macht zu verhelfen.

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    2 Kommentare
    Wolfgang Leonhard

    In welcher Welt lebt Rudi Wais eigentlich? Die FDP versucht sich gerade als Anti-Grünen-Partei zu inszenieren und er stellt eine inhaltliche Nähe zwischen Grünen und FDP fest. Das Problem, das auch die Union mit der FDP hat, ist, dass diese mittlerweile politik- und koalitionsunfähig geworden ist, wie die sonderbaren aktuellen Vorschläge zur Verkehrspolitik (wie die Park-Flatrate in Innenstädten) beweisen. Die FDP kämpft ums Überleben und ihr ist kein Vorschlag dämlich genug, um bei ihrer Klientel Aufmerksamkeit zu erregen.

    Wolfgang Schwank

    Da heult jemand der "guten alten Zeit" nach. Vergisst dabei glatt, dass es bei den Liberalen auch immer den einen oder anderen mit aufrechten Gang gab und gibt. Vergisst auch, dass eine aussenpolitisch äusserst erfolgreiche Zeit die der Sozialliberalen Koalition war. Der Kommentator will schlicht und einfach eine konservative, von Oben nach Unten durchregierte Gesellschaft.

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