Nichts ist gerade einfacher, als den Zustand der Bundesregierung zu beklagen. Viele Menschen im Land fühlen sich wie Passagiere eines Schiffs, aus dessen Kommandobrücke der laute Streit der Offiziere dringt – während ausgerechnet vom Kapitän wenig zu hören ist. Doch mögen SPD, Grüne und FDP am Ruder auch leidenschaftlich raufen, am Ende raufen sie sich zusammen. Und so navigiert die Mannschaft im Großen und Ganzen erstaunlich sicher durch ein Meer vielfältiger Krisen.
So zeichnet sich etwa nach dem Streit um die orthodoxen Heizungstausch-Pläne des grünen Klima-Ministers Robert Habeck ein anständiger Kompromiss ab. Dem können mehr Menschen zustimmen, was den Klimaschutz auf längere Sicht weiter voranbringt als Verbote, die für Widerwillen sorgen. Die Reiseroute Koalitionsvertrag ist durch den russischen Angriff auf die Ukraine zweitrangig geworden, seither heißt es "Fahren auf Sicht". Jeder Partner musste ideologischen Ballast über Bord werfen. Olaf Scholz, der Kanzler von der SPD mit ihrer engen Bindung zu Russland, verkündete die Zeitenwende bei der Bundeswehr. Dafür holte er mit Boris Pistorius einen hemdsärmeligen Macher ins Verteidigungsministerium.
Die FDP und Grünen haben ihre Überzeugungen hinten anstellen müssen
FDP-Finanzminister Christian Lindner, der neue Schulden ablehnt, gab 100 Milliarden Euro frei, pappte aber das Schildchen Sondervermögen drauf. Bei der Unterstützung der Ukraine mit Waffen machten auch die Grünen Dampf, zu deren Erbgut der Pazifismus gehört. Weil gegen urgrüne Überzeugungen Gas-Terminals gebaut, die Kohlekraft hochgefahren und Atommeiler länger betrieben wurden, musste niemand im Winter frieren. Ein höherer Mindestlohn, mehr Kindergeld sowie die Reform von Wohn- und Arbeitslosengeld haben Millionen Haushalte entlastet.
Bei der Unterbringung von mehr als einer Million ukrainischer Flüchtlinge wird Großes geleistet. Gleichzeitig bekennt sich die Ampel zur Fachkräftezuwanderung, will die Zahl der Migranten ohne Chance auf Asyl aber begrenzen. SPD-Innenministerin Nancy Faeser hat mitgewirkt, dass es in der europäischen Asylpolitik erstmals Bewegung hin zu mehr Steuerung gibt. Und die grüne Außenministerin Annalena Baerbock unterschreibt. Beim grünen Länderrat musste sie gerade viel Kritik einstecken – doch die Meuterei blieb aus.
Die CDU hat viele der aktuellen Probleme mitzuverantworten
In unsicheren Zeiten blüht der Wunsch nach einfachen Antworten. Abschotten gegen Fremde, auf Russland statt Europa setzen und den Klimaschutz bleiben lassen – das verspricht die AfD. Eine echte Alternative ist das nicht. Ihr Erfolg in den Umfragen zeigt, wie groß die Angst vor den nötigen, aber teils schmerzhaften Reformen ist, über die die Ampel ja selbst so heftig streitet.
Es passt ins Bild, dass die CDU vom Koalitionskrach kaum profitiert. Viele Probleme hat sie mitzuverantworten. Darum glauben nur wenige, dass sie alles besser machen würde. Zumal ihr Chef Friedrich Merz unentschlossen wirkt, ob er die Partei nun wieder konservativer machen will, oder eher in der Mitte sieht.
Die Herausforderungen bleiben gewaltig für die Ampel-Partner, sie scheinen aber verstanden zu haben, dass es besser ist, das politisch Machbare zu akzeptieren, statt zu versuchen, den eigenen Willen mit der Brechstange durchzusetzen. Weil sonst die Zustimmung in der Bevölkerung und damit die Gestaltungsmacht schnell dahinschmilzt. Gestritten werden wird weiter, besonders heftig um den Haushalt. Schön anzusehen ist dieses Regieren nicht. Doch entscheidend ist, was dabei rauskommt.