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Kommentar: Der Gipfel der Großzügigkeit: Zwei Euro mehr Kindergeld

Kommentar

Der Gipfel der Großzügigkeit: Zwei Euro mehr Kindergeld

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    Magere zwei Euro mehr Kindergeld im Monat - könnte mehr sein...
    Magere zwei Euro mehr Kindergeld im Monat - könnte mehr sein... Foto: Tim Brakemeier (dpa)

    Eigentlich sind sechs Milliarden Euro gar nicht so viel Geld. Gemessen an den 1,4 Billionen Euro, die Bund, Länder und Gemeinden in den nächsten beiden Jahren an Steuern einnehmen werden, sind sechs Milliarden sogar ziemlich wenig Geld – es sei denn, man heißt Wolfgang Schäuble, ist im Hauptberuf Finanzminister und so etwas wie die graue Eminenz im Kabinett. Dann sind Steuerentlastungen von sechs Milliarden Euro schon der Gipfel der Großzügigkeit.

    Union und SPD haben nur das Nötigste getan

    Magere zwei Euro mehr Kindergeld im Monat, dazu vielleicht acht oder zehn Euro mehr netto auf dem Lohnzettel: Anstatt Millionen von Beschäftigten in Form von niedrigeren Steuern eine Dividende für den Aufschwung zu zahlen, den sie mit erwirtschaftet haben, vertröstet die Koalition sie auf die nächste Wahlperiode, wieder einmal. Die gut sechs Milliarden Euro, die das Kabinett jetzt an Entlastung beschlossen und dann auch noch über zwei Jahre gestreckt hat, verkauft Schäuble zwar als politische Großtat, die dem Konjunkturmotor neuen Treibstoff gibt. Tatsächlich aber müssen die Freibeträge steigen, weil auch die Preise gestiegen sind – so steht es im Gesetz. Im Klartext: Union und SPD haben nur das Nötigste getan. Mehr nicht.

    Das kann man taktisch klug nennen, weil die C-Parteien ihr Pulver trocken halten und mit einer großen Steuerreform im Programm in den Bundestagswahlkampf ziehen wollen. Gleichzeitig aber birgt diese Strategie der kleinen Schritte die Gefahr, dass vor allem frustrierte Unionswähler irgendwann zu vergleichen beginnen: Ist das noch gerecht, wenn der Staat seine Bürger nur in homöopathischen Dosen entlastet, gleichzeitig aber jedes Jahr zweistellige Milliardenbeträge in die Aufnahme, die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen steckt? Dieses Gefühl des Nicht-mehr-wahrgenommen-Werdens, des Sich-vernachlässigt-Fühlens ist genau der Boden, auf dem der Verdruss gedeiht – und mit ihm die AfD. Auch ihr spielt Schäuble mit seiner Salamitaktik in die Karten.

    Natürlich ist das Geld für eine große Reform da – man muss sie nur wollen. Bis zum Jahr 2020 erwarten die amtlichen Steuerschätzer zusätzliche Einnahmen von weit über 100 Milliarden Euro. Ein Abbau des Solidaritätszuschlages sollte da ebenso selbstverständlich sein wie eine Tarifreform, die vor allem die Mittelschicht entlastet – ist es aber nicht. Schäuble mauert, die Kanzlerin lässt ihn machen, und der SPD passt die ganze Richtung nicht. Sie redet zwar ebenfalls von niedrigeren Steuern, will diese aber zumindest teilweise über einen höheren Spitzensteuersatz wieder gegenfinanzieren. Den, das nur nebenbei, zahlt ein Single in Deutschland heute bereits bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von knapp 53000 Euro.

    Unordnung im Steuerstaat Deutschland

    So ist mit den Jahren einiges in Unordnung geraten im Steuerstaat Deutschland. Im aktuellen Fall kommt noch erschwerend hinzu, dass ein Teil der winzigen Entlastung an anderer Stelle schon wieder aufgefressen wird: Die Zusatzbeiträge der gesetzlichen Krankenkassen steigen auf breiter Front, außerdem führt zumindest der besser verdienende Teil der Versicherten wegen der höheren Bemessungsgrenzen im nächsten Jahr auch etwas mehr an die Renten- und die Arbeitslosenversicherung ab. Das konterkariert nicht nur das Prinzip, nach dem Leistung sich lohnen soll – wer so kleinteilig denkt und handelt, verliert irgendwann auch das große Ganze aus den Augen.

    Deutschland ist eine der stärksten Volkswirtschaften der Erde – wir schwimmen, salopp gesagt, im Geld. Warum da nicht beides möglich sein soll, ein ausgeglichener Haushalt und eine spürbare, die Konjunktur neu beflügelnde Steuerentlastung, kann Schäuble bald nur noch einem erklären – sich selbst.

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