Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Kommentar: Das Öl-Embargo – eine Sanktion mit Tücken

Kommentar

Das Öl-Embargo – eine Sanktion mit Tücken

Rudi Wais
    • |
    Leitungen und Tanks im Grosstanklager Ölhafen Rostock.
    Leitungen und Tanks im Grosstanklager Ölhafen Rostock. Foto: Bernd Wüstneck, dpa

    Europa hat sein Gesicht gewahrt, viel mehr aber auch nicht. Wie die fünf Anläufe zuvor führt auch das neue Sanktionspaket, das die EU jetzt geschnürt hat, den Ländern des Westens die Begrenztheit des eigenen Handelns vor Augen. Das Öl-Embargo etwa sieht nicht nur Ausnahmen für besonders abhängige Länder wie Ungarn und die Slowakei vor, sondern hat auch sonst seine Tücken. Weil die Energiepreise so stark gestiegen sind, verdient Russland mit deutlich weniger Exporten möglicherweise sogar noch deutlich mehr Geld als bisher. Wirken wird ein Embargo, wenn überhaupt, daher nur auf lange Sicht. Das aber hieße im Umkehrschluss auch, dass dieser Krieg noch lange dauern wird.

    Natürlich kann die Europäische Union nicht tatenlos zusehen, wie Wladimir Putin nach der Ukraine greift. Mit dem sechsten Sanktionspaket aber wird es ihr nicht anders ergehen als mit den Paketen davor: Sie treffen Russland, aber sie beeindrucken Putin nicht. Im Gegenteil: Nüchtern betrachtet hat der russische Präsident trotz aller Strafmaßnahmen zwei seiner strategischen Ziele bereits erreicht: Er destabilisiert die Ökonomien des Westens ähnlich stark wie dessen Sanktionen die Wirtschaft in Russland – gleichzeitig aber ist Putins Kriegskasse dank der hohen Preise für Öl und Gas gut gefüllt. Politisch hatte die EU zwar kaum noch eine Alternative zu dem jetzt verabredeten Embargo, die Gefahr jedoch, dass es dem friedliebenden Westen mehr schadet als dem Aggressor Russland, ist groß.

    Öl und Gas: China und Indien stehen als Ersatz parat

    Aus diesem Dilemma führt im Moment kein Weg, so bitter das auch sein mag. Weil ein freiwilliger Verzicht auf russisches Gas nicht nur die deutsche Volkswirtschaft ruinieren würde, kann EU-Europa lediglich mit angezogener Handbremse sanktionieren. Hier ein paar neue Einschränkungen für russische Banken, dort ein Sendeverbot für russische TV-Stationen – alles gut begründbar, alles irgendwie naheliegend, alles aber auch von begrenzter Wirkmacht.

    Zu glauben, die Sanktionen könnten den Krieg beenden oder zumindest einen Waffenstillstand erzwingen, wäre naiv. So lange Länder wie die Bundesrepublik von Öl und Gas aus Russland abhängig sind, kann der Westen Putin den Geldhahn nicht zudrehen. Und täte er es doch, stünden China und Indien parat, deren Energiehunger groß ist und die auch keine Skrupel haben, mit dem Kreml Geschäfte zu machen.

    Jede direkte Unterstützung der Ukraine bewirkt am Ende vermutlich mehr als jeder Versuch, Russlands Ökonomie zu treffen. Wie das Versprechen von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Kollateralschäden für Europas Wirtschaft durch das Öl-Embargo gering zu halten, fußen ja auch die Sanktionen gegen die russischen Banken auf dem Prinzip Hoffnung. Zwar hat die EU das Land im internationalen Zahlungsverkehr weitgehend isoliert, der für Putin entscheidende Kanal aber ist noch offen, nämlich die Konten der Gazprom-Bank, über die Deutschland und andere Länder ihr Öl und Gas bezahlen. Ob sie das weiter in Dollar und in Euro tun oder irgendwann nur noch in Rubeln, spielt dabei schon fast keine Rolle mehr. Für Putin zählt nur eines: dass das Geld verlässlich fließt.

    Putin hat die schärfste Sanktionswaffe in seinem Arsenal

    Trotzdem wird es irgendwann auch ein siebtes und vielleicht auch noch ein achtes Sanktionspaket geben – schon um Putin zu zeigen, dass der Westen ihn nicht einfach gewähren lässt. Neben den Waffenlieferungen sind ökonomische Vergeltungsschläge eines der wenigen Instrumente, die die EU überhaupt hat. So erfolgreich, wie es nach außen scheinen soll, sind sie allerdings nicht. Die schärfste Waffe im Sanktionskrieg hat Putin in seinem Arsenal: Er sitzt am Gashahn und kann ihn jederzeit zudrehen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden