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Kommentar: Besondere Wahlen in Zeiten des Krieges

Kommentar

Besondere Wahlen in Zeiten des Krieges

Stefan Lange
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    Nach den Wahlen im Saarland stehen heuer drei weitere Landtagswahlen in Deutschland an.
    Nach den Wahlen im Saarland stehen heuer drei weitere Landtagswahlen in Deutschland an. Foto: Uli Deck, dpa (Symbolbild)

    Es sei kein guter Tag für die kleinen Parteien gewesen, hieß es in den zahlreichen Analysen nach der Landtagswahl im Saarland häufig. Und: Der Ukraine-Krieg habe die Wählerinnen und Wähler aus einem Sicherheitsgefühl heraus eher zu den großen Parteien getrieben. Der Befund ist ebenso nachvollziehbar wie bemerkenswert.

    Der Jugoslawien-Krieg vor 30 Jahren rüttelte die Menschen bei weitem nicht so auf wie der aktuelle Konflikt. Einfluss auf die Wahlen, in diesem Fall die Bundestagswahl 2017, hatte hingegen die Fluchtbewegung in den Jahren 2015 und 2016. Viele Menschen in Deutschland fühlten sich in ihrer persönlichen und materiellen Sicherheit bedroht. Die AfD profitierte, Union und SPD mussten Federn lassen, blieben aber stärkste Parteien.

    Das Thema Sicherheit spielt bei Wahlen immer eine Rolle

    „Die Kernkompetenz von Volksparteien besteht darin, Konflikte von berechtigten, aber divergierenden Interessen auszutarieren, damit diese Interessenunterschiede zugunsten des Gemeinwohls ausgeglichen werden können“, schreibt der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte. Das gilt in Friedenszeiten und bei einem Krieg in der Nachbarschaft ganz besonders. Sicherheit im ländlichen Raum, Sicherheit in der U-Bahn, Schutz vor Terrorangriffen – die Sicherheit spielt gerade bei Wahlen immer wieder eine Rolle. Auch dann, wenn es der Staat mit dem Sicherheitsdenken übertreibt und sich die Wählerschaft Sorgen um den Datenschutz macht.

    Ein „Arrow 2“-Raketenabwehrsystem auf dem israelischen Luftwaffenstützpunkt Palmahim. Bundeskanzler Scholz plant Raketenschutzschild für Deutschland.
    Ein „Arrow 2“-Raketenabwehrsystem auf dem israelischen Luftwaffenstützpunkt Palmahim. Bundeskanzler Scholz plant Raketenschutzschild für Deutschland. Foto: Oliver Weiken, EPA/dpa

    Bei der Landtagswahl im Saarland haben einerseits Personen eine Rolle gespielt. Die Strahlkraft der SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger war viel größer als die des CDU-Bewerbers Tobias Hans. Mit regionalen Themen fielen beide nicht sonderlich auf, das gilt auch für die anderen Parteien (die wiederum so zerstritten waren, dass Personen bei ihnen gar keine Rolle spielten). Dem Krieg in der Ukraine und dem damit verbundenen Handeln der Ampel-Regierung in Berlin kam offenbar eine große, wenn nicht sogar die wahlentscheidende Rolle zu. Dass es FDP und Grüne womöglich nicht in den Landtag geschafft haben, spricht nicht gegen diese Annahme. Neben der SPD waren sie die beiden einzigen Parteien, die Stimmenzuwächse verzeichnen konnten.

    Landtagswahlen: Parteien dürfen Krieg in der Ukraine nicht instrumentalisieren

    Die konkrete Bedrohung der persönlichen und wirtschaftlichen Sicherheit durch den Ukraine-Krieg ist eine neue Rechengröße in den Wahlkampfstrategien der Parteien geworden. Drei Landtagswahlen stehen in diesem Jahr noch an, drei weitere im nächsten Jahr, 2024 ist Europawahl. Selbst wenn der Krieg bis dahin schon längst beendet sein sollte, wird er nachwirken. Das zeigt unter anderem der Blick in die USA. Der 11. September 2001 traf das Sicherheitsgefühl der US-Bevölkerung tief ins Mark, die selbstbewusste Nation nahm, unter anderem mit dem Patriot Act, massive, von der Politik verordnete Einschränkungen der Bürgerrechte hin. Sie gelten heute noch.

    Die Versuchung ist da, im Lichte der Saarland-Wahl aus dem Krieg politischen Profit zu schlagen. Das gilt für die Regierungsparteien, indem sie versuchen, ihr Krisenmanagement herauszustreichen. Und für die Oppositionsparteien, indem sie genau dieses Management kritisieren. Die Gefahr besteht und sie wird größer, je mehr die Folgen des Krieges in Deutschland spürbar werden. Der Anfang ist bereits gemacht: Die im Angesicht des Kriegsausbruchs von fast allen Bundesparteien beschworene gemeinsame Verantwortung ist aufgebrochen, wie sich unter anderem an der hitzigen Debatte über die Aufrüstung der Bundeswehr oder den Raketenschild zeigt.

    Im Saarland forderte Tobias Hans als Reaktion auf Putins Angriffskrieg in einem Wahlvideo eine Spritpreisbremse. Das alles jedoch darf nicht sein. Die Parteien stehen in der Verantwortung, den Ukraine-Krieg nicht für Wahlkampfzwecke zu instrumentalisieren.

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