Christian Lindner kann sich daran nicht erinnern. Er war erst zwei Jahre alt, als im Land Berlin das praktiziert wurde, was für den heutigen FDP-Vorsitzenden im Bund nun eine Option ist: eine tolerierte Minderheitsregierung. Im Juni 1981 ließ sich der CDU-Senat durch die Liberalen tragen, von trauten „Sofarunden“ der Fraktionsvorsitzenden Eberhard Diepgen (CDU) und Walter Rasch (FDP) ist die Rede und von einer stabilen Basis, die 645 Tage lang erhalten blieb. Lindners Gedankenspiel ist aktuell dieses: Er und seine FDP verlassen nach Abschluss der Haushaltsberatungen die Ampel. SPD und Grüne machen allein weiter und lassen sich von den Liberalen tolerieren.
Dieses Vorgehen hätte den Vorteil, dass es keinen abrupten Bruch in der deutschen Politik geben müsste. Fragile Demokratien gibt es in Europa gerade genug, da braucht es nicht auch noch in Deutschland chaotische Zustände. Stabilität an dieser Stelle wäre ein Wert an sich. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) beispielsweise zählt bereits nach drei Jahren Amtszeit zu den dienstälteren Vertreterinnen ihrer Zunft und steht im Ausland für eine gewisse Kontinuität, die sie in einer Minderheitsregierung fortschreiben könnte. Kanzler Olaf Scholz (SPD) wäre in der Lage, die Unterstützung der Ukraine zu sichern.
Koalitionsbruch in Berlin: Scholz bräuchte Friedrich Merz
Doch es gibt einen großen Haken an Lindners Überlegung. Damit die Minderheitsregierung tatsächlich bis zum regulären Termin für die Bundestagswahl am 28. September 2025 ihren Dienst versehen könnte, bräuchte es auch das Einverständnis der Union. Denn Scholz könnte ohne ihre Unterstützung politisch wohl kaum länger als drei Wochen überleben. Der ewige Streit zwischen den drei Ampel-Parteien wäre ja nicht automatisch beendet, nur weil die Liberalen aus der Regierung gehen. Im Gegenteil. Sie würden ihr Profil als Partei der „ökonomischen Vernunft“ herausstellen wollen und noch stärker auf Abgrenzung setzen als bisher. Scholz und Vizekanzler Robert Habeck von den Grünen wären also auf die informelle Tolerierung durch die Union angewiesen. Doch die will gar nicht.
„Deutschland braucht einen Politikwechsel und keine Minderheits-Ampel, die ihre Politik gegen die Mehrheit der Bevölkerung fortsetzt“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt unserer Redaktion. „Der Weg heraus aus dem Ampel-Chaos können nur Neuwahlen sein und kein Kanzler-Siechtum“, ergänzte der Chef der CSU-Abgeordneten im Bundestag. Die drei Koalitionspartner hätten geschworen, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. „Dazu gehört auch die Bereitschaft, eine gescheiterte Koalition aufzulösen. Wenn die Chaos-Ampel dazu nicht in der Lage ist, sollte der Bundespräsident den drei Ampelparteien in einem Gespräch die Möglichkeiten zur Trennung aufzeigen.“
Neuwahlen wären riskant
Neuwahlen wären eine zweite, für Lindner jedoch höchst riskante Option. Bei der letzten Bundestagswahl holten seine Liberalen 11,5 Prozent der Stimmen. Derzeit könnten sie wohl nicht einmal die Hälfte davon erreichen. Alle führenden Meinungsforschungsinstitute sehen die FDP einen oder sogar zwei Prozentpunkte unter der Fünf-Prozent-Hürde. Auf einen Mitleidseffekt kann der FDP-Vorsitzende kaum hoffen.
Am Dienstag versucht es Lindner noch einmal mit Inhalten und lädt zum sogenannten Wirtschaftsgipfel ein. Der findet statt, bevor Scholz wenig später im Kanzleramt Industrievertreter um sich herum versammelt. Die FDP-Veranstaltung sei als Ergänzung zu verstehen, erklärte Fraktionschef Christian Dürr im ZDF. Beobachter im politischen Berlin gehen eher vom Gegenteil, von einer bewussten Provokation aus. Hinter der wiederum weiteres Kalkül stecken könnte.
Wie könnte es bei einem Koalitionsbruch weitergehen?
Denn Lindner könnte bei der nächsten Bundestagswahl wohl nur dann auf eine größere Zustimmung hoffen, wenn er von der Öffentlichkeit nicht als Buhmann und Verantwortlicher für eine geplatzte Regierung abgestempelt wird. Das wiederum ließe sich dadurch erreichen, dass er nicht aus freien Stücken geht, sondern seinem Regierungschef so viele Knüppel zwischen die Beine wirft, bis der nur noch einen Ausweg nehmen kann: seinen Finanzminister hinauszuschmeißen.
Möglich wäre das, denn der Bundeskanzler bestimmt die Minister sowie deren Ressorts. Er macht dem Bundespräsidenten einen Vorschlag für die Ernennung oder Entlassung der Ministerinnen und Minister, dem üblicherweise gefolgt wird. Käme es zu diesem Affront, würde die FDP aus der Ampel ausscheiden.
Eine weitere Möglichkeit gibt es allerdings auch noch. Nämlich die, dass alles so bleibt, wie es ist.
Die FDP zeigt eine Sache ganz gut: Sie ist eine von irrigen Fantasien getragene Partei! Scheinbar kommt sie als Partei der "ökonomischen Vernunft" nicht al bei ihrer eigenen Wählerschaft mehr an. Was sagt es über eine Partei, dass sie nach jeder Regierungsbeteiligung krachend abgestraft wird? Bei der schwarz-gelben Koalition hieß es: "Merkel hat die Themen der FDP abgenommen." Bei dieser Regierung? Was ist da die Ausrede? Die FDP kann einfach keine Politik machen die beim Wähler ankommt. Die Fortschrittspartei die den Fortschritt verhindert wo es geht...
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden