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Klimastreik: Fridays for Future und Verdi: Zusammen wollen sie stärker sein

Klimastreik

Fridays for Future und Verdi: Zusammen wollen sie stärker sein

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    Fridays for Future und Verdi, hier ein Archivbild vom März letzten Jahres, gehen wieder gemeinsam auf die Straße.
    Fridays for Future und Verdi, hier ein Archivbild vom März letzten Jahres, gehen wieder gemeinsam auf die Straße. Foto: Manfred Dittenhofer

    „Wir fahren zusammen“ - unter diesem Motto rufen Fridays for Future und Verdi zum bundesweiten Streik am 1. März auf. Die Allianz nutzt beiden Seiten: Die Klimaaktivisten punkten mit sozialer Gerechtigkeit. Die Gewerkschaft holt sich junge Unterstützung im laufenden Tarifstreit. Eine Win-win-Situation also? Nicht ganz, denn die Partner stoßen ihre Klientel vor den Kopf.

    Den Streikaufruf publik machen die ungleichen Partner am Donnerstag in Berlin. Im Ostbezirk Friedrichshain, im Plattenbau treffen Mittzwanziger im Kapuzenpulli und Herren in Nadelstreifen zusammen und betonen: „Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen.“ Stattdessen kämpfe man unter dem Credo „Zusammen sind wir stärker“ für die „sozial-ökologische Verkehrswende“. Nächsten Freitag will die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi die Republik lahmlegen – diesmal beim öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Busse, Straßen- und U-Bahnen sollen vielerorts stillstehen. Den Warnstreik begleitet Fridays for Future bundesweit mit Demonstrationen. 

    Fridays for Future unterstützt Verdi

    Die ÖPNV-Mitarbeiter kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen. Auch Petra Roth macht mit. Sie fährt seit 15 Jahren Bus für die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und liebt ihren Job. Eigentlich. Denn Zeitdruck und Dauerstress setzen ihr zu. „Ich weiß nicht, wie lange ich noch durchhalte“, sagt sie. „Meine Kollegen und ich geben unser Bestes. Aber wir können nicht auffangen, was die Politik versäumt.“ Darum fordern die Mitarbeiter kürzere Arbeitszeiten ohne finanzielle Einbußen, längere Ruhezeiten zwischen den Schichten, mehr Urlaubstage oder mehr Urlaubsgeld. 

    Verdis Arbeitskampf wird unterstützt von Fridays for Future. Max Miriam Puppe gehört dazu, der FU-Student sitzt im Rollstuhl und ist auf den ÖPNV angewiesen. „Genauso wie Mütter mit Kinderwagen, Senioren mit Rollstuhl oder Sportler mit Fahrrad“, bemerkt er. Darum ärgern ihn „überfüllte Busse“ und „gestrichene Linien“. Der Schuldige ist ausgemacht: die Ampel-Regierung, vor allem die FDP, insbesondere Bundesverkehrsminister Volker Wissing. Er soll die ÖPNV-Kapazitäten bis 2030 verdoppeln und dafür 100 Milliarden Euro zusätzlich investieren. Doch Geld für Busse und Bahnen allein reiche nicht, warnen die Aktivisten, es brauche mehr Fahrer. Dafür müssten allerdings die Arbeitsbedingungen stimmen. „Wir wollen sauberes Klima, gute Arbeit und günstige Tickets“, konstatiert FFF-Sprecherin Darya Sotoodeh.

    FFF und Verdi laufen Gefahr, ihre Klientel zu verprellen

    Dass Verdi und FFF zusammen für den ÖPNV auf die Straße gehen, ist nicht neu. Die Kooperation begann 2019, der letzte gemeinsame Streik fand Anfang Februar statt. Das Zweckbündnis hat einen einfachen Grund: Für beide läuft es nicht gut. Die Gewerkschaft verhandelt zurzeit in fast allen Bundesländern die Flächentarifverträge für rund 90.000 Beschäftigte im kommunalen Nahverkehr – und hat nach der ersten Runde von den Arbeitgeberverbänden Abfuhren kassiert. Darum erhöht sie jetzt den Druck mit Warnstreiks. „FFF sorgt für öffentliche Aufmerksamkeit und gesellschaftliche Unterstützung“, freut sich Andreas Schackert, Bundesfachgruppenleiter Busse und Bahnen bei Verdi. 

    Die Klimabewegung FFF wiederum hat ein Gerechtigkeitsproblem. Erst pochte sie auf Generationengerechtigkeit zwischen Alt und Jung, dann auf globale Gerechtigkeit zwischen Nord und Süd. Vom Stigma des sozialen Privilegs konnte sie sich jedoch nie befreien. Vielerorts gilt Klimaschutz als Luxus für Reiche. Zwar betont FFF immer wieder, dass der ökologische Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft sozial abgefedert werden müsse. Doch konkrete Vorschläge fehlten bisher. Diese Lücke schließt FFF jetzt. Der Schulterschluss mit den ÖPNV-Mitarbeitern verspricht gute Arbeit und günstige Mobilität für die arbeitende Bevölkerung. 

    Also alles paletti? Nicht ganz. Denn ob hart arbeitende Supermarkt-Kassiererinnen und Flughafen-Kofferträger sich mit klimabewegten Schülern und Studenten identifizieren, ist fraglich. Ebenso, ob von Flugscham gepeinigte Ökos sich mit Lufthansa-Mitarbeitern solidarisieren. Verdi und FFF laufen Gefahr, ihre Klientel zu verprellen. „Es gab Widerstände“, räumen Sotoodeh und Schackert ein. „Aber wir haben viel gesprochen, viel zugehört, viel gelernt – und Vorbehalte ausgeräumt.“ Doch selbst wenn FFF die Kluft zwischen Reich und Arm schließt, bleibt die zweite Frontlinie zwischen Stadt und Land. Denn auf dem Dorf ist das Auto weiter unverzichtbar. Gesellschaftliche Unterstützung ist dem ungleichen Paar also nicht sicher, öffentliche Aufmerksamkeit aber schon.

    Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast mit Ingo Blechschmidt über Klimacamp, Letzte Generation und Augsburg an:

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