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Kanzlerkandidatur: Habeck wartet auf den glücklichsten Tag seiner Karriere

Kanzlerkandidatur

Habeck wartet auf den glücklichsten Tag seiner Karriere

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    Im Rampenlicht: Als Kanzlerkandidat muss Robert Habeck neue Wählergruppen für die Grünen gewinnen.
    Im Rampenlicht: Als Kanzlerkandidat muss Robert Habeck neue Wählergruppen für die Grünen gewinnen. Foto: Sebastian Christoph Gollnow, dpa (Archivbild)

    Einen Tag, bevor alles auf ihn zuläuft, wird Robert Habeck nach Urlaub gefragt. Der Minister ist auf Sommerreise, Bürgerdialog in der alten Hauptstadt. Bevor er auf die Frage antwortet, sagt der Vizekanzler in einem kleinen Theater, dass ihn sein Job erfüllt. „Es macht Spaß, das muss ich sagen. Ich hadere nicht damit, dass ich mache, was ich mache.“ Klar, sei er am Abend manchmal ganz schön platt. Aber schon bald werde er ein bisschen Luft zwischen sich und Berlin bringen. Das ist seine Umschreibung für Urlaub machen. Dass er dann wird abschalten können, ist seit Mittwochabend jedoch ein ganzes Stück weit unwahrscheinlicher geworden.

    Der Machtkampf bei den Grünen ist entschieden. Außenministerin Annalena Baerbock zieht zurück, Habeck hat freie Bahn. Er muss nur den Finger heben, um Kanzlerkandidat zu werden. Das hieße noch mehr Beobachtung, noch mehr Termine, noch mehr Stress. Wahlkampf ist wie eine andauernde Darmspiegelung, beschrieb einst ein enger Berater Barack Obamas die Tortur.

    Warten auf die Gremien

    Ob es daran liegt, dass Habecks erste öffentliche Reaktion defensiv ausfällt? „Alles Weitere werden wir in den Gremien beraten und die richtigen Entscheidungen rechtzeitig verkünden“, sagt der Wirtschaftsminister in Dortmund, hinter ihm ein stillgelegter Hochofen. Einst hatte das Ruhrgebiet einen kraftvollen Pulsschlag aus Stahl. Doch aus Habecks Mund kommt kein kraftvolles: „Ja, ich mach’s“. Er wirkt ein bisschen überrascht, seine Parteifreundin und Konkurrentin hatte ihn jedoch vorab informiert.

    Seinen Willen zur Macht hatte er schon einmal deutlich formuliert. „Nichts wollte ich mehr, als dieser Republik als Kanzler zu dienen“, hatte er 2021 kurz nach der Nominierung Baerbocks als Kanzlerkandidatin gesagt. Im Interview mit der Wochenzeitung Zeit gestand er, dass das „der schmerzhafteste Tag in meiner politischen Laufbahn“ gewesen sei.

    Am Donnerstag führt ihn seine Sommerreise nach Paderborn. Wieder so ein seltsamer Satz: „Alle weiteren Fragen für Wahlkämpfe werden wir dann organisieren über die Gremien und dann uns rechtzeitig melden.“ Immerhin folgt darauf so etwas wie ein Bekenntnis, dass er wirklich Kanzlerkandidat werden will. „Sie müssen sich keine Sorgen machen. Das haben wir gut im Griff“.

    Nachdem Baerbock und er vor drei Jahren selbst ausgeknobelt hatten, wer für die Grünen antritt, soll dieses Mal die Partei stärker eingebunden werden. Die heutige Chefdiplomatin setzte sich damals auch durch, weil sie ihr Frausein geltend machte. Der Partei ist Geschlechtergerechtigkeit ein wichtiges Anliegen. Um etwas für Parität zwischen Männern und Frauen zu tun, entscheiden sich die Grünen einst für Doppelspitzen, zum Beispiel Jürgen Trittin und Renate Künast.

    Baerbocks Ankündigung stößt auf wenig Gegenliebe

    Außenministerin Baerbock mag gedacht haben, sie hätte mit ihrer Ankündigung auf eine erneute Kanzlerkandidatur zu verzichten, einen Coup gelandet, auf CNN und nicht im schnöden deutschen TV, und dann noch mit Starmoderatorin Christiane Amanpour. Doch die Reaktionen in sozialen Medien und auch unter Parteifreunden gingen in eine ganz andere Richtung: Warum, um alles in der Welt, meint die Grüne Außenministerin eine Frage, die ihre Partei und bestenfalls die deutsche Politik betrifft, auf internationaler Ebene besprechen zu müssen? Normalerweise gilt bei Auslandsreisen von Politikern die eiserne Regel, dass man als Journalist Fragen zur nationalen Politik unterlassen sollte, soweit möglich. Und nun macht ausgerechnet die Außenministerin Grüne Innenpolitik am Rande des Nato-Gipfels, wo es nicht zuletzt auch um das Überleben der Ukraine geht? Bizarr.

    Am Donnerstag früh scheint Baerbock ihren Missgriff erkannt zu haben, sie lädt kurzfristig zu einem Pressestatement am Rande des Nato-Gipfels. Da spricht sie erst mäandernd über die Erfolgsbilanz der Allianz angesichts des 75. Geburtstags, doch schon die erste Frage holt sie auf das Terrain ihres Kanzlerkandidaten-Fauxpas. „Das Wichtigste was es in diesen stürmischen Zeiten braucht ist Sicherheit und Verlässlichkeit“; sagt sie. Da sie von vielen immer wieder gefragt wurde, wie wichtig die Außenpolitik für Deutschland noch sein könne, wenn es zum Wahlkampf komme, habe sie gesagt, „dass für die Außenministerin die Kooperation mit unseren engsten Partnern absolute Priorität hat“. Nun ja. Ob die Grünen angesichts magerer Umfragewerte überhaupt noch einen Kanzlerkandidaten bräuchten, lautet die nächste Frage. Da verweist Baerbock darauf, dass es noch 15 Monate bis zu den Wahlen seien, und Frankreich ja gezeigt habe, dass sich Einsatz lohne. Man werde alle weiteren Schritte in den Gremien der Grünen im Sinne des Teamplay klären, sagt sie. 

    Habeck sieht große Chancen

    Doch Kanzler kann nur einer werden. Habeck will dafür das klare Bekenntnis der Partei. Wobei das große Ziel angesichts der Umfragewerte so eine Sache ist. Die Grünen kommen aktuell auf Werte zwischen 11 und 13 Prozent. Das Wort „Kanzler“ wirkt da vermessen. Die Habeck begleitenden Journalisten lassen aber nicht locker und löchern ihn, welche Chance er sehe, wieder das Kanzlermindestniveau von 20 Prozent zu erreichen. „Große Chancen“, sagt der 54-Jährige und lächelt spitzbübisch.

    Seine Ausgangslage ist allerdings deutlich schwächer als die von Baerbock vor der zurückliegenden Bundestagswahl. Klimaschutz ist in Zeiten des Krieges den Menschen weniger wichtig als Sicherheit. Wahrscheinlich ist es deshalb nicht der glücklichste Tage in Habecks Karriere. Während aber Baerbock selbst auf dem Hoch der Grünen-Begeisterung nur die Kernklientel zu mobilisieren vermochte, hat er immerhin die Gabe, auch Wechselwähler für sich und seine Partei gewinnen zu können.

    Auftrieb verleihen könnte Habeck, dass die Wirtschaft nächstes Jahr stärker wachsen wird, wenn die Vorhersagen der Ökonomen richtig sind. Um die anderthalb Prozent würde es dann nach oben gehen. Kein Traumwert, aber immerhin ein spürbares Plus. Für den zuständigen Minister ist das beinahe eine Erfolgsbedingung. Bei seiner Klientel, den Unternehmern, hat sein Ruf schwer gelitten. Doch das mit der Haushaltseinigung beschlossene Dynamisierungspaket entlockt selbst den stets kritischen Wirtschaftsverbänden die Anerkennung, dass es kräftiger als erwartet ausgefallen ist. Mercedes-Chef Ola Källenius lobt sogar ausdrücklich. „Es geht absolut in die richtige Richtung. Das ist ein positives Signal.“

    Er kann auch mit Friedrich Merz

    Wenn das Entlastungsbündel seine Wirkung erfüllt, macht Habeck folgende Rechnung auf: Die Leute haben wieder mehr Geld in der Tasche, die Sorgen der Inflationsjahre verschwinden, die Stimmung hebt sich, die Abstiegsbewirtschafter der AfD verlieren an Zuspruch. Aber 20 Prozent für ihn und die Grünen? Womöglich spielt Habeck aber gar nicht auf Sieg, sondern auf einen starken zweiten Platz.

    „Was Sie in der Wirtschaftspolitik machen, ist ein einziges Desaster.“

    CDU-Chef Friedrich Merz über Robert Habeck

    Zurück nach Bonn. „Niemand kann bei der Bundestagswahl davon ausgehen, dass er die absolute Mehrheit hat“, sagt er da. „Wir machen Kompromisse und das ist nichts, wofür man sich schämen muss.“ Stand heute wird die Union unter dem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz die Wahl gewinnen. Der hat die Grünen zum Hauptgegner auserkoren und schlägt verbal auf Habeck ein. Kostprobe: „Was Sie in der Wirtschaftspolitik machen, ist ein einziges Desaster“, schimpft er Anfang Juni in der Talkshow von Maybrit Illner. Ihm gegenüber im Fernsehstudio sitzt Robert Habeck. Nach der Sendung haben beide eine Stunde miteinander gesprochen.

    Habeck ist sich sicher, dass nach der Wahl die Union bei der Schuldenbremse auf Lockerung umschwenkt und zwar „schneller als wir bis drei zählen können“. Die Milliarden für die Aufrüstung der Bundeswehr und die Sanierung von Schulen, Brücken und dem Schienennetz sind aus seiner Sicht nicht aus dem laufenden Betrieb zu finanzieren. Mit Geld in der Tasche wird auch ein Kanzler Merz für ihn erträglich.

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    3 Kommentare
    Wolfgang Schmidt

    Größenwahnn in höchster Vollendung. Wie kommt man als 11%-Partei auf die Idee einen Kanzler zu stellen?

    Richard Markl

    Eigentlich lächerlich bei 11 - 13 %, ja! Aber, es geht vielleicht auch darum so stark wie möglich zu sein, damit CDU/CSU, obwohl sie die Grünen für sich selber als toxisch einstufen, bei einer Regierungsbildung doch nicht an ihnen vorbeikommen. Der Wähler wird vor der Wahl feststellen, dass er als Kanzlerkandidaten ansonsten Scholz, Merz und Weidel zur Auswahl hat. Und da kann es sein, dass zumindest ein/zwei Prozentpunkte der Wähler mit diesem Angebot gar nichts anfangen können und umschwenken und doch grün wählen mangels attraktiver Alternativen. Ein Pistorius als Kanzlerkandidat der SPD wäre für die Grünen deutlich unangenehmer.

    Helmut Eimiller

    „Wahlkampf ist wie eine andauernde Darmspiegelung“, sagt Obama. „The 42nd President of the United States, Bill Clinton“ wurde in diesem Bereich von meinem Bruder untersucht (bookinghealth.com). Nach meinen persönlichen Erfahrungen gehe ich davon aus, dass bei Bill Clintons Darmspiegelung in München alles kurz und schmerzlos ablief, die „Tortur“ also nicht ganz so schlimm war.

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