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Japan: Olaf Scholz in Tokio: Deutschland und Japan rücken enger zusammen

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Olaf Scholz in Tokio: Deutschland und Japan rücken enger zusammen

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    Bundeskanzler Olaf Scholz (l, SPD) und Fumio Kishida, Ministerpräsident von Japan , gemeinsam am Rande der ersten deutsch-japanischen Regierungskonsultationen.
    Bundeskanzler Olaf Scholz (l, SPD) und Fumio Kishida, Ministerpräsident von Japan , gemeinsam am Rande der ersten deutsch-japanischen Regierungskonsultationen. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Beim Gang in den Amtssitz des japanischen Ministerpräsidenten Fumio Kishida kommt ein Mitglied der deutschen Delegation von Bundeskanzler Olaf Scholz kurz ins Straucheln. Ein Ortskundiger hält sofort inne und schaut besorgt. Das hier ist Erdbebengebiet, im Schnitt wackelt alle zwei Wochen irgendwo der Boden. Kurz darauf Entwarnung, Kishidas Residenz mit ihrer luftigen Architektur bietet einige Stolperfallen, der Grund ist schnell gefunden: Eine tiefe Rille im Fußboden, kein Erdbeben also. Auch der Besuch des deutschen Regierungschefs löst zunächst keine Erdstöße aus. 

    Scholz ist mit sechs Kabinettsmitgliedern für eine Premiere nach Tokio gekommen, die ersten deutsch-japanischen Regierungskonsultationen stehen auf dem Programm. Für die Bundesregierung sind solche Treffen mehrerer Kabinettsmitglieder beider Seiten nichts Neues. Es gab sie in der Vergangenheit zum Beispiel schon mit China, Indien, Brasilien, Israel und bis 2012 auch mit Russland. Damit werden die Beziehungen zu ohnehin schon engen oder strategisch wichtigen Partnern vertieft. Für Japan sind es die ersten Regierungskonsultationen überhaupt. Es gab bei der Organisation wohl ein bisschen Schützenhilfe aus Berlin, aber die Notwendigkeit ist unumstritten. „Man fragt sich im Nachhinein, warum das nicht schon längst stattgefunden hat“, sagt ein ranghoher Diplomat.

    Schöner wäre es natürlich, die Beziehungspflege wäre nicht so aufwendig

    Scholz war bereits im April 2022 in Japan, im Mai fliegt er wieder hin, dann ist G7-Gipfel in Hiroshima. In der Runde der sieben großen Industrieländer genießen die Japaner Wertschätzung, es gibt viele wirtschaftliche Interessen. Auf dem politischen Terrain beobachten westliche Staaten mit Interesse und Respekt die Unterstützung Tokios für die Ukraine. Deutschland und Japan treten beispielsweise auch für eine Reform des UN-Sicherheitsrates ein. Schöner wäre es natürlich, die Beziehungspflege wäre nicht so aufwendig. 

    Zwölfeinhalb Stunden ist der Regierungs-Airbus „Konrad Adenauer“ von Berlin aus nach Tokio unterwegs. Die Maschine ist knallvoll, neben Scholz sind noch Außenministerin Annalena Baerbock, Innenministerin Nancy Faeser, Finanzminister Christian Lindner, Wirtschaftsminister Robert Habeck, Verkehrsminister Volker Wissing und Verteidigungsminister Boris Pistorius dabei. Alle haben eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ein paar Minister werden von Personenschützern bewacht. 

    Etwa zwei Dutzend Presseleute sind an Bord, Expertinnen und Experten fürs Protokoll, Dolmetscherinnen, ein Stenograf, die Flugzeug-Crew und noch ein paar mehr, da kommen schnell über hundert Leute zusammen. Wer nicht weiter vorne auf den bequemen Plätzen sitzt, ringt um Schlaf. Dabei wäre ein bisschen Krafttanken gar nicht schlecht: Die Landung ist am Samstag um vier Uhr morgens deutscher Zeit, das ist 12 Uhr Ortszeit, nach einem kurzen Zwischenstopp im Palace Hotel Tokyo beginnt das bis in den späten Abend dauernde politische Programm.

    Beide Länder haben ihre Militärausgaben massiv gesteigert

    Während es draußen bei strömendem Regen nur sechs Grad hat, ist der Empfang drinnen warmherzig. Kishida sagt, er begrüße den Besuch „von ganzem Herzen“. „Olaf und ich“ - die beiden Regierungschefs duzen sich. Scholz sagt, die Konsultationen seien ein „sicheres Zeichen“ für die guten Beziehungen. 

    Beide Seiten verabschieden eine gemeinsame Erklärung, in der es unter anderem um eine Vertiefung der militärischen Zusammenarbeit geht. Das ist keine Lappalie, denn beide Länder haben ihre Militärausgaben massiv gesteigert. In der Abschlusserklärung bekräftigen Deutschland und Japan ihr Bekenntnis zu einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den japanischen Selbstverteidigungsstreitkräften und der Bundeswehr. 

    Es geht dabei nicht nur um herkömmliche Waffen. „In dem Bewusstsein, dass sich Angriffe auf den wirtschaftlichen Wohlstand immer auch destabilisierend auf Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt auswirken“, heißt es an anderer Stelle, vertiefen Berlin und Tokio ihren strategischen Dialog, „um böswilligen Vorgehensweisen in der realen und in der Cyberwelt entgegenzutreten“. Die Bundeswehr war in der Region bereits durch einen Besuch der Fregatte „Bayern“ präsent, eine weitere Präsenzfahrt ist Scholz zufolge geplant. Hintergrund dafür sind auch die im September 2020 von der Bundesregierung beschlossenen Leitlinien zum strategisch bedeutenden Indo-Pazifik.

    Seit 16 Jahren ist Pistorius der erste deutsche Verteidigungsminister auf Japan-Besuch

    Verteidigungsminister Pistorius macht deutlich, dass es über gemeinsame Übungen hinaus in Zukunft „auch um Rüstungsfragen“ gehen könnte. Das werde sich alles weisen, sagt der SPD-Politiker, der noch einen Tag länger in Japan bleiben wird, um einen Flugzeugträger zu besuchen. 

    Muss man für derartige Gespräche 18.000 Flugkilometer abspulen, länger in der Luft (27 Stunden) als am Boden (20 Stunden) sein? Pistorius ist ein Beispiel dafür, dass man diese Frage wohl mit einem Ja beantworten kann. Seit 16 Jahren ist er der erste deutsche Verteidigungsminister auf Japan-Besuch, Depeschen oder Videokonferenzen können das direkte Gespräch nicht ersetzen.

    Der Austausch zwischen Japan und Deutschland wird noch zunehmen

    Das gilt ebenso für die Wirtschaftsbeziehungen. Es geht dabei vor allem um den Ausbau internationaler Kooperationen, um Abhängigkeiten von einzelnen Wirtschaftsmächten etwa beim Import von Rohstoffen zu reduzieren. Deutschland will Lehren aus der früheren Gas-Abhängigkeit von Russland ziehen, die nach der russischen Invasion in der Ukraine nur durch einen Kraftakt wieder aufgelöst werden konnte. Japan, das ebenfalls in großem Stil Rohstoffe importiert, hat eigens ein Gesetz zur Wirtschaftssicherheit erlassen, das von der Bundesregierung als vorbildlich angesehen wird.

    Künftig sollen Institute beider Seiten wie die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe ihre Kooperation intensivieren. Auf beiden Seiten habe sich viel Wissen angesammelt, sagte Scholz. "Wenn man das zusammenführen kann, führt das zu einer erheblichen Steigerung der Handlungsmöglichkeiten", sagte der Kanzler. Ziel ist es, die Abhängigkeit von in China verarbeiteten Rohstoffen wie zum Beispiel seltenen Mineralien zu reduzieren.

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