Der Iran habe schon immer den Widerstand gegen „das illegitime zionistische Regime“ in Israel unterstützt und werde das auch weiterhin tun, schrieb die iranische Führung vor kurzem an die libanesische Hisbollah-Miliz. „Die Kriegstreiberei und die kriminelle Politik“ Israels müssten gestoppt werden. Solche Sätze sind normal für das iranische Regime. Doch das Schreiben an die Hisbollah stammte nicht von einem iranischen Hardliner, sondern vom neu gewählten Präsidenten Massud Peseschkian, der vor zwei Wochen mit dem Versprechen innen- und außenpolitischer Reformen ins Amt gewählt wurde. Ist Peseschkian in Wahrheit ein Wolf im Schafspelz?
Den Ton bestimmt Hardliner Ali Khamenei
Manche Regimegegner sind davon überzeugt. Peseschkian sei ein Liebling mancher westlicher Medien, aber offenbar nicht so moderat wie angenommen, kommentierte die deutsch-iranische Aktivistin Daniela Sepehri nach der Botschaft an die Hisbollah. Der heute 69-jährige designierte Präsident hatte im Wahlkampf angekündigt, im Iran einiges verändern zu wollen, sich aber gleichzeitig zu den politischen Vorgaben von Regimechef und Ober-Hardliner Ali Khamenei bekannt.
Jetzt zeichnet sich ab, was Peseschkian außenpolitisch tun will, wenn er nach seiner Vereidigung im Parlament in den kommenden Wochen sein Amt antritt. Der neue Präsident fordert eine Öffnung Irans zum Westen und verteidigt den Atomvertrag mit USA und Europa aus dem Jahr 2015. Beide Aussagen sind ein Bruch mit der Politik von Peseschkians Vorgänger Ebrahim Raisi, der im Mai bei einem Hubschrauberabsturz starb. Raisi hatte Gespräche mit dem Westen über einen neuen Atomvertrag abgewürgt.
Die geplante Öffnung des Iran nach Westen hat Grenzen
Peseschkians geplante Öffnung hat aber Grenzen, wie er in seiner ersten ausführlichen Stellungnahme zur Außenpolitik in der englischsprachigen Regime-Zeitung Tehran Times verdeutlichte. Unter der Überschrift „Meine Botschaft an die Neue Welt“ betonte er, der Iran strebe nicht nach Atomwaffen. Zugleich kritisierte er die USA und Europa wegen ihrer Wirtschaftssanktionen und dankte Russland und China für deren Unterstützung. Ein Angebot zu neuen Atom-Verhandlungen enthielt der Beitrag nicht. Als erstes konkretes Vorhaben will Peseschkian die arabischen Nachbarn für eine Initiative zur Durchsetzung eines Waffenstillstands in Gaza gewinnen.
Diese Nachbarn wissen, dass sie von Peseschkian nicht viele Veränderungen erwarten können, meint Thomas Demmelhuber, Nahost-Experte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Sie sehen der Amtszeit des neuen iranischen Präsidenten mit Wohlwollen, aber auch Realismus entgegen, wie Demmelhuber unserer Redaktion sagte.
Als Präsident kann sich Peseschkian ohnehin nur in einem Rahmen bewegen, der von Khamenei und der Revolutionsgarde gesteckt wird – also von Akteuren, die dem Westen misstrauen und regionale Milizen gegen Israel einsetzen. Selbst wenn Peseschkian es wollte, könnte er Aktionen wie die jüngsten Drohnenangriffe der iranisch interstützten Huthis auf Israel also wahrscheinlich nicht unterbinden.
Auch im Verhältnis zur Hisbollah werde Peseschkian als Präsident nichts zu melden haben, weil Khamenei diesen Bereich kontrolliere, meint Joe Macaron, Nahost-Experte bei der US-Denkfabrik Wilson Center. Peseschkians Botschaft an die libanesische Miliz habe vor allem innenpolitischen Zwecken gedient: Der neue Präsident habe misstrauische Hardliner beruhigen wollen.
Die Golfstaaten seien sich „des engen Gestaltungsspielraums des iranischen Präsidenten im Verhältnis zu den eigentlichen polit-ökonomischen Machtzentren in Teheran bewusst“, sagt Demmelhuber. Trotzdem hoffen die Araber nach seinen Worten auf Verbesserungen ihrer Beziehungen zum regionalen Rivalen Iran.
Für Europa wird vor allem die Atomfrage interessant
Peseschkian legt zudem Wert auf eine verbesserte Zusammenarbeit mit Europa - von der Wirtschaft über Technologie und Energie bis zur Flüchtlingspolitik. Doch für Europa spielt die Atomfrage die Hauptrolle. Macaron erwartet Peseschkians außenpolitischen Schwerpunkt deshalb hier. Bei der UN-Vollversammlung in New York im September wird Peseschkian erstmals persönlich mit westlichen Politikern sprechen können.
Der neue Präsident wird es nicht leicht haben, im Atomstreit mit dem Westen weiterzukommen. Zu Hause steht er unter Beobachtung der Hardliner, und auch international könnte er auf Widerstand treffen. Die USA waren unter Donald Trump aus dem Atomvertrag mit dem Iran ausgestiegen und hatten neue Sanktionen erlassen. Nun könnte Trump bald ins Weiße Haus zurückkehren. Der neue iranische Präsident dürfte schon in seinem ersten Amtsjahr herausfinden, ob seine Öffnung zum Westen funktioniert.
Der iranische Staatspräsident ist nur ein Element in der geteilten iranischen Machtstruktur. Dies macht ihn aber nicht bedeutungslos. Er bestimmt die Exektutive, die Minister, Ministerien und staatliche Organisationen und hat so die Möglichkeit erheblich die Lebenswirklichkeit der Menschen im Iran zu beeinflussen.
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