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Interview: Warum Bauernpräsident Joachim Rukwied für eine grünere Agrarpolitik ist

Interview

Warum Bauernpräsident Joachim Rukwied für eine grünere Agrarpolitik ist

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    Bauernpräsident Joachim Rukwied: „Der Kauf von regionalen Produkten ist die beste Unterstützung einer heimischen Landwirtschaft.
    Bauernpräsident Joachim Rukwied: „Der Kauf von regionalen Produkten ist die beste Unterstützung einer heimischen Landwirtschaft. Foto: Daniel Maurer, dpa

    Herr Rukwied, Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Landwirten auf dem Agrargipfel ihren Respekt ausgesprochen. Werden die Bauern von der Politik insgesamt ausreichend gewürdigt?

    Joachim Rukwied: Wir sind auf allen Ebenen in einem intensiven Austausch mit der Politik, sei es nun in den Ländern, in Berlin oder in Brüssel. Die Landwirte sind ein Stück weit frustriert darüber, dass ihre Arbeit ständig kritisiert wird. Wenn über Artenschutz diskutiert wird, wird vor allem über die Landwirtschaft geredet. Andere Faktoren wie die zunehmende Mobilität, der Landverbrauch, die Lichtverschmutzung bis hin zu Schottergärten werden nicht in den Fokus genommen. Die Landwirtschaft hat eine Menge gemacht in den letzten Jahren. Wir haben beispielsweise 230.000 Kilometer Blühstreifen mit einer Breite von fünf Metern geschaffen. Insgesamt führt das zu einer gewissen Frustration bei meinen Berufskollegen, weil die sagen: Wir sind ja auf dem Weg, wir machen etwas. Das wird jedoch nicht so honoriert, wie man es sich wünscht.

    Beim Auftritt von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner kürzlich vor dem Brandenburger Tor haben viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen laut gepfiffen. Man fühlte sich ein bisschen an die Zeiten erinnert, als die damalige Agrarministerin Renate Künast von den Grünen im Dauerzoff mit den Landwirten lag. Ist es so schlimm wie damals?

    Rukwied: Nein, ich bin im ständigen Austausch mit der Ministerin und wir diskutieren ebenso offen wie konstruktiv. Aber wir haben in dem einen oder anderen Punkt unterschiedliche Auffassungen.

    Beispielsweise bei der Gentechnik, richtig? Frau Klöckner ist im Grundsatz für den Einsatz von Gentechnik. Sie waren früher dagegen, weil Ihnen klar war, dass in Deutschland gentechnisch veränderte Lebensmittel verpönt sind. Wie ist Ihre Haltung heute?

    Rukwied: Die ist unverändert. Aber so wie ich es verstehe, geht es Frau Klöckner um neue Züchtungstechniken wie CRISPR/Cas, also die Möglichkeit, die DNA einer Pflanze ganz gezielt zu schneiden. Wir wollen diesen gezielten Schnitt in der Pflanze, aber nicht den Einbau externer DNA. Wir sehen durchaus die Notwendigkeit für diese Technik, mit der man Pflanzen viel schneller bestimmte Resilienzen, beispielsweise eine hohe Widerstandskraft gegen Dürre, einpflanzen kann. Dazu brauchen wir jetzt eine neue EU-Gesetzgebung.

    Wenn man über Land fahrt, sehe ich gewaltige Schlepper mit noch gewaltigeren Anhängern und denkt: Wow, was verdichten die den Boden. Kein Wunder, dass da kein Regen mehr durchkommt. Stimmt das?

    Rukwied: Nein. Entscheidend für den Bodendruck ist die Aufstandsfläche des Reifens. Da gab es in den letzten 20 Jahren gewaltige Fortschritte. Da sind wir technisch viel besser und bodenschonender unterwegs als früher, wo es nur schmale Hochdruckreifen gab. Heute gibt es Reifen mit weichen Flanken, die mit weniger als einem Bar Luftdruck gefahren werden können. Wir haben insgesamt zum Erhalt der Bodenstruktur viel Positives auf den Weg gebracht.

    Wieder was gelernt. Das Landwirtschaft immer intensiver wird, lässt sich wohl kaum bestreiten. Haben kleine und mittlere Betriebe in Zukunft überhaupt noch eine Chance oder müssen wir uns auf große Agrarfabriken einrichten, wie wir sie aus der ehemaligen DDR kennen?

    Rukwied: Das sehe ich so nicht. Die heutigen Strukturen in den jungen Bundesländern sind ja auch kleiner als zu DDR-Zeiten. Was wir haben, ist ein Strukturwandel, also ein Rückgang von 1,7 Prozent über alle Betriebsformen pro Jahr. Die Betriebe werden größer, aber gerade Deutschland hat viele Höfe, die von bäuerlichen Familien getragen werden. Insofern sehe ich dieses Szenario so nicht. Am Ende ist ja auch nicht die Hektarzahl entscheidend, sondern die Frage, was ich mit meiner Fläche mache. Ein kleiner Betrieb, der Gemüse anbaut, hat auch Zukunftschancen. Das gilt auch für den Betrieb im Allgäu, der Milchvieh hat und gleichzeitig ein paar Ferienwohnungen vermietet.

    Wie beobachten Sie allgemein die Wertschätzung, die den Landwirten entgegengebracht wird? Hat sich das verschlechtert in den letzten Jahren?

    Rukwied: Wir sind kürzlich bei einer entsprechenden Erhebung auf Platz zwei hinter den Ärzten gewesen. Damit waren wir einen Platz besser als früher. Also die Wertschätzung ist ausgeprägt.

    Aber wer beim Discounter Milch für 63 Cent den Liter und Fleisch für 2,50 das Kilo kauft, zeigt nicht wirklich viel Verständnis für unsere Bauern, oder?

    Rukwied: Das ist ein anderer Punkt. Aber Sie haben recht: Lebensmittel sind mehr wert. Wir können nur immer wieder appellieren, dass man Qualitätsprodukte kauft, dass man regionale Produkte kauft. Der Kauf von regionalen Produkten ist die beste Unterstützung einer heimischen Landwirtschaft. Dem entgegen steht die Entwicklung, dass nur noch rund zehn Prozent des Einkommens für Lebensmittel ausgeben wird.

    Andererseits gibt es Menschen, die wenig Geld im Portemonnaie haben, Was sagen Sie denen?

    Rukwied: Man muss da unterscheiden. Es gibt Menschen, die beim Einkauf von Lebensmitteln auf den Preis schauen müssen. Da ist es wichtig, dass auch diese Kunden qualitativ sehr gute Produkte bekommen. Aber es gibt auf der anderen Seite auch Bevölkerungsgruppen, die über ein ausreichendes Einkommen verfügen und beispielsweise das Fleisch vom Weiderind bezahlen können. Das setzen wir ein Stück weit drauf.

    Apropos Geld: Der EU-Haushalt für 2020 sieht für den Agrarbereich keine Kürzungen vor. Ab 2021 müssen Sie sich jedoch auf empfindliche Kürzungen einstellen. Das hat auch mit dem "Green Deal" von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leysen zu tun. Was erwarten Sie?

    Rukwied: Der deutsche wie auch der europäische Bauernverband haben die klare Erwartung, dass das Agrarbudget stabil gehalten wird. Das steht übrigens auch im Koalitionsvertrag. Derzeit sind allerdings 1,7 Prozent als Kürzung in der Diskussion. Wir hoffen, dass wir über Verhandlungen bei einer schwarzen Null landen. Was den "Green Deal" angeht: Die EU-Agrarpolitik wird grüner werden, damit sie akzeptiert wird. Wir sind dabei und wollen das mitgestalten.

    Die Grüne Woche steht bevor. Was erwartet die Verbraucher diesmal?

    Rukwied: Zusammen mit den Aktiven im Ehren- und Hauptamt freue ich mich auf die Grüne Woche. Das ist die agrarpolitische Plattform am Anfang eines jeden Jahres, auf der wir die Zukunftsfragen der Landwirtschaft diskutieren. Es werden wieder viele Agrarminister dabei sein. Wir gehen auch davon aus, dass wir EU-Kommissare zu Gast haben werden. Wir haben Signale, dass der neue EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski kommt. Außerdem werden in den Hallen viele landwirtschaftliche Produkte und Lebensmittel zu erleben sein.

    Dem Klimaschutz werden Sie als Thema besonders Rechnung tragen?

    Rukwied: Das ist natürlich ein Themenfeld, das wir mit den politischen Akteuren besonders diskutieren werden. Es ist das Leitthema der diesjährigen Grünen Woche. Als Landwirtschaft sind wir Betroffene und Teil der Lösung. In unserer eigenen Klimastrategie haben wir uns selbst sehr ehrgeizige Emissionsreduktionsziele gesetzt.

    Beim großen Agrargipfel Anfang Dezember wurden Sie von Kanzlerin Merkel gebeten, ein gemeinsames Konzept für eine Zukunftskommission Landwirtschaft zu erstellen. Die Kommission soll die Wege für eine produktive und ressourcenschonende Landwirtschaft aufzeigen. Das Konzept soll schon bis Februar 2020 stehen. Ist das überhaupt zu schaffen?

    Rukwied: Wir sind da schon ein Stück weit vorangekommen. Wir haben unsere eigenen Überlegungen zu Papier gebracht. Wir sollen das ja zusammen mit Land schafft Verbindung erarbeiten, und auch dort hat man sich schon Gedanken gemacht. Wir wollen einen ersten Aufschlag in Richtung Grüne Woche machen, die am 17. Januar beginnt.

    Vom Aktionsbündnis Land schafft Verbindung war in letzter Zeit zu lesen, dass es dort Streit gibt. Belastet das die Zusammenarbeit?

    Rukwied: Wir arbeiten auf Bundesebene zusammen, insbesondere, was die Erarbeitung des Konzepts für die Zukunftskommission angeht. Wir sind aber auch in den Bundesländern miteinander in Kontakt. Wir befinden uns im intensiven Austausch.

    Wen können Sie sich, abgesehen von den Aktionsbündnis, noch in der Kommission vorstellen? Es geht ja um ein Verhandlungsmandat für die gesamte landwirtschaftliche Branche.

    Rukwied: Da sind wir jetzt in der Erarbeitung. Da muss natürlich die Landwirtschaft vertreten sein. Es sollen andere gesellschaftliche Gruppen mit drin sein. Aber es ist noch zu früh, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Das diskutieren wir erst einmal intern.

    Es gibt zahlreiche Vorschriften, die ihre Mitglieder belasten, die aber nicht von der Regierung, sondern von der EU kommen. Welchen Sinn macht eine solche nationale Zukunftskommission da überhaupt?

    Rukwied: Gesetzliche Vorgaben sind nicht Thema der Zukunftskommission. Wir wollen einen Aufschlag machen im Hinblick auf eine zukunftsfähige Landwirtschaft, auf eine zukunftsfähige Agrarpolitik. Was ist da notwendig, wie sieht die Landwirtschaft der Zukunft unter Einbindung der gesellschaftspolitischen Anliegen aus – das sind unsere Fragestellungen.

    Zur Person: Joachim Rukwied stammt aus einem seit über 200 Jahren existieren bäuerlichen Familienbetrieb in Eberstadt bei Heilbronn. Das CDU-Mitglied ist seit 2012 Präsident des Deutschen Bauernverbandes. Seit 2017 ist der 58-Jährige auch Präsident des europäischen Bauernverbandes COPA.

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