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Interview: Volksverpetzer-Gründer Laschyk: "Die Solidarität war riesig"

Interview

Volksverpetzer-Gründer Laschyk: "Die Solidarität war riesig"

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    Der Augsburger Thomas Laschyk ist leitender Redakteur des Blogs Volksverpetzer.
    Der Augsburger Thomas Laschyk ist leitender Redakteur des Blogs Volksverpetzer. Foto: Volksverpetzer

    Herr Laschyk, mit ihrem Blog wollen sie über Rechtsextremismus und Desinformation aufklären. Bis vor Kurzem galt das als gemeinnützige Arbeit. Jetzt hat das Finanzamt Augsburg Ihnen diesen Status aberkannt – mit der Folge, dass Sie nun keine steuerbegünstigten Spendenquittungen mehr ausstellen dürfen. Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie davon erfahren haben?
    THOMAS LASCHYK: Ich musste erst mal seufzen. Unsere letzte Prüfung im Jahr 2021 fiel noch positiv aus, das Finanzamt hat damals unseren Status als gemeinnützige Organisation bestätigt. Insofern war ich schon überrascht. Ich habe es dann unserem Team gesagt und betont, dass es nicht gleich den Untergang bedeutet.

    Nicht den Untergang, aber doch sicherlich eine Einschränkung?
    LASCHYK: Ja, definitiv. Wir werden in nächster Zeit versuchen, noch mal mit dem Finanzamt zu sprechen und die Prüfer davon zu überzeugen, dass es sich um ein Missverständnis handelt. Aber das ist mit viel Arbeit verbunden und bindet Ressourcen. Ressourcen, die uns dann für unsere Recherchen fehlen. Und obendrauf kommt ja noch das Geld, das wir nachzahlen müssen.

    Wie viel wird das sein?
    LASCHYK: Die Entscheidung wurde rückwirkend zum Jahr 2021 gefällt. Wir kennen noch keinen genauen Betrag, gehen aber davon aus, dass ein mittlerer bis hoher fünfstelliger Betrag fällig sein wird. Außerdem sind die Spenden, die wir in Zukunft erhalten, nicht mehr steuerfrei. Heißt: Auf jede Spende zahlen wir in Zukunft 19 Prozent an den Staat. Eigentlich hatte ich geplant, unser Team zu vergrößern, um mehr und größere Projekte zu ermöglichen. Das liegt jetzt erst mal auf Eis. Nichtsdestotrotz: Die Solidarität war riesig, wir haben in den vergangenen Tagen viel Zuspruch erhalten. Und vor allem auch viele Spenden. Das hilft uns enorm und wir sind unglaublich dankbar.

    Gibt es denn eine reelle Chance, die Entscheidung noch umzukehren?
    LASCHYK: Das Finanzamt hat bisher keine richtigen Gründe für die Entscheidung genannt. Angedeutet haben sie nur, dass unsere Satzung nicht mehr der Gemeinnützigkeit entspreche. Die haben wir aber gar nicht geändert. Dort steht immer noch, dass wir mit unserer Arbeit die "internationale Gesinnung" fördern.

    Die was?
    LASCHYK: "Die Förderung internationaler Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedanken." Das ist einer der Zwecke, für die man Gemeinnützigkeit beantragen kann. Das Gesetz stammt noch aus den 50er-Jahren, deshalb klingt das für unsere Ohren etwas seltsam. Wir argumentieren: Indem wir über Rechtsextremismus und Desinformation aufklären, fördern wir eben diese internationale Gesinnung und Toleranz.

    Gleichzeitig weist das Finanzamt aber auch darauf hin, dass Ihre Arbeit zu nah an der von Journalisten sei.
    LASCHYK: Ja, genau. Wobei ich der Meinung bin, dass man den Zweck der internationalen Gesinnung auch mit journalistischen Mitteln wie Recherche und Aufklärung fördern kann. Bisher ist es aber in Deutschland nicht möglich, journalistische Arbeit als gemeinnützig anerkennen zu lassen. Es gibt zwar Medienhäuser, die diesen Status haben, allerdings nur über Umwege. Correctiv beispielsweiseNach Recherche zu "Remigration": Correctiv muss wenig ändernGeheimtreffen bietet Weiterbildungen an, weshalb sie bisher diesen Status behalten dürfen.

    Immerhin hat die Ampel eine Reform angekündigt, die genau das ermöglichen soll …
    LASCHYK: Ja, aber passiert ist bisher nichts. Wir versuchen deshalb jetzt mit einer Petition Druck auszuüben auf die Politik.

    Warum? Was kann gemeinnütziger Journalismus leisten, was nicht auch öffentlich-rechtliche Institutionen oder private Zeitungen und Sender schon abdecken?
    LASCHYK: Private Medienhäuser müssen wirtschaftlich arbeiten, sie finanzieren sich meist über Abos und können nicht alle Inhalte kostenlos zur Verfügung stellen. Öffentlich-rechtliche stehen wegen der verpflichtenden Abgabe unter besonderer Beobachtung der Bevölkerung, gerade was Meinungsbeiträge angeht. Spendenfinanzierter Journalismus kann da eine gute Ergänzung sein: kostenlose Inhalte ohne verpflichtende Abgabe. Auch im Regionaljournalismus könnte das hilfreich sein. Vor allem an Orten, wo es keine Regionalzeitung gibt und öffentlich-rechtliche Sender kein eigenes Studio haben, könnten gemeinnützige Initiativen Lücken füllen.

    Wäre der Status der Gemeinnützigkeit nicht auch ein Einfallstor für Desinformationsportale, um leicht an Spendengeld zu kommen?
    LASCHYK: Sofern sie sich innerhalb der demokratischen Grundordnung bewegen, finde ich das in Ordnung. Gegebenenfalls wird es Akteure geben, die diesen Status als gemeinnützig für sich in Anspruch nehmen und damit Desinformation verbreiten. Ich denke aber, das wird die Minderheit sein.

    Nichtsdestotrotz: Wäre es nicht problematisch, wenn staatliche Stellen entscheiden, welches Portal nun gemeinnützig sein darf und welches nicht?
    LASCHYK: Gut, dafür braucht es eben konkrete und transparente Regeln. Außerdem ist das ja im Moment nicht anders. Gerade entscheidet das jeweilige Finanzamt nach undurchsichtigen Gründen über die Gemeinnützigkeit. Und das nach Regeln, die aus den 50er-Jahren stammen. Zumindest das muss doch reformiert werden.

    Zur Person

    Thomas Laschyk ist leitender Redakteur und Geschäftsführer des Volksverpetzer. Er gründete den Blog 2014 in Augsburg und beschäftigte sich dort zunächst mit lokaler Politik. Ab 2015 widmete er sich verstärkt Desinformation und Rechtsextremismus. Im Februar 2024 erschien Laschyks Buch "Werbung für die Wahrheit".

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