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SPD-Chef Lars Klingbeil im Interview: "Bin überzeugt, dass Olaf Scholz sich zurückkämpft"

Interview

SPD-Chef Klingbeil ruft zum "Jahr des Kampfes" gegen die AfD auf

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    Lars Klingbeil, SPD-Bundesvorsitzender, fordert einen finanziellen Ausgleich für die Mitte der Gesellschaft.
    Lars Klingbeil, SPD-Bundesvorsitzender, fordert einen finanziellen Ausgleich für die Mitte der Gesellschaft. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Herr Klingbeil, Sie haben kein Regierungsamt, sind aber Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, der es im Moment eher schlecht geht. Was steht für Sie im Vordergrund – dass diese Regierung noch zwei Jahre durchhält, oder dass die SPD langfristig wieder stark wird?

    Lars Klingbeil: Die Regierung trägt in diesen krisenhaften Zeiten wahnsinnig viel Verantwortung und da haben sich alle zusammenzureißen und jetzt an den Dingen zu arbeiten, die auf der politischen Agenda stehen. Für mich als SPD-Vorsitzenden geht es im Jahr 2024 darum, dass wir als SPD kämpfen und sehr fokussiert unsere Schwerpunkte klarmachen. 

    Die da wären?

    Klingbeil: Es geht um die Frage der wirtschaftlichen Stabilisierung des Landes. Die deutsche Wirtschaft ist gerade nicht in einer guten Verfasstheit. Wir haben immer noch zu kämpfen mit dem, was die großen Veränderungen in der Energiepolitik durch den Krieg in der Ukraine hervorgebracht haben, mit der Rezession, die dadurch ausgelöst wurde. Dagegen müssen wir arbeiten. Und wir werden den Schwerpunkt auf die Entlastung für die arbeitende Mitte legen, also für diejenigen, die das Land am Laufen halten. Dass jetzt ganz gezielt politische Maßnahmen für diese Menschen ergriffen werden, darauf werde ich als Parteivorsitzender immer wieder drängen.

    Sie als Fußballfan wissen, dass bei anhaltendem Misserfolg eine ehrliche Analyse Teil der Lösung ist. Zur Regierungs-Halbzeit liegt die SPD als Kanzlerpartei weit zurück. Sind daran nur äußere Umstände schuld?

    Klingbeil: Die Menschen sind massiv verunsichert durch die Pandemie, die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, die Inflation, die Energieknappheit, die gesellschaftliche Polarisierung. Und das wird natürlich auch verstärkt durch Fehler in der Regierung, im Jahr 2023 war zu viel Streit. Das alles trägt dazu bei, dass wir gerade da sind, wo wir sind. Uns da rauszukämpfen, das ist die Aufgabe für 2024. Das gelingt durch Zusammenhalt, und es gelingt auch durch eine andere Kommunikation. 

    Aber wie soll die Kommunikation besser werden, wenn die Inhalte nicht passen? Sie kippen zum Beispiel das Klimageld und damit ein zentrales Versprechen der Koalition.

    Klingbeil: Wenn die Regierung jetzt sagt, dass wir das mit dem Klimageld so schnell nicht hinbekommen, dann ist für mich völlig klar, dass es andere Kompensationsmaßnahmen für die Bürgerinnen und Bürger geben muss. Wenn der CO2-Preis steigt, kann zum Beispiel die Pendlerpauschale erhöht werden. Denn das ist eine massive Belastung für alle Menschen, die auf das Auto angewiesen sind. 

    Hat Finanzminister Christian Lindner, der ja auch FDP-Chef ist, diese soziale Komponente nicht mitgedacht, als er sich zum Klimageld äußerte?

    Klingbeil: Womöglich nicht, aber wir unterstützen gerne beim Denken. Wir haben als SPD immer wieder klargemacht, dass für uns das Soziale unabdingbar dazugehört. Das haben wir getan bei der Strompreisbremse, beim Heizungsgesetz, und das tun wir auch jetzt. Ich habe akzeptiert, dass drei Parteien mit unterschiedlichen Blickwinkeln auf politische Prozesse und Entscheidungen gucken. Aber am Ende muss es für die Koalition ein Ergebnis geben. Und für mich ist klar, dass Klimaschutz nur mit einem sozialen Ausgleich vor allem für die hart arbeitende Mitte funktioniert. 

    Gerade dem Bundeskanzler wird ja immer wieder vorgeworfen, dass er nicht klar genug kommuniziert und es am Machtwort fehlt. Ist das der Grund, warum seine Beliebtheitswerte und die der ganzen SPD so tief gesunken sind?

    Klingbeil: Es sind aufgewühlte Zeiten und natürlich ist Olaf Scholz das Gesicht dieser Regierung. Er bekommt damit den Unmut an vorderster Stelle ab. Deshalb sagt Olaf Scholz ja auch, dass er die Regierungspolitik besser erklären wird, dass er anders kommunizieren will. Ich bin mir sehr sicher, dass sich der Kanzler in diesem Jahr zurückkämpft.

    Sie als SPD-Chef müssten ja eigentlich sehr froh sein, dass es einen aus ihren Reihen gibt, der gerade in allen Popularitätsrankings vorn liegt. Nur ist das eben nicht Olaf Scholz...

    Klingbeil: Ich bin sehr froh, dass wir gemeinsam die Entscheidung getroffen haben, dass Boris Pistorius unser Verteidigungsminister wird. Der macht einen exzellenten Job. Es geht auch in der Bundeswehr ganz viel um Wertschätzung. Die Soldatinnen und Soldaten vertrauen ihrem Verteidigungsminister. Aber wie Boris Pistorius tragen viele in der SPD Verantwortung und somit am Ende dazu bei, dass es einen Gesamterfolg gibt. 

    Aber Sie entscheiden ja zusammen mit ihrer Mitvorsitzenden Saskia Esken, wer am Ende die SPD in den nächsten Bundestagswahlkampf führt. Wie und wann werden sie festlegen, ob Sie wieder mit Scholz antreten oder nicht?

    Klingbeil: Da gibt es gar keine Diskussion, unser Bundeskanzler ist Olaf Scholz. Wir haben ein enges und vertrauensvolles Verhältnis. Wir wissen, wie schwierig die Zeit ist. Noch mal: Ich bin fest davon überzeugt, dass Olaf Scholz sich im Laufe dieses Jahres zurückkämpft.

    Schon in diesem Jahr stehen die Kommunalwahlen und die Europawahl und dann drei Landtagswahlen an. Wie groß sind angesichts der Umfragen Ihre Sorgen?

    Klingbeil: Glauben Sie mir, das wird ein Jahr des Kampfes. Wir werden kämpfen für die arbeitende Mitte. Wir werden kämpfen gegen den Versuch von Rechtsextremen und der AfD, dieses Land kaputtzumachen. Dieses Jahr kann unser Land sehr grundlegend verändern. 2024 müssen alle ran und alles geben. Uns als stärkster Regierungspartei obliegt es, dabei die Richtung vorzugeben. Niemand darf sich zurücklehnen und die Entwicklung abwarten. Und diese Bereitschaft zu kämpfen ist die klare Erwartung, die ich an jeden formuliere. Egal, ob man Bundestagsabgeordnete oder Bundeskanzler ist.

    Ein Kampf braucht nicht nur Entschlossenheit, sondern auch eine Strategie. Mit welcher Strategie wollen sie der AfD kontern, die in den Umfragen weit vor der SPD liegt?

    Klingbeil: Es sind drei Punkte, die in meinen Augen sehr relevant sind, wenn wir den Kampf gegen die AfD aufnehmen. Wir müssen besser werden in der Regierung, weniger streiten, mehr erklären und politische Entscheidungen treffen für die arbeitende Mitte in diesem Land. Zweitens werden wir als Politiker mehr im Land unterwegs sein müssen. Es geht ganz viel um die direkten Kontakte mit den Bürgerinnen und Bürgern. 

    Und drittens?

    Klingbeil: Das ist der inhaltliche Kampf gegen die AfD selbst. Diese Partei muss gestellt werden, indem wir deutlich machen, wie gefährlich sie ist. Wir werden herausarbeiten, wie sich dieses Land verändern würde, wenn die AfD das Ruder übernehmen könnte. Die letzten Wochen haben deutlich gezeigt, dass die AfD durchs Land gehen und alle aussortieren will, deren Nachname oder Hautfarbe ihr nicht passt. Und da geht es um Menschen, die fest zu unserer Gesellschaft gehören, die als Pflegekräfte arbeiten, als Busfahrer, als Bundestagsvizepräsidentin. Also diejenigen, die überall in diesem Land dazu beitragen, dass der Laden läuft. Und es geht auch um einen Austritt aus der EU, den die AfD will. Damit wären sehr viele Arbeitsplätze in Gefahr. Diese Partei macht nichts besser, sie gefährdet unseren Wohlstand und unsere Zukunft.

    Zur Person: Lars Klingbeil, 45, ist neben Saskia Esken einer der beiden Bundesvorsitzenden der SPD. Klingbeil war schon früh politisch aktiv, arbeitete neben dem Studium im Wahlkreisbüro von Gerhard Schröder. Von 2017 bis 2021 war er Generalsekretär der SPD.

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