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Interview: "Manchmal sollten wir Grüne ein bisschen weniger besserwisserisch reden"

Interview

"Manchmal sollten wir Grüne ein bisschen weniger besserwisserisch reden"

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    Ricarda Lang sagt: "Ich will mit den Menschen ins Gespräch kommen."
    Ricarda Lang sagt: "Ich will mit den Menschen ins Gespräch kommen." Foto: Thomas Obermeier

    Frau Lang, in einem Porträt über Sie ist zu lesen, Sie fänden die Fragen, wie oft jemand fliegt oder Auto fährt, ob er oder sie Fleisch oder nur vegane Produkte isst oder beim Schreiben gendert, eher nebensächlich. Stimmt es also gar nicht, dass die Grünen da strikte Vorgaben machen?
    RICARDA LANG: Nein, das stimmt überhaupt nicht. Wir haben noch nie irgendjemandem vorgeschrieben, was er essen soll oder wie er mobil sein soll. Wir wollen eine bessere Politik, nicht einen besseren Menschen.

    Was heißt das?
    LANG: Ich finde es wichtig, den Fokus wegzulenken von individuellen Konsumfragen hin zu wirtschaftlichen Strukturfragen. Wenn ich über Klimaschutz rede, dann rede ich über Jobs, dann rede ich über neue Technologien, dann rede ich über den Ausbau der erneuerbaren Energien, also eigentlich über die Erneuerung unseres Wohlstands. Und ich rede auch über Freiheit. Ich bin selbst auf dem Land aufgewachsen. Für mich wäre es damals ein großer Freiheitsgewinn gewesen, wenn der Bus oder die Bahn häufiger gefahren wären.

    Warum aber dann immer dieser Eindruck, die Grünen wollten uns den Lebensstil vorschreiben?
    LANG: Manchmal wird der Eindruck natürlich auch ganz bewusst geschürt. Wenn Markus Söder in einer Bierzeltrede behauptet, die Grünen wollten irgendjemandem das Fleisch verbieten, dann weiß er selbst, dass das Schmarrn ist. Trotzdem sollten auch wir Grüne darüber nachdenken, wie wir auftreten. Wir sollten manchmal weniger technokratisch reden und vielleicht manchmal auch ein bisschen weniger besserwisserisch. Denn am Ende machen wir nicht Politik, weil wir Dinge besser wissen, sondern weil wir das Leben der Menschen verbessern wollen.

    Die Erzählung, der Grünen-Wirtschaftsminister hat uns in kürzester Zeit aus der Abhängigkeit von Putins Gas geführt, die wär's doch. Warum verfängt die nicht?
    LANG: Ich erlebe schon, dass viele Menschen das so sehen. Und dass sie dankbar dafür sind, dass Robert Habeck mit dem Politikstil der Großen Koalition gebrochen hat. Der sah ja so aus: Probleme nur bestaunen und den Kopf in den Sand stecken – so nach dem Motto "Wird schon irgendwie werden". Wir stehen für einen anderen Stil: Probleme lösen, auch in schwierigen Zeiten. Wir haben es nicht nur geschafft, unabhängig von russischem Gas zu werden. Wir haben gleichzeitig die erneuerbaren Energien in einem unvorstellbaren Tempo ausgebaut – und damit legen wir das Fundament für eine starke Wirtschaft und gute Jobs.

    Dennoch, die Begeisterung für die Grünen scheint abzunehmen. Zu Ihrer Kundgebung etwa in der Grünen-Hochburg Würzburg kamen gerade mal 150 Zuhörerinnen und Zuhörer. Das muss Ihnen doch zu denken geben.
    LANG: Nein, der Wahlkampf geht ja gerade erst los. Und wichtig ist nicht nur, wer zu den Wahlveranstaltungen kommt. Ich habe in Würzburg Haustürwahlkampf gemacht, mit Menschen am Wahlkampfstand gesprochen und mich mit dem fränkischen Weinbauverband getroffen. Ich will ins Gespräch kommen. Auch Menschen erreichen, die sich nicht so sehr für Politik interessieren, die sich Sorgen um ihre Zukunft machen. Vielleicht neigen wir in Zeiten, in denen es viele Angriffe auf Politikerinnen und Politiker gibt, manchmal dazu, uns zurückzuziehen und eher mit Menschen zusammenzukommen, die die gleiche Meinung haben. Aber genau das sollten wir nicht tun, sondern den Menschen zeigen: Unsere Hand bleibt ausgestreckt, unser Ohr offen.

    Zum Europawahlkampf-Auftakt der Grünen in Würzburg nahm sich die Bundesvorsitzende Ricarda Lang auch Zeit für Selfies mit ihren Anhängern.
    Zum Europawahlkampf-Auftakt der Grünen in Würzburg nahm sich die Bundesvorsitzende Ricarda Lang auch Zeit für Selfies mit ihren Anhängern. Foto: Thomas Obermeier

    Sie haben die Angriffe angesprochen. Warum treffen diese vor allem die Grünen? Nicht zuletzt Sie selbst sind sehr viel Hass und Häme, aber auch Bedrohungen in den sozialen Medien ausgesetzt.
    LANG: Wir Grüne stehen deshalb so im Fokus, weil wir uns um die Lösung von Problemen kümmern. Das wollen die rechtsextremen Brandstifter nicht, sie leben und profitieren von Ängsten und Verunsicherung. Sie verachten unsere Demokratie, weil Kern davon ist, dass man gemeinsam Lösungen findet und Kompromisse schließt. Wir Grüne sind die Partei, die genau das in ihrem Alltag lebt, innerhalb der Regierung, aber auch in vielen kommunalen Parlamenten. Die Rechten lehnen uns ab, weil wir uns aus der Mitte der Gesellschaft für die Demokratie einsetzen, weil wir dieses Land zusammenhalten. Richtig ist aber auch: Viele, die heute schreien, die Grünen müssen weg, haben vor ein paar Jahren geschrien, Merkel muss weg, und die schreien in ein paar Jahren vielleicht ganz andere Dinge. Das heißt, Demokraten, die sich jetzt ausruhen und sagen, der Hass trifft doch nur die Grünen, und manchmal selbst noch Öl ins Feuer gießen, die sägen mit an dem Ast, auf dem sie sitzen.

    Sie geben sich sehr kämpferisch, aber fasst Sie das gar nicht an, wenn man sie persönlich angreift?
    LANG: Es gibt natürlich Momente, da geht einem der Hass sehr nahe. Ich habe mittlerweile gelernt, abzuschalten, vieles nicht zu sehen, mich nicht darauf einzulassen. Aber natürlich ist das immer ein Spannungsfeld. Ich will nicht aufhören, hinzuhören – auch wenn es Kritik gibt, auch wenn es mal hart geäußerte Kritik gibt. Es ist eine Herausforderung, harte Kante gegen Rechtsextremismus zu zeigen und gleichzeitig selbst nicht zu verhärten, sondern ansprechbar zu bleiben, Mensch zu bleiben.

    Schwierig, oder?
    LANG: Ich mache mir aktuell weniger Sorgen um meine Person, ich habe einen guten Schutz durch die Polizei und das BKA. An dieser Stelle vielen Dank an die Frauen und Männer, die diese Arbeit leisten. Was mir zunehmend Sorge bereitet, ist, dass die Gewalt nicht nur Politiker aus der ersten und der zweiten Reihe trifft, sondern Kommunalpolitiker, Ehrenamtliche, die ihre Freizeit für die Demokratie einbringen. Für die haben wir eine Schutzverantwortung. Denn wenn am Ende niemand mehr für ein kommunales Amt kandidieren möchte, wenn niemand mehr Wahlplakate aufhängen will oder wenn niemand mehr im Freundeskreis widerspricht, wenn hetzerische Parolen geäußert werden, dann erodiert wirklich etwas in unserer Demokratie.

    Braucht es schärfere Gesetze?
    LANG: Man macht es sich zu einfach, wenn man jetzt einfach nur eine Verschärfung der Gesetze fordert und denkt, damit ist es getan. Gewalt steht heute schon unter Strafe. Was es aber durchaus braucht, ist eine stärkere Polizeipräsenz in der Fläche, damit die Gesetze auch Anwendung finden. Damit klar ist: Gewalt und Hetze gegen Menschen ziehen Konsequenzen nach sich. Ich erwarte mir für den Schutz von Ehrenamtlichen, von Kommunalpolitikern, gerade jetzt im Wahlkampf, Konzepte von der Innenministerkonferenz. Gut, dass sie getagt hat, aber es braucht auch Ergebnisse. Und wir müssen die digitalen Plattformen mehr in die Verantwortung nehmen. Denn wir wissen, viel Hass entsteht im Netz. Aber immer wieder führen digital geäußerte Worte zu Gewalt im analogen Leben.

    Sie haben von den geistigen Brandstiftern gesprochen, die die Demokratie gefährden – und vor allem die AfD gemeint. Sollte die Partei verboten werden?
    LANG: Es gibt ja jetzt das neue Urteil aus Münster, das noch mal klar bestätigt, dass die AfD als Ganzes als rechtsextremer Verdachtsfall geführt werden darf. Das zeigt einmal mehr, dass diese Partei geprägt ist durch verfassungsfeindliche Bestrebungen. Da finde ich es richtig, dass wir als Politik immer wieder zeigen: Unsere Demokratie ist wehrhaft, sie hat Zähne. Da gibt es unterschiedliche Instrumente und wir schauen uns alle an.

    Also auch ein Parteienverbot?
    LANG: Die AfD ist eine Gefahr für unsere Demokratie. Gleichzeitig ist klar, dass es sehr hohe Hürden für ein Verbotsverfahren gibt. Entsprechend müsste ein Verfahren gut vorbereitet sein und die Argumente sowohl für als auch gegen ein Verbot gewissenhaft abgewogen werden.

    Zur Person

    Ricarda Lang, steht seit gut zwei Jahren steht gemeinsam mit Omid Nouripour an der Spitze der Grünen. Die 30-Jährige wuchs im schwäbischen Nürtingen auf. Die soziale Gerechtigkeit gilt neben der Klimapolitik als politischer Schwerpunkt der Bundestagsabgeordneten.

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