Herr Söder, sind Sie froh, dass das Spektakel um den G7-Gipfel in den bayerischen Bergen vorbei ist?
Markus Söder: Wir sind froh, dass alles gut gelaufen ist. Bayern hat sich von seiner besten Seite gezeigt. Ich sage aber auch, jetzt reicht es auch mit den Gipfeln in Bayern. Wir brauchen nicht jedes Mal einen G7-Gipfel bei uns. Denn es ist schon eine hohe Belastung für die Bevölkerung vor Ort und kostet eine Menge Geld.
Wer das bezahlt, soll noch gar nicht abschließend geklärt sein.
Söder: Wir ringen mit dem Bund noch um die endgültige Finanzierung. Die bisherigen Zusagen sind noch zu wenig. Im Übrigen haben wir uns ja nicht um die Ausrichtung beworben, sondern eine Bitte des Bundes erfüllt. Es ging da weniger um eine Nettigkeit, sondern eher eine Notwendigkeit. Der Bund musste das Treffen innerhalb eines halben Jahres organisieren. Und es ist bekannt, dass Bayern Gipfel und Sicherheit kann.
Vor sieben Jahren wurden die Kosten geteilt. Für dieses Mal forderte der bayerische Innenminister, dass der Bund alles übernehmen soll. Hat das vielleicht damit zu tun, dass die Union in Berlin nicht mehr regiert?
Söder: Es gibt eine Bereitschaft bei Bundeskanzler Olaf Scholz, den Verpflichtungen nachzukommen. Beim Bundesfinanzminister ist das bisher nicht so ausgeprägt. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir das im Nachgang noch regeln können, sonst bliebe ein bitterer Nachgeschmack. Der Kanzler war wohl sehr zufrieden mit dem Gipfel, daher sind wir optimistisch.
Er trägt es Ihnen also nicht nach, dass Sie ihn auf dem CSU-Willkommensplakat neben den sechs anderen Staats- und Regierungschefs „vergessen“ haben?
Söder: Wir haben uns darüber ausgetauscht und es gleich eingeschätzt. Das Ganze scheint an den Haaren herbeigezogen. Als Kanzler ist Olaf Scholz Gastgeber des Treffens. Bayern ist Teil Deutschlands. Insofern kann man ihn da schlecht als ausländischen Gast begrüßen. Wahrscheinlich hatten die Journalisten im Medienzentrum noch nicht viel zu tun. Da werden dann halt solche Randgeschichten hochgezogen. Das ist Gipfelgezwitscher, mehr nicht.
Spott gab es auch wegen der bayerischen Folklore, die als provinziell empfunden wurde …
Söder: Tradition, Trachten, Gebirgsschützen und Blasmusik gehören einfach zu Bayern dazu. Die Leute kommen von nah und fern aufs Oktoberfest – und fast alle in Tracht. Warum? Weil sie in Bayern dabei sein wollen. Wäre der G7-Gipfel in Hamburg, würde wahrscheinlich ein Shantychor Seemannslieder oder in Dortmund der Bergmannschor singen. Ich finde es ziemlich provinziell, so etwas zu kritisieren. Bayern ist eines der schönsten und begehrtesten Länder der Welt. Ein Grund dafür sind unser Brauchtum und unsere Tradition. Ich fand, die Gebirgsschützen, Trachtler und Blaskapellen haben uns großartig repräsentiert. Ich bin dankbar und stolz für ihr ehrenamtliches Engagement. Ob Joe Biden, Emmanuel Macron oder Narendra Modi – allen hat es gefallen, nur einige aus Berlin haben genörgelt.
Sie sagen, der Kanzler sei mit dem Gipfel sehr zufrieden. Wie steht es denn sonst mit Ihrem Verhältnis zu Scholz?
Söder: Wir kennen uns schon lange Jahre aus der gemeinsamen Zeit im Koalitionsausschuss der früheren Bundesregierung. Er ist ein nüchterner Mann, mit dem man sachlich diskutieren kann. Wir stehen in SMS-Kontakt und haben ein vernünftiges Arbeitsverhältnis.
Trotzdem gibt es, seit die neue Bundesregierung im Amt ist, ein Dauerfeuer aus München. Die neue Bundesregierung wird sogar für Dinge kritisiert, die die alte Bundesregierung zu verantworten hat. Was versprechen Sie sich davon?
Söder: Die Staatsregierung ist nicht Opposition in Berlin, sondern für Bayern da. Wir erheben unsere Stimme nur, wenn es um bayerische Anliegen und Sorgen geht. Eine Opposition braucht es auch fast gar nicht, weil die Ampel-Parteien ja untereinander mittlerweile über fast alles streiten. Jüngstes Beispiel dafür ist der verfrühte Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor. SPD, Grüne und FDP befinden sich schon nach wenigen Monaten in einem Dauerkonflikt, wie es ihn in der Großen Koalition erst nach drei Jahren gab. Wir kümmern uns um Bayern. Uns macht aber zunehmend Sorgen, dass die Ampel nur norddeutsch denkt. Es gibt eine Reihe von Anzeichen, dass die Berliner Koalition eine bewusste Umverteilung des Wohlstandes zulasten des Südens plant. Die Ampel-Parteien in Bayern sind leider viel zu schwach, um gegenzusteuern.
Gibt es konkrete Beispiele dafür?
Söder: Es ist ein klares Signal, dass es keine Bundesminister von SPD, Grünen oder FDP aus Bayern gibt. So wurde München als Standort für das Deutsche Mobilitätszentrum kurzerhand gestrichen, ebenso die Stationierung des großen Militärfliegers A400M in Lagerlechfeld. Verkehrsprojekte wie der Donau-Ausbau stehen plötzlich auf der Kippe und auch die Sicherung der Gasversorgung Bayerns, die in der Hauptsache über einen Gasspeicher in Österreich organisiert werden muss, wird vom Bund völlig nachrangig behandelt. Es wächst bei uns ein durch Fakten hinterlegtes Grundgefühl, dass die Ampel den Wohlstand in Deutschland neu verteilen will. Der neue Chef der Bundesnetzagentur – ein früherer Minister der Grünen – hat dies bei einem Forum durch die Blume deutlich gesagt. Das werden wir nicht zulassen. Geht es um Bayern, muss die Bundesregierung mit einer entschlossenen Staatsregierung und CSU rechnen.
Trifft es zu, dass Sie Ihren Ministerinnen und Ministern ausdrücklich den Auftrag gegeben haben, bei jeder Gelegenheit Berlin ins Visier zu nehmen?
Söder: Bayerische Ministerinnen und Minister müssen fachlich auf Augenhöhe mit Bundesministern auftreten können. Das ist der Anspruch, den Bayern immer hat. Wir sind das größte Land mit der stärksten Wirtschaft und den meisten Industriearbeitsplätzen in Deutschland. Und wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz, zum Beispiel in Augsburg bei Premium Aerotech.
Die Union hat 16 Jahre regiert. Und auch wenn der Krieg in der Ukraine nicht vorhersehbar war – die aktuelle Energiekrise ist auch der Tatsache geschuldet, dass man sich in Abhängigkeit von Russland begeben hat. Da klingt es seltsam, alle Schuld der grünen Energiepolitik zuzuschieben.
Söder: Keine Frage, es sind schwere Entscheidungen, die sich auch durch veränderte Rahmenbedingungen ergeben haben. Aber wer regiert, muss die Verantwortung wahrnehmen. Die entscheidende Frage ist nicht, was war, sondern wie man mit einer neuen Herausforderung umgeht. Und da sind die Widersprüche in der Politik der Bundesregierung offenkundig.
Welche sind das?
Söder: Sie liegen darin, dass man den selbst gewählten Anspruch nicht erfüllt, alles zu tun, um diese Energiekrise abzuwenden. Es passt nicht zusammen, wenn man sagt, dass man jetzt jede Energie braucht, die man hat, und dann auf die Kernkraft verzichtet, um zumindest für den kommenden Winter die Stromlücke zu schließen. Es ist ein Widerspruch, für erneuerbare Energien zu werben und gleichzeitig der Wasserkraft den Hahn abzudrehen, nur weil sie einem nicht gefällt. Neun-Euro-Ticket im Sommer, obwohl man weiß, dass die Menschen im Herbst und Winter Unterstützung brauchen. Zuschüsse für Energiekosten, aber nicht für Rentnerinnen und Rentner, die auch kochen und heizen müssen. 300 Milliarden Euro neue Schulden und 10.000 zusätzliche Stellen für die Bundesregierung, obwohl das zusätzlich die Inflation anheizt.
Was leistet denn Bayern, um der Energiekrise zu begegnen und den Umstieg auf erneuerbare Energien zu fördern?
Söder: Wir haben diese Woche ein Konzept verabschiedet, mit dem wir erneuerbaren Energien den größtmöglichen Schwung geben – und zwar sowohl bei Photovoltaik als auch bei Wind. Wir glauben, dass wir mit den Maßnahmen, die wir jetzt beschlossen haben, bis 2030 bei der Windenergie an Land eines der führenden Länder in Deutschland sein können – und zwar im größtmöglichen Einvernehmen mit den Bürgern und nicht gegen sie. Bayern ist heute schon Nummer eins bei den erneuerbaren Heimatenergien, das wollen wir ausbauen mit dem Ziel, unseren Strombedarf auf Dauer selbst decken zu können. Allerdings geht das nicht über Nacht, weil die Ampel entgegen den Zusagen die Genehmigungsverfahren immer noch nicht nachhaltig verkürzt hat.
Sie haben auch die soziale Frage angesprochen, die sich aus der Krise ergibt. Was ließe sich da besser machen?
Söder: Die Ampel hat die Normalverdiener aus dem Blick verloren. Die explodierenden Preise bei Energie und Nahrungsmitteln können sich viele nicht mehr leisten. Es muss endlich zielgerichtet entlastet werden. Österreich macht uns das vor. Weil man Steuern senkt, statt Zuschüsse zu geben, deren Wirkung schnell verpufft. Dem Bund und den Ländern, die gezwungen werden, all das zur Hälfte mitzufinanzieren, ohne mitentscheiden zu dürfen, gehen dadurch wichtige Mittel für die Bürgerinnen und Bürger verloren. Allein das bewusste Ausgrenzen der Rentnerinnen und Rentner versteht niemand. Auch, warum man nicht endlich die Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel senkt. Und bitte nicht wie die Grünen nur auf Brokkoli, Blumenkohl und weiteres Gemüse, sondern auch auf Fleisch und Milch.
Zu den genannten Problemen kommt möglicherweise erneut Corona hinzu. Sind wir für den Herbst gerüstet?
Söder: Da stellen sich zwei Fragen: Wie gefährlich wird es? Und was will die Bundesregierung? Dass die Zahlen steigen werden, ist klar. Aber das bedeutet noch nicht automatisch, dass die Lage sich wieder ändert. Mich besorgt die fehlende Strategie der Bundesregierung. Wenn Bundesjustizminister Marco Buschmann ernsthaft behauptet, man müsse erst den wissenschaftlichen Nachweis erbringen, dass eine Maske schützende Wirkung hat, dann ist das ungefähr genauso, als würde man behaupten, wir müssen jetzt erst mal klären, ob ein Regenschirm gegen Regen schützt. Was für ein Hohn gegenüber Ärzten und Pflegekräften, die sich seit Jahren verantwortungsbewusst zeigen und Masken tragen! Wir erwarten jetzt vom Bund einen Vorschlag für den Herbst.
Was ist Ihr Vorschlag?
Söder: Wir haben im Prinzip drei Instrumente, die immer gut helfen können. Das sind Masken, Tests und das Impfen. Damit können wir durch den Winter kommen. Wir sollten alles vermeiden, was über diese Maßnahmen hinausgeht. Zum Glück haben wir einen hervorragenden Gesundheitsminister, Klaus Holetschek.