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Interview: "Wer in einem Kalifat leben möchte, kann ein One-Way-Flugticket nach Afghanistan bekommen"

Interview

"Wer in einem Kalifat leben möchte, kann ein One-Way-Flugticket nach Afghanistan bekommen"

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    Jens Spahn, CDU Präsidiumsmitglied und ehemaliger Gesundheitsminister, fordert im Gespräch engagierte Wirtschaftsreformen und warnt vor der Ausbreitung eines radikalen Islam in Deutschland.
    Jens Spahn, CDU Präsidiumsmitglied und ehemaliger Gesundheitsminister, fordert im Gespräch engagierte Wirtschaftsreformen und warnt vor der Ausbreitung eines radikalen Islam in Deutschland. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Herr Spahn, auf Ihrer Internetseite werden Neugierige mit dem Slogan „Sicherheit in neuen Zeiten“ begrüßt. Wir arbeiten das jetzt mal durch und fangen mit der Wirtschaft an. Deren Lage ist schwierig, das Potenzialwachstum Deutschlands ist auf 0,5 Prozent gesunken. Was muss passieren, damit die einzige Sicherheit nicht darin besteht, dass es noch weiter abwärts geht?

    Jens Spahn: Wir brauchen eine Wirtschaftswende, eine gänzlich andere Wirtschaftspolitik. Dafür bräuchten wir erst mal eine Bundesregierung, die überhaupt versteht, was los ist. Der Kanzler leugnet systematisch die Realität. Er redet die Dinge schön. Das ist unterlassene Hilfeleistung angesichts der Lage, in der das Land ist. Was wir brauchen, sind im Grunde genommen die Klassiker, um den Standort Deutschland attraktiver zu machen: Steuern runter, Energiekosten runter, Bürokratie abbauen – und vor allem wieder Verlässlichkeit in die Politik bringen. Deutschland ist so unsicher für Investitionen aus dem Ausland wie das Vereinigte Königreich direkt nach dem Brexit.

    Weil Sie das Stichwort jetzt genannt haben: Die FDP hat auf ihrem Parteitag gerade einen Zwölf-Punkte-Plan für eine Wirtschaftswende beschlossen ...

    Spahn: Na ja, das Stichwort kam zuerst von uns.

    Zuletzt lief die Wirtschaft etwas bessser als erwartet. Im ersten Quartal erreichte Deutschland ein Mini-Wachstum. Die strukturellen Probleme bleiben aber groß.
    Zuletzt lief die Wirtschaft etwas bessser als erwartet. Im ersten Quartal erreichte Deutschland ein Mini-Wachstum. Die strukturellen Probleme bleiben aber groß. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Wann denn?

    Spahn: Auf Verlangen unserer Fraktion fand beispielsweise im November eine Aktuelle Stunde zum Thema „Wirtschaftswende jetzt“ statt. Wir freuen uns, dass die FDP unseren Begriff übernommen hat. Und sie hat ja inhaltlich auch recht. Es wäre nur gut, wenn die Liberalen endlich Schlussfolgerungen ziehen würden. Mit dieser Ampel wird das, was nötig ist, nicht zu schaffen sein. Die FDP hat sich zum Parteitag ordentlich aufgeplustert. Ich erwarte jetzt, dass dem Taten folgen. Oder Konsequenzen.

    Sicherheit kostet, das merken wir gerade besonders an den gestiegenen Militärausgaben. Das Sondervermögen für die Bundeswehr ist verplant, in der SPD denken einige bereits über ein weiteres Sondervermögen für die innere und äußere Sicherheit nach. Gehen Sie da mit?

    Spahn: Müssen wir mehr für Sicherheit ausgeben, gerade auch für die äußere Sicherheit? Ja, ausdrücklich! Ich gehöre übrigens zu denjenigen, die Olaf Scholz bei seiner Zeitenwende-Rede im Februar 2022 stehend applaudiert haben. Leider hat der Kanzler schon ab dem Montag danach die Flughöhe seiner Rede nicht mehr gehalten und trickst seitdem rum. Wenn er sagt, die Priorität liege in der äußeren Sicherheit und der Verteidigungsfähigkeit des Landes, dann kann man nicht gleichzeitig das Bürgergeld erhöhen, milliardenschwere Heizungsgesetze und eine neue Kindergrundsicherung einführen. Das geht dann eben nicht, dann müssen Prioritäten gesetzt werden.

    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat das Nein von Kanzler Olaf Scholz zur Lieferung von Taurus-Raketen an die Ukraine öffentlich unterstützt. Ist das nur ein Beitrag zur Sicherheitslage oder schon Wahlkampfhilfe für die SPD?

    Spahn: Ich empfand das als sehr grenzwertig. Frank-Walter Steinmeier hat als ehemaliger Außenminister selbst das eine oder andere aufzuarbeiten, in der SPD gibt es bis heute eine Russland-Connection. Da braucht es keine Aussagen über „Kaliber-Experten“. Das Problem ist, dass die SPD immer noch Putins Narrativ auf den Leim geht und dieses in die innerdeutsche Debatte immer wieder einführt. Das halte ich für falsch. Wenn wir sagen, dass wir der tapferen Ukraine alles zur Verfügung stellen, was sie zu ihrer und unserer Verteidigung braucht, dann sollten wir das auch tun.

    Am Wochenende demonstrierten über 1000 Islamisten in Hamburg. Spahn sieht einen reaktionören Islam auf dem Vormarsch und wirft der politischen Linken eine falsche Toleranz vor.
    Am Wochenende demonstrierten über 1000 Islamisten in Hamburg. Spahn sieht einen reaktionören Islam auf dem Vormarsch und wirft der politischen Linken eine falsche Toleranz vor. Foto: Axel Heimken, dpa

    Kommen wir zur inneren Sicherheit. In Hamburg gehen etwa 1000 Menschen auf die Straße, schreien herum und wettern gegen ein Grundgesetz, das viele von ihnen vermutlich nie gelesen haben. Die deutsche Politik reagiert hektisch und demonstrativ besorgt. Wäre es nicht besser, diese Schreihälse einfach zu ignorieren? Oder ist unsere Sicherheit hier tatsächlich bedroht?

    Spahn: Unsere Sicherheit wird nicht von einer einzigen Demo bedroht. Die Gefährdung geht aber von einer grundsätzlichen Entwicklung aus, und da kommt Hamburg ins Spiel. In unserem Land macht sich ein fundamentaler, auch ein reaktionärer Islam immer breiter. Die Debatte darüber haben wir viel zu lange gar nicht oder allenfalls zu verdruckst geführt.

    Dann mal Klartext jetzt.

    Spahn: Man muss klipp und klar sagen, dass auslandsfinanzierte Moscheegemeinden, von denen in zu vielen jeden Freitag gegen die freie Gesellschaft, gegen Pluralität, gegen angeblich Ungläubige, gegen die Gleichberechtigung von Mann und Frau, gegen Juden gepredigt wird, inakzeptabel sind. Die Verantwortlichen werden immer dreister, sie fordern unseren Staat mittlerweile ganz offen heraus und testen, wie weit sie gehen können. Dazu motiviert sie auch eine falsch verstandene Toleranz von links. Wenn wir noch ein paar Jahre so weitermachen und das nicht mit offenem Visier angehen, wird es noch ein ganz böses Erwachen geben. Wer in einem Kalifat leben möchte, kann ein One-Way-Flugticket nach Afghanistan oder in den Iran bekommen. Oder eben die volle Härte des Rechtsstaats. Das sind wir nicht zuletzt den Millionen liberalen Muslimen in Deutschland und Europa schuldig. 

    Was meinen Sie damit?

    Spahn: Es geht nicht nur um die innere Sicherheit, sondern auch um gesellschaftliche Stabilität. Wir haben als CDU in unserem neuen Grundsatzprogramm das Bedürfnis nach kultureller Sicherheit in sich wandelnden Zeiten ausdrücklich verankert. Sie ist mehr denn je durch Teile eines reaktionären Islams bedroht, der sich hier bei uns breitmacht. Und es möge mir bitte keiner mit dem Vergleich zu anderen Religionen kommen. Protestantische Selbstmordattentäter, katholische Hassprediger oder hinduistische Ehrenmorde sind offenkundig nicht das Problem unserer Zeit. Wir haben es hier mit der religiös-kulturellen Ausprägung exakt einer Religion zu tun, bei der wir ein gesellschaftliches Problem haben, an fast jeder Schule, in vielen Stadtteilen, im ganzen Land. Wir brauchen eigentlich einen Masterplan hin zu einem Islam, der wirklich zu Deutschland gehören kann und will. Den sollten wir gemeinsam mit den vielen Verbänden und Vertretern des Islams erarbeiten, die mit uns die Zukunft Deutschlands gestalten wollen. Es reicht jedenfalls nicht, einfach mal ein Zitat hinzuwerfen, wie es der Kanzler oder Innenministerin Nancy Faeser mit Blick auf die Vorfälle in Hamburg mal wieder getan haben.

    Im neuen Grundsatzprogramm der CDU heißt es unter anderem: „Nur wer sich zu unserer Leitkultur bekennt, kann sich integrieren und deutscher Staatsbürger werden.“ Sie schreiben auf Ihrer Homepage: „Wir nehmen die Menschen so, wie sie sind und wollen sie nicht verändern oder erziehen.“ Ist das ein Widerspruch?

    Spahn: Wir nehmen nicht den idealen Menschen als Ausgangspunkt. Wir nehmen den Menschen, wie er ist. Aber wer sich bewusst entscheidet, sich hier nicht integrieren zu wollen oder unsere Sprache nicht zu lernen, der kann halt nicht deutscher Staatsbürger werden. In den beiden Aussagen sehe ich keinen Widerspruch.

    CDU-Chef Friedrich Merz mit seiner Frau Charlotte. Spahn rechnet mit viel Unterstützung für Merz auf den am Montag beginnenden CDU-Parteitag.
    CDU-Chef Friedrich Merz mit seiner Frau Charlotte. Spahn rechnet mit viel Unterstützung für Merz auf den am Montag beginnenden CDU-Parteitag. Foto: Monika Skolimowska, dpa

    Das Grundsatzprogramm wird auf dem am Montag beginnenden CDU-Parteitag beschlossen, der auch ein Wahlparteitag ist. Wenn der Vorsitzende Friedrich Merz ein gutes Ergebnis bekommt, ist er dann mit Sicherheit auch der neue Kanzlerkandidat der Union?

    Spahn: Friedrich Merz wird viel Rückenwind und ein gutes Ergebnis bekommen. Er hat die Partei aus dem Tal einer schweren Wahlniederlage geführt und sie wieder zur stärksten politischen Kraft in Deutschland gemacht. Damit ist er ein erfolgreicher CDU-Bundesvorsitzender und die wiederum sind per se natürliche Kandidaten für Kanzlerkandidaturen. Vor diesem Hintergrund werden uns Markus Söder und Friedrich Merz zur gegebenen Zeit einen Vorschlag machen.

    Es gibt da unterschiedliche Lesarten, was den Zeitpunkt angeht. Herr Merz hat den Spätsommer genannt. Ist das nach der Europawahl im Juni oder nach den Landtagswahlen im Osten?

    Spahn: Der Spätsommer ist, wenn mich nicht alles täuscht, spätestens Ende September vorbei.

    Zur Person: Der 43-jährige Jens Spahn ist trotz seines für die Politik noch vergleichsweise jungen Alters sehr erfahren. Seit über 20 Jahren sitzt der Münsterländer für die CDU im Bundestag. Unter dem kürzlich verstorbenen Partei-Granden Wolfgang Schäuble war er Staatssekretär im Finanzministerium, während der Coronapandemie kämpfte er als Gesundheitsminister an prominenter Stelle gegen die Seuche. Seit dem Gang in die Opposition tritt er als lautstarker Kritiker der Ampelkoalition in Erscheinung. Spahn lebt mit seinem Ehemann in Berlin. 

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