Die Krankenhausreform kann nach einem knappen Abstimmungskrimi im Bundesrat nun Gesetz werden. Wie wird die Union mit dem jetzt beschlossenen Gesetz umgehen, sollten sie die Bundestagswahl gewinnen?
Tino Sorge: Die Reform ist ein unfertiges Gesetz mit völlig ungewissen Auswirkungen. Wir werden sie nach der Regierungsübernahme schnell korrigieren und verbessern müssen. Bis die Reform in einigen Jahren wirkt, werden viele weitere Kliniken in wirtschaftliche Not geraten. Darum hatten wir als Union immer ein Vorschaltgesetz mit Hilfen für die Übergangsphase gefordert. Darüber wird nach den Neuwahlen zügig zu sprechen sein.
Auch viele SPD-Länder fordern Ausnahmeregelungen, um die Versorgung in ländlichen Regionen nicht zu gefährden. Würde die Union im Bund eine solche Generalklausel durchsetzen?
Sorge: Solche Forderungen quer durch alle Parteien zeigen, wie beharrlich die Ampel die Kritik der Länder verharmlost und fachliche Bedenken ignoriert hat. Von Anfang an war es ein Fehler, in starren Schablonen zu denken. So funktioniert Politik und unser Gesundheitswesen nicht. Jede Region ist anders, darum braucht es selbstverständlich Ausnahmeregelungen und ein vernünftiges Maß an Beinfreiheit für die Länder. Dafür werden wir uns nach dem Regierungswechsel einsetzen.
Wo sehen Sie den größten Nachbesserungsbedarf?
Sorge: Mein Anspruch ist, dass die nächste unionsgeführte Bundesregierung zurückkehrt zu einem konstruktiven föderalen Miteinander mit den Ländern – die sind für die Krankenhausplanung schließlich zuständig. Im nächsten Jahr werden regionale Ausnahmeregelungen ein zentrales Thema werden. Auf Augenhöhe mit Ländern und Kommunen werden wir auch über kurzfristige Brückenfinanzierungen für akut gefährdete Häuser sprechen müssen, die nach der Reform vor Ort unverzichtbar bleiben.
Die Krankenkassen drohen mit Klagen, dass Beschäftigte und Arbeitgeber allein auf Bundesseite für die Reformkosten aufkommen sollen. Wie steht die Union dazu?
Sorge: Auch die Finanzierung des Transformationsfonds werden wir überprüfen müssen. Es ist ganz und gar nicht die Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, 25 Milliarden Euro an Beitragsgeldern zuzuschießen. Man muss sich nur einmal das Chaos vorstellen, sollte eine der angekündigten Klagen in einigen Jahren Erfolg haben. Dann wäre die gesamte Finanzierung der Reform plötzlich hinfällig – nur, weil die Ampel die verfassungsrechtlichen Zweifel damals ignoriert hat.
Die meisten Kliniken halten die Reform für eine Mogelpackung: Statt fürs Vorhalten von Personal und Betten für Notfälle, würden sie auch in Zukunft nur nach der Zahl der behandelten Fälle finanziert. Ist eine erhoffte Entökonomisierung überhaupt machbar?
Sorge: Nach der jetzigen Konzeption werden die Fallzahlen früherer Jahre faktisch eine wichtige Rolle spielen. Das Problem wirtschaftlicher Fehlanreize wird also fortbestehen, das Hamsterrad wird sich weiterdrehen, hoffentlich zumindest langsamer. Auf der anderen Seite wäre es ein völliger Trugschluss, zu behaupten, ökonomisches Denken ließe sich aus der Krankenhauslandschaft verbannen. Gesundheitsversorgung ist und bleibt ein Bereich, in dem es immer auch um das Wirtschaften unter Bedingungen der Knappheit gehen wird. Ich sehe unsere Aufgabe als Politik darin, die wirtschaftlichen Notwendigkeiten mit der unverzichtbaren Daseinsvorsorge in Einklang zu bringen. Spitzenpersonal, moderne Geräte und neueste Medikamente wird es niemals geben, ohne ökonomisch zu planen und zu handeln. In Zukunft werden wir aber bessere Warnsysteme entwickeln müssen, um Bereiche zu identifizieren, in denen Hamsterrad-Effekte auftreten.
Zuletzt soll in Regierungskreisen die Rede von 500 bis 700 Kliniken gewesen sein, die zugunsten anderer Angebote wegfallen sollen. Was halten Sie von dieser Zahl?
Sorge: Bis heute kann oder will niemand beziffern, wie viele Häuser es nach der Reform geben wird. Das ist ein kapitales Versäumnis der Ampel. Statt mit einer Bedarfsanalyse für jede Region zu beginnen und eine landkreisgenaue Auswirkungsprognose zum Gesetz vorzulegen, hat sie die Reform im Blindflug beschlossen. Niemand aus der scheidenden Bundesregierung hatte im Vorfeld den Mut, öffentlich über konkrete Folgen der Reform zu sprechen: Schließungen von Häusern und Abteilungen, Kürzungen und Umwandlungen. Erst kurz vor der entscheidenden Abstimmung im Bundestag gab Minister Lauterbach dann auf meine Nachfrage zu: Er hatte die Simulation zur Prognose der Reformfolgen unter Verschluss gehalten, um sie heimlich einigen wenigen Kollegen aus der Ampel vorzustellen. Das ist und bleibt ein Skandal, auch im Hinblick auf parlamentarische Gepflogenheiten.
Wie bewerten Sie den turbulenten Verlauf der Abstimmung im Bundesrat? Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke feuerte sogar in der Sitzung seine Gesundheitsministerin …
Sorge: Wenn ein SPD-Ministerpräsident eine grüne Ministerin entlässt, um das Paradeprojekt eines SPD-Bundesministers zu stoppen, ist das schon ein denkwürdiger Vorgang. Episoden wie diese sind sinnbildlich für die völlig verfahrenen Beratungen der letzten zwei Jahre. Vor allem zeigen sie, wie erbittert die Kritik an der Reform auch von SPD-Seite ist. Zwei Jahre lang hat Karl Lauterbach unsere Bedenken als parteipolitische Manöver der Union dargestellt. Dabei gab es gegen seine Reformpläne zeitweise ein parteiübergreifendes 16-zu-Null-Votum von den Gesundheitsministern aller Länder.
NRW-Minister Karl-Josef Laumann wollte die Reform noch vor der Wahl im Vermittlungsausschuss nachbessern, doch auch aus der Fraktion der Union kamen kompromisslose Stimmen. Hätten Sie die Reform lieber von Grund auf neu angepackt?
Sorge: Mein Anspruch für die kommende Legislatur ist, dass wir als Union konstruktiv bleiben. Natürlich ist der Frust bei vielen groß, viele Stimmen haben einen Neustart gefordert. Der würde den Kliniken auf die Schnelle aber auch nichts bringen. Keinem einzigen Patienten, keiner Ärztin und keiner Pflegekraft ist geholfen, wenn der Reformprozess nochmals für zwei Jahre stagniert und weiterhin niemand weiß, ob die eigene Klinik eine Perspektive hat. Wir müssen jetzt vorankommen und aus einer schwierigen Lage das Beste machen. Das erfordert einen neuen Pragmatismus, mehr Gesprächsbereitschaft und mehr Vertrauen des Bundes in die Länder, als wir in den letzten zwei Jahren beobachtet haben.
Wie geht es nun weiter?
Sorge: Wir haben keine Zeit zu verlieren. In diesen Tagen besprechen wir als Union unsere Prioritäten der nächsten Legislatur. Im Gesundheitsbereich steht die Krankenhauslandschaft weit oben. Seitdem die Ampel geplatzt ist, steht fest: Es wird ganz maßgeblich an uns liegen, den Reformprozess zurück zu Sachlichkeit und einem konstruktiven Miteinander zu befördern. Ich persönlich halte es für gut möglich, dass uns das gelingen wird. Denn es gab nie einen Dissens über die Notwendigkeit dieser Reform, auch nicht mit den Kolleginnen und Kollegen der SPD, Grünen oder FDP. Nur über die Art und Weise konnte und kann man trefflich streiten. Ohne den Streit um die besten Ideen geht es nicht.
Können Sie sich vorstellen, dass der Gesundheitsminister in der nächsten Bundesregierung wieder Karl Lauterbach heißen wird?
Sorge: In der Gesundheitspolitik brauchen wir einen Stil- und Politikwechsel. Das Ressort gehört wieder in die Hände der Union. Ich freue mich, dass es dazu nun schneller kommen könnte als erwartet.
Zur Person: Tino Sorge, 49, ist seit 2021 Gesundheitsexperte der Bundestagsfraktion der Union. Der CDU-Politiker aus Sachsen-Anhalt vertritt seit 2013 den Bundestagswahlkreis Magdeburg.
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