Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Hintergrund: Wie die Bürger Schäubles Kasse füllen

Hintergrund

Wie die Bürger Schäubles Kasse füllen

    • |
    CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble: „Jeder, der sich nur ein bisschen in der Steuerpolitik auskennt, weiß, dass wir hier ein Problem haben.“
    CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble: „Jeder, der sich nur ein bisschen in der Steuerpolitik auskennt, weiß, dass wir hier ein Problem haben.“ Foto: T. Schwarz, afp

    Es kommt wohl selten vor, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble eine Aussage des Finanzexperten der Linken voll unterschreiben könnte: „Derzeit fallen zu viele Steuerpflichtige unter den Spitzensteuersatz von aktuell 42 Prozent“, hatte der Linken-Finanzexperte Axel Troost diese Woche kritisiert. CDU-Minister Schäuble nahm die von Troost neu angestoßene Debatte auf, als er gestern die Prognose über die künftigen Steuereinnahmen präsentierte: „Der

    Tatsächlich rechnete Schäubles Finanzministerium diese Woche als Antwort auf eine Anfrage des Linken Troost vor, dass derzeit 2,7 Millionen Privathaushalte in der Bundesrepublik unter den Spitzensteuersatz fallen. Im Jahr 2004 waren es nicht einmal halb so viele, als der Satz noch bei 45 Prozent lag. Von vielen Seiten wird kritisiert, dass inzwischen schon Facharbeiter den gleichen Spitzensteuersatz wie ihr Chef zahlen müssen. Erst ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 256000 Euro greift die sogenannte „Reichensteuer“. Dann gelten die alten 45 Prozent Spitzensteuersatz; der Solidarzuschlag kommt noch obendrauf.

    „Jeder, der sich nur ein bisschen in der Steuerpolitik auskennt, weiß, dass wir hier ein Problem haben“, sagt Schäuble. Zwischen 10000 und 53000 Euro steigen die Steuersätze zwischen 16 und 41 Prozent laut Schäuble zu schnell und zu steil an: Praktisch heißt das, mit wenigen hundert Euro mehr Gehalt im Monat steigt vor allem bei Arbeitnehmern mit unteren und mittleren Einkommen die Steuerbelastung spürbar an. „Wir müssen die Steuerkurve strecken“, sagt Schäuble. „Eine maßvolle Entlastung der unteren und mittleren Einkommen ist möglich und sie ist angezeigt.“

    Auf genaue Zahlen und Entlastungsumfänge wollte sich der Finanzminister gestern trotz mehrfacher Nachfragen nicht festlegen. Bislang stellte Schäuble moderate Steuerentlastungen von allenfalls 15 Milliarden Euro pro Jahr in Aussicht. Das ist vielen in seiner Partei zu wenig. So sagt der Chef des CDU-Wirtschaftsflügels Carsten Linnemann: „Meiner Meinung nach wird es einen weit größeren Spielraum geben als die bislang in Rede stehenden 15 Milliarden Euro.“ So günstig wie jetzt „war die Zeit für stärkere Entlastungen und eine echte Steuerstrukturreform noch nie“. Es dürften am Ende „nicht nur zwei Cappuccino-Tassen übrig bleiben, sondern es muss echte Entlastungen für untere und mittlere Einkommen geben“. Bei Schäubles Pressekonferenz fiel auf, dass sich der Finanzminister diesmal nicht auf eine Zahl festlegen wollte, sondern auf das für Anfang Juli geplante Wahlprogramm von CDU und CSU verwies.

    Tatsächlich steigt der Spielraum für Entlastungen: Bund, Länder und Kommunen können bis zum Jahr 2021 mit 54 Milliarden Euro mehr an Steuereinnahmen rechnen, als noch im November vorhergesagt wurde, wie die neue Steuerschätzung ergab. Die Staatskasse profitiert von der guten Wirtschaftslage in Deutschland. „Erstmals seit Jahrzehnten steigen die Reallöhne, und auch die Renten steigen stärker, als Sozialpolitiker noch vor Jahren für denkbar hielten“, sagte Schäuble. Für die Lage am Arbeitsmarkt werde

    Schäuble erinnerte daran, dass er einst noch fünf Jahre gemeinsam mit Ludwig Erhard im Bundestag saß. Von ihm wisse er, dass es nicht nur soziale Gerechtigkeit brauche, sondern auch Wachstum, sagte der 75-Jährige. Der heute dienstälteste Bundestagsabgeordnete liebäugelt unüberhörbar auch nach der Bundestagswahl im Herbst mit dem Posten des Bundesfinanzministers. Denn mehrfach spricht er über die all die Dinge, die nach der Wahl auf dem Programm stehen: So könne „in der nächsten Legislatur die Steuersenkung folgen“, sagt Schäuble. Und nachdem Großbritannien und die USA bald einen Wettlauf um niedrige Unternehmenssteuern anzetteln, müsse man nicht nur an die Einkommensteuer ran.(mit dpa)

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden