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Krieg in Nahost: Die deutsche Iran-Politik ist ein Scherbenhaufen

Krieg in Nahost

Die deutsche Iran-Politik ist ein Scherbenhaufen

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    Dauerausstellung von im Iran produzierten Raketen und Satellitenträgern in einem Erholungsgebiet im Norden Teherans.
    Dauerausstellung von im Iran produzierten Raketen und Satellitenträgern in einem Erholungsgebiet im Norden Teherans. Foto: Vahid Salemi, AP/dpa

    Als Sigmar Gabriel 2016 Teheran besucht, zeigt ihm der Gastgeber die eiskalte Schulter: Irans einflussreicher Parlamentspräsident Ali Laridschani lässt seinen Termin mit dem deutschen Außenminister platzen, dem nichts anderes übrig bleibt, als die Zeit bis zum Abflug mit Museumsbesuchen totzuschlagen. Womit hat der SPD-Mann und Abgesandte von CDU-Kanzlerin Angela Merkel die Mullahs nur so in Rage gebracht? Vor seiner Abreise hatte Gabriel gesagt, freundschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und Iran könne es nicht geben, solange Iran das Existenzrecht Israels nicht anerkenne.

    Doch die Verstimmung wird nicht lange währen: Nach dem Abschluss des Abkommens, in dem sich der Iran verpflichtete, zunächst auf Atomwaffen zu verzichten, sollen unter anderem die USA und die EU ihre Wirtschaftssanktionen lockern. Zahlreiche deutsche Firmen hoffen, an die traditionell guten Geschäfte mit Teheran anknüpfen zu können. Die Träume werden gedämpft, als US-Präsident Trump das Abkommen 2018 einseitig aufkündigt. Der amerikanische Rückzieher hängt auch damit zusammen, dass Israel seinem Erzfeind Iran vorwirft, seine Atombombenpläne heimlich weiterzuverfolgen. 

    Wirtschaftsminister Gabriel reiste durch den Iran, um über mögliche, verbesserte Wirtschaftsbeziehungen zu sprechen.
    Wirtschaftsminister Gabriel reiste durch den Iran, um über mögliche, verbesserte Wirtschaftsbeziehungen zu sprechen. Foto: Michael Kappeler, dpa (Archivbild)

    Immer mehr Stimmen in der deutschen Politik fordern nun die konsequente Abkehr von der bisherigen, durch Zugeständnisse geprägten Iran-Politik. Volker Beck etwa, Grünen-Politiker und Präsident der Deutsch-Israelischen Gemeinschaft, sagte: "Die bisherige Iran-Politik der Bundesregierung der letzten Jahre ist komplett gescheitert." Das "Terrorregime von Teheran" müsse diplomatisch und wirtschaftlich isoliert werden, so Beck. Er verlangt von der Bundesregierung etwa das Verbot der "Blauen Moschee" des Islamischen Zentrums Hamburg, des "zentralen Spionagenests" des Iran, die Aufnahme der Iranischen Revolutionsgarden auf die EU-Terrorliste, die Ausweisung iranischer Diplomaten und schärfere Sanktionen gegen das Regime in Teheran. Michael Roth (SPD), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, forderte ein grundsätzliches Umdenken in der deutschen Iran-Politik. Der Iran sei die größte Bedrohung im Nahen Osten, destabilisiere und radikalisiere die ganze Region. 

    Ein Desaster wie bei Russland und China

    Nach der iranischen Attacke auf Israel ist endgültig klar, dass die deutsche Außenpolitik auch im Umgang mit dem Mullah-Regime krachend gescheitert ist. Wandel durch Handel, das funktioniert nicht, wie sich schon in der Beziehung zu Russland gezeigt hatte, das Profite aus den guten Geschäften mit der Bundesrepublik in die Aufrüstung seiner Armee gesteckt und dann völkerrechtswidrig die Ukraine überfallen hat.

    Iranisches Atomkraftwerk Buschehr: Gefahr für Israel?
    Iranisches Atomkraftwerk Buschehr: Gefahr für Israel? Foto: Abedin Taherkenareh, dpa (Archivbild)

    Auch China, wo Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gerade weilt, ist durch den engen wirtschaftlichen Austausch mit Ländern wie Deutschland nicht etwa demokratischer und offener geworden, sondern nur reicher, machthungriger und militärisch stärker. Die deutsche Industrie muss dagegen um den wichtigen Absatzmarkt China bangen und leidet unter der Konkurrenz der dortigen Unternehmen, die mit massiver staatlicher Unterstützung den Weltmarkt aufmischen. Dass Iran nun Hunderte Raketen und Kamikaze-Drohnen auf Deutschlands engen Verbündeten Israel abfeuerte, markiert den absoluten Tiefpunkt einer so alten wie wechselvollen Beziehung

    Soraya, Liebling der Regenbogenpresse

    1955 eröffnet die noch junge Bundesrepublik eine Botschaft in Teheran, wo damals Mohammad Reza Pahlavi herrscht. Die Leserschaft der deutschen Regenbogenpresse verfolgt gebannt die Liebesgeschichte um die in Berlin geborene Deutsch-Perserin Soraya und den Herrscher auf dem Pfauenthron, die in einem Drama endet: Weil der Verbindung nicht der erhoffte Thronfolger entspringt, trennt sich der Schah von ihr und heiratet Farah Diba. Dass der vermeintliche Märchenkönig seine Untertanen mithilfe des berüchtigten Geheimdiensts Savak brutal unterdrücken lässt, interessiert in Deutschland nur linke Studenten. Als Pahlavi 1967 West-Berlin besucht, haben seine Agenten zahlreiche Landsleute angeheuert, die dem Schah nicht nur frenetisch zujubeln, sondern gleichzeitig mit Knüppeln und Totschlägern friedliche Gegendemonstranten attackieren. Der Begriff "Jubelperser" ist geboren. Die deutsche Wirtschaft aber jubelt über märchenhafte Gewinne im Handel mit der ölreichen Monarchie.

    Der damalige iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad besichtigt die Atomanlage Natans im Jahr 2007.
    Der damalige iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad besichtigt die Atomanlage Natans im Jahr 2007. Foto: Iranisches Präsidentenbüro, EPA/dpa (Symbolbild)

    Aufseiten der deutschen Linken herrscht dagegen große Solidarität mit den verschiedenen Oppositionsbewegungen, die Pahlavi vorwerfen, die Bodenschätze des Landes an Amerikaner und Briten zu verschachern. Auch Reformen, die der Schah auf Druck des damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter durchführt, können das Aufbegehren des Volkes nicht mehr verhindern. Doch unter den revolutionären Kräften setzten sich die Anhänger des radikal-islamischen Ayatollahs Ruhollah Chomeini durch. Eine erste Hinrichtungswelle trifft die Schah-Anhänger, weitere die ehemaligen Mit-Oppositionellen aus dem gemäßigten und linken Lager. Israel und die USA, die Chomeini stets als den "großen Satan" bezeichnet, werden zu den Feindbildern des neuen schiitischen Gottesstaats. Mit der Besetzung der US-Botschaft in Teheran durch radikale Studenten kommen die Beziehungen zu Washington zum Erliegen. 

    Offene Kanäle zum brutalen Regime

    Deutschland dagegen versucht in den folgenden Jahrzehnten, die Kanäle zu den neuen Machthabern offenzuhalten. Konservative und wirtschaftsnahe Kreise tun dies mit Blick auf die traditionell guten Geschäftsbeziehungen. Das linke Lager, das die Machtübernahme der Mullahs als antikapitalistische Revolution gefeiert hatte, sieht bis heute bereitwillig darüber hinweg, dass Frauen im Iran brutal unterdrückt, mehr als 4000 Homosexuelle hingerichtet wurden, die Vernichtung Israels praktisch Staatsziel ist. Als im Iran ab 2022 Proteste von Frauen gegen das unterdrückerische Regime blutig niedergeschlagen werden, ist das Schweigen aufseiten der Linken und der Friedensbewegung in Deutschland auffällig. Doch jetzt wird überdeutlich, dass die Mullahs die Phasen der westlichen, auch deutschen Nachsichtigkeit vor allem dazu genutzt haben, ihr Arsenal mit jenen Drohnen und Raketen zu füllen, die sie am Wochenende gegen Israel einsetzten. 

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