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Haushalt: Wie lange kann sich Deutschland seine Haushaltspolitik noch leisten?

Haushalt

Wie lange kann sich Deutschland seine Haushaltspolitik noch leisten?

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    Der Schuldenberg Deutschlands ist auf mehr als zwei Billionen Euro angewachsen. Experten schlagen Alarm.
    Der Schuldenberg Deutschlands ist auf mehr als zwei Billionen Euro angewachsen. Experten schlagen Alarm. Foto: Jens Büttner, dpa (Symbolbild)

    Wenn an diesem Donnerstag die Europäische Zentralbank (EZB) an der Zinsschraube dreht, wird das auch in der Bundesregierung genau beobachtet werden. Denn mit den steigenden Zinsen bekommt auch die Diskussion um die zuletzt rapide gewachsenen – wenn auch zum Teil als "Sondervermögen" ausgewiesenen – Staatsschulden einen neuen Schub. Diese kosten den Fiskus deutlich mehr als während der vergangenen Niedrigzinsphase. Und die Aufwendungen für den Schuldendienst werden weiter steigen. Nach Berechnungen der DZ-Bank muss sich der Bund für 2023 auf rund 40 Milliarden Euro an Zinskosten einstellen. Im Vorjahr waren es mit 16 Milliarden Euro weniger als die Hälfte.

    Schuldenbremse im Grundgesetz – und doch wird sie nicht eingehalten

    Der Chefvolkswirt der DZ-Bank, Michael Holstein, warnt im Gespräch mit unserer Redaktion: "Wir haben die Schuldenbremse im Grundgesetz, sind aber weit davon entfernt, diese auch einhalten zu können, wenn wir keine Sondertöpfe anzapfen." Er sehe noch nicht, wie die diversen Ausgabenwünsche zumindest teilweise erfüllt werden sollen – ohne Steuererhöhungen. "Das ist schon eine sehr schwierige Situation." Zugleich gibt der Experte zu bedenken: "Steuererhöhungen sind die Ultima Ratio, ein aktuell falsches Signal, denn das Wachstum ist schwach, die Erholung hat noch nicht begonnen. Zugleich ist schwer abzusehen, wo gespart werden soll – angesichts dessen, was Zeiten- und Energiewende an Ausgaben verlangen." 

    Der Volkswirt ist nicht der Einzige, der mahnt. Der Präsident des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller, warnte angesichts eines enormen Schuldenbergs sogar vor einem Kontrollverlust. „Für stabile Bundesfinanzen bedarf es jetzt klarer, kluger und auch schmerzhafter Entscheidungen“, sagte er. Scheller äußerte sich in seiner Funktion als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (BWV) anlässlich der Aufstellung des Haushalts für 2024. Die Eckwerte hätten eigentlich an diesem Mittwoch von Finanzminister Christian Lindner vorgestellt werden sollen, doch der FDP-Politiker musste den Termin auf unbestimmte Zeit verschieben. Der Grund: Wohl noch nie war es so schwer, einen tragfähigen Haushalt aufzustellen. 

    Deutschland: Mehr als zwei Billionen Euro Schulden

    In über 70 Jahren Bundesrepublik habe der Bund Schulden von rund 1,3 Billionen Euro angehäuft, bilanzierte Scheller und ergänzte: „Dieser Schuldenberg wächst durch die Beschlüsse der letzten drei Jahre noch einmal um 60 Prozent auf mehr als 2,1 Billionen Euro massiv an.“ In Deutschland besteht demnach eine „ernsthafte Gefährdung“ der Tragfähigkeit der Bundesfinanzen und damit auch der staatlichen Handlungsfähigkeit. Schellers Einschätzung ist deutlich. Wenn ein Land seine Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen kann, wie es 2010 beispielsweise in Griechenland der Fall war, könnte als nächste Stufe die Staatspleite drohen. 

    Finanzminister Christian Lindner (FDP) sieht bei den Etatplänen noch Diskussionsbedarf.
    Finanzminister Christian Lindner (FDP) sieht bei den Etatplänen noch Diskussionsbedarf. Foto: Julian Weber, dpa

    In seinem aktuellen Monatsbericht zeichnet auch das Bundesfinanzministerium ein Krisenszenario. Lindners Experten verweisen darauf, dass sich die steigenden Zinsen „deutlich“ auf den Haushalt auswirken. „Die Zinsausgabenquote steigt im Jahr 2023 auf rund 8,4 Prozent und würde sich damit gegenüber dem Vorjahr (3,2 Prozent) mehr als verdoppeln“, warnen sie. Die steigenden Zinsausgaben schränkten die zukünftigen Haushaltsspielräume deutlich ein, die Politik sei zur konsequenten Priorisierung gezwungen. Mit anderen Worten: Es muss massiv gespart werden

    Pandemie und Ukraine-Krieg nicht allein schuld

    Die Lage ist nicht einzelnen Ereignissen wie der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg geschuldet. „Sie sind vielmehr auf strukturelle Ursachen zurückzuführen“, erklären die Beamten im Finanzministerium. Allein die Alterung werde immer höhere Aufwendungen verursachen. Die Einhaltung der Klimaziele sowie die Digitalisierung der Wirtschaft seien weitere Herausforderungen. Bisher ging es vor allem dank milliardenschwerer, über Kredite finanzierter Hilfspakete noch irgendwie gut. Doch die kann sich Deutschland schlichtweg nicht mehr leisten. „Auf Dauer ist es unmöglich, gestiegene Energiepreise oder ausgefallene Wertschöpfung über staatliche Verschuldung abzufedern“, heißt es in Lindners Ministerium.

    Derweil sanken die Energiepreise zuletzt. Nun wurden jedoch die letzten Atommeiler außer Betrieb genommen. Was bedeutet das für die Entwicklung?

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