Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Hass im Netz: Warum nicht nur Bundestagsvize Magwas die Politik verlässt

Hass im Netz

Warum nicht nur Bundestagsvize Magwas die Politik verlässt

    • |
    • |
    Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas (CDU) kandidiert 2025 nicht mehr für das Parlament. Ein Hauptgrund für den Rückzug der Sächsin waren Drohungen und Anfeindungen von rechts.
    Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas (CDU) kandidiert 2025 nicht mehr für das Parlament. Ein Hauptgrund für den Rückzug der Sächsin waren Drohungen und Anfeindungen von rechts. Foto: Sven Simon, Imago

    Auch schon vor dem Internetzeitalter gab es Drohungen und Beleidigungen gegen Politikerinnen und Politiker. Sie kamen meist per Telefon oder mit der Post. Heute werden die Anfeindungen, denen Bundespolitiker, aber auch ihre regional und lokal tätigen Kolleginnen und Kollegen ausgesetzt sind, in erster Linie online versendet – in einer alarmierend steigenden Zahl und in einem oft verstörend aggressiven und verletzenden Ton. Die direkt Betroffenen und deren Familien sind durch Hass und Hetze, durch die Angst vor oder die Erfahrung von Gewalt oft extremen Belastungen ausgesetzt. Nicht jeder will oder kann dies über längere Zeit verkraften.

    So wie Dirk Neubauer, Landrat des Kreises Mittelsachsen. Der parteilose Politiker erklärte am Dienstag nicht zuletzt wegen massiver Bedrohungen von rechts seinen Rücktritt. In einer persönlichen Stellungnahme schrieb er: „Ich bin seit Monaten konfrontiert mit einer persönlichen diffusen Bedrohungslage aus rechter Ecke, hauptsächlich Freie Sachsen und ähnliche.“ Auch wenn er persönlich an einem Punkt angekommen sei, wo er sage „es reicht“, gehe er nicht „in die Knie vor ein paar Krakeelern“.

    Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas ist es gewohnt, sich zu wehren

    Auch Yvonne Magwas ist es gewohnt, sich wehren zu müssen. Dies bekam der Vizesprecher der AfD-Fraktion, Stephan Brandner, im Februar dieses Jahres zu spüren, als die Bundestagsvizepräsidentin Strafanzeige gegen ihn stellte. Als „bemerkenswert dumme Vize-Präsidentin“ hatte Brandner die CDU-Politikerin auf der Plattform X bezeichnet. Magwas wollte ein „Zeichen setzen“ gegen „Hass und Hetze“, denen Frauen in der Politik nach ihrer Überzeugung noch deutlich stärker ausgesetzt sind. Vor wenigen Tagen jedoch hat die Soziologin aus dem sächsischen Vogtland ihren Rückzug aus der Politik mit einer in Teilen bitteren persönlichen Erklärung angekündigt.

    „Zur Wahrheit gehört auch, dass das gesellschaftliche Klima in den letzten Jahren erheblich rauer geworden ist, insbesondere in Sachsen.“ Betrieben werde das „vor allem von rechtsradikalen Feinden der Demokratie. Es wird gelogen, diskreditiert, gehetzt“, schreibt Magwas. Sie habe viel an Beleidigungen, Bedrohungen, aber leider auch viel Gleichgültigkeit erlebt, lässt die 44-Jährige, die seit 2013 im Bundestag sitzt, durchblicken, dass sie sich nicht immer ausreichend unterstützt gefühlt hat.

    Jetzt habe sie die schwere Entscheidung, bei der Bundestagswahl 2025 nicht mehr anzutreten, gemeinsam mit ihrer Familie getroffen. Yvonne Magwas lebt mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten und früheren Ostbeauftragten Marco Wanderwitz zusammen, der für seine äußerst harte Linie gegen die AfD seinerseits insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern angefeindet, beschimpft und bedroht wurde.

    Alarmierende Umfrage unter Politikerinnen und Politikern

    Während der Rückzug von Neubauer oder Magwas bundesweit beachtet wird, schaffen es ähnlich gelagerte Fälle in der Kommunalpolitik oft nur in die Schlagzeilen regionaler Medien. Dabei sind Beleidigungen oder gar Gewalt gegen politische Akteure keineswegs selten. Die Zahlen sind frappierend: Nach einer bundesweiten Erhebung der Körber-Stiftung erklärten 40 Prozent von mehr als 1500 befragten ehrenamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, dass sie persönlich, Mitarbeiter oder auch Familienmitglieder bereits bedroht oder gar tätlich attackiert wurden. Fast 30 Prozent haben bereits einen Rückzug aus der Politik in Erwägung gezogen.

    Allein in Bayern sind im vergangenen Jahr 1354 Fälle polizeilich registriert worden, in denen politische Amts- oder Mandatsträger sowie Repräsentanten oder Mitglieder von Parteien Opfer von Anfeindungen geworden sind – in 708 Fällen war das Internet der Tatort.

    Das Beispiel Walter Lübcke zeigt, dass aus Hass tödliche Gewalt werden kann

    Immer wieder gehen prominente Politikerinnen oder Politiker - wie beispielsweise die Grüne Renate Künast – gegen Verleumdung oder Hetze im Netz juristisch vor. Mit wechselndem Erfolg. Dass aus Hass auch tödliche Gewalt werden kann, zeigte sich in besonders schockierender Weise im Juni 2019 am Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, der durch Schüsse eines Rechtsextremen starb.

    Beklagt wird oft, dass sich im Internet ein scheinbar rechtsfreier Raum etabliert hat, von dem aus nicht zuletzt Politiker beleidigt und verleumdet werden. Konzepte dagegen werden nur selten effektiv umgesetzt. Dass es durchaus möglich ist, Täter unter Druck zu setzen, zeigt ein Projekt in Bayern. Im Freistaat wurde 2020 ein Online-Meldeverfahren eingeführt, das von einem „Hate-Speech-Beauftragten“ koordiniert wird. Mit Erfolg: Rund 25 Prozent der Ermittlungsverfahren wegen Hetze gegen bayerische Politiker führten zu einer Verurteilung, wie Justizminister Georg Eisenreich (CSU) berichtet. Eine Quote, von der andere Bundesländer nur träumen.

    Diskutieren Sie mit
    2 Kommentare
    Marianne Böhm

    Sie dürfen jeden beleidigen, aber nur wenn sie diesen Mensch beleidigen die das Kollektiv zulässt. Wir haben für jede Personengruppe eigene Regeln.. nur für uns selber gibt es keine Regel, wir müssen uns wie Chamäleons verhalten. Wie wollen wir denn nebeneinander leben, wenn wir ständig immer wieder unser Benehmen, Wesen hinterfragen müssen, darf ich das oder darf ich das nicht. Dieses ständige angleichen und sein eigenes Ich zurückstellen.. so zu sein wie der andere es will, macht zornig und wütend und da kommen diese verbalen oder unter Pseudonym geschriebenen Bösartigkeiten raus. Ich kenne Menschen schon so lange, heute denke was ist mit denen passiert, sie werden zu Gegnern, Feinden sie greifen einen an, beleidigen, akzeptieren keine andere Meinung mehr. Dass Politiker im Visier stehen ist nicht richtig .. aber diese Meinung und zu sagen es kommt alles von Rechts ist auch gefährlich.. Der einfachste Mensch hat heute eine enorme Wut, weil er zum Versager gemacht wird.

    Marianne Böhm

    Ich möchte noch sagen dass ich gerade Yvonne Magwas als äußerst angenehmen Menschen und Politikerin und empfinde.. Ich finde es schrecklich dass Hetze und Hass gerade sie trifft. Das muss geahndet und bestraft werden.. Man muss aufpassen, es ist nicht alles nur Rechts, denn damit gibt man den anderen Trittbrettfahrern noch mehr Freiheit..

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden