Die bayerischen Grünen atmen durch: Katharina Schulze, personifizierte Hoffnungsträgerin der Umweltpartei zumindest im Freistaat, ist wieder zurück auf der politischen Bühne. Sie hatte nach der Geburt ihres zweiten Kindes vor sechs Wochen eine Babypause eingelegt.
Mit der Frontfrau soll die Zuversicht zurückkommen: Schluss mit Schlechtreden und dem Bashing der Konkurrenz, «#Neustart» lautet die Devise, die auf dem Parteitagspodium prangt. Die Landesdelegiertenkonferenz am Wochenende in Würzburg soll für die bayerischen Grünen der Auftakt werden für den Kampf zurück in die Herzen und Köpfe der Wähler.
«Wir haben nur noch ein Jahr», sagt Schulze mit Blick auf die Bundestagswahl 2025. Nach den zuletzt in schöner Regelmäßigkeit erlittenen Dämpfern bei Landtags- und Europawahlen wollen die Grünen dann zumindest wieder auf Augenhöhe mitspielen.
Nicht länger schlechtreden lassen
Man wolle sich die grüne Politik, auch die der Bundesregierung, nicht mehr länger schlechtreden lassen, sagt ein Redner nach dem anderen am Pult des Würzburger Congress Centrums. Die Leistungen der Grünen müssten in den Mittelpunkt gestellt werden, auch gegen den Druck von Fake News und politischer Konkurrenz.
Der rasante Ausbau der erneuerbaren Energien, das Ende der Abhängigkeit von russischem Gas, aber auch die Stimme für Humanität in der Debatte um Migrationskontrolle werden auf der Habenseite angeführt.
Wie schwer der Weg zurück aus dem Tal ernüchternder Wahlergebnisse und schlechter Umfragewerte ist, zeigt sich aber ebenfalls beim Parteitag. Die Grünen müssten sich wieder mehr an ihren Grundwerten ausrichten und weniger dem politischen Mainstream das Wort reden, heißt es in einem Antrag, der dann aber letztlich deutlich abgeschmettert wird. Man dürfe zwar nicht seine Ideale verraten, sagt Katharina Schulze. «Aber auch nicht in Schönheit sterben.»
Schwierige Einigung
Genau dieser Spagat aber verursacht innere Spannungen, wie die Debatte über den Umgang mit der Migration offenbart. Kurze Zeit droht auch in Bayern der alte Flügelstreit bei den Grünen wieder aufzubrechen. Gerade noch rechtzeitig bekommt die Parteiführung um Gisela Sengl und Eva Lettenbauer dank harter Überzeugungsarbeit in nächtlichen Sitzungen vier zum Teil widerstreitende Anträge so geeint, dass nach langer Diskussion eine Parteitags-Mehrheit dem Kompromissvorschlag zustimmen kann.
In der Debatte am Wochenende vermaß ein Dutzend Redner das Spannungsfeld zwischen einem humanitären Umgang mit Geflüchteten einerseits und einem Pragmatismus bei der Integration einer großen Zahl von Asylsuchenden andererseits.
Wollen die Grünen die Partei der Willkommenskultur sein? «Flucht ist kein Verbrechen», sagt etwa die Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann. Oder eher die pragmatische Kraft auf der Seite der Kommunen, in denen Turnhallen fehlen und der Wohnraum knapp wird? Im Parteitagsbeschluss kommen letztlich beide Seiten zu ihrem Recht. «Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit - Für Integration und Ordnung» lautet der salomonisch gewählte Antragstitel.
Gegner Söder
Mehr Einigkeit herrscht bei den Grünen, wenn es um den Gegner geht. Der Name von Markus Söder fällt auf dem Grünen-Parteitag häufiger als der von Robert Habeck, dem möglichen Kanzlerkandidaten der eigenen Partei. Die Union habe die Krisen ungebremst eskalieren lassen, heißt es in einem verabschiedeten Leitantrag. Die Grünen würden den Problemberg jetzt abtragen.
Söders fortgesetztem Grünen-Bashing will die Partei jetzt mehr entgegensetzen. «Wir haben zu lange still gehalten, auch noch die zweite Backe hingehalten und gesagt: Hau noch mal drauf!», sagt Katharina Schulze und übt sich in Selbstkritik. Damit soll jetzt Schluss sein und der Funke für ein neues, grünes Feuer soll vom Parteitag in Würzburg ausgehen.
«You can´t start a fire without a spark» - Schulze stimmt mit beeindruckender Stimmsicherheit die Liedzeile eines Hits von US-Altmeister Bruce Springsteen an. Angesichts der aktuellen Umfragewerte ihrer Partei kommt manchem aber auch unwillkürlich der Titel des Springsteen-Songs in den Sinn: «Dancing in the dark.»
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