Grüne in der Krise

Alles auf Habeck

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    Wirtschaftsminister Robert Habeck will die Grünen als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf führen.
    Wirtschaftsminister Robert Habeck will die Grünen als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf führen. Foto: Anna Ross, dpa

    Am Tag nach dem Grünen-Beben zeigte sich Robert Habeck wieder locker. Im Bundestag griff der Bundeswirtschaftsminister zum Sarkasmus: Der bürokratische Aufwand, den Handwerker in Deutschland betreiben müssten, sei „manchmal nur mit Humor zu ertragen“, erklärte er in der Debatte um das Bürokratieabbaugesetz. Das Ampelgesetz soll nun wenigstens den Papierkram reduzieren. Am Abend zuvor erlebte man Habeck in den ARD-Tagesthemen noch ungewohnt angespannt.

    Hat Robert Habeck hinter den Kulissen Ricarda Langs Rücktritt betrieben?

    Als Moderatorin Julia-Niharika Sen gleich zum Eingang über den Rücktritt Ricarda Lang und Omid Nouripour fragte: „Hätte nicht Sie als grüner Vizekanzler zurücktreten müssen und nicht der Bundesvorstand?“, spulte Habeck erst ein weiteres Mal die offizielle Grünen-Sprachregelung von der Chance auf einen Neuanfang ab, bevor er zur Antwort kam: „Man läuft ja aus einem Amt nicht einfach weg, weil die Umstände schwierig sind.“ Die Frage, ob er, wie es hinter den Berliner Kulissen hieß, Ricarda Langs Rücktritt betrieben habe, indem er sie intern für die schlechten Wahlergebnisse der Grünen verantwortlich gemacht haben soll, beantwortete er vielsagend damit, „dass Politik natürlich häufig ein hartes und undankbares Geschäft ist“.

    Inzwischen ist bekannt, dass der überraschende Rücktritt des Führungsduos ein Vorspiel hatte, das etwas an vergangene Flügelkampf-Zeiten erinnert. Auf einem Realo-Treffen habe es harte Kritik an der Parteiführung gegeben, allerdings weniger an Lang, sondern an Nouripour und insbesondere an der Grünen-Bundesgeschäftsführerin, Emily Büning.

    Die Realos kreiden der linken Bundesgeschäftsführerin schwere Fehler an

    Die zur Parteilinken zählende Büning ist eine Art Generalsekretärin und Wahlkampfmanagerin der Partei. Die Realo-Seite kreidet Büning strategische und taktische Fehler an. Zuletzt, dass sie nicht viel mehr Einsatz in den Gewinn des bisherigen Potsdamer Grünen-Direktmandats bei der Brandenburgwahl investiert habe. Bei einem Sieg in dem Wahlkreis wären die Grünen unabhängig von der Fünfprozenthürde in den Landtag eingezogen und die Kenia-Koalition mit SPD und CDU hätte erneut eine Mehrheit im Landtag gehabt.

    Einen Knall im Richtungsstreit löste zudem die Grünen-Jugendorganisation aus. Der komplette Vorstand der Grünen Jugend kündigte geschlossen den Parteiaustritt an – aus Protest am Realo-Kurs der Grünen in der Ampelkoalition in der Asyl-, Verteidigungs- und Klimapolitik. Die zehn Nachwuchspolitiker wollen nun eine eigene Jugendorganisation links von den Grünen gründen.

    Künast weint Grüne-Jugend-Vorstand keine Träne nach

    Die Grünen-Altvordere Renate Künast nimmt die angekündigten Parteiaustritte gelassen: „Da wundere ich mich nicht und da weine ich auch nicht“, sagte sie im RBB. Der Vorstand der Grünen Jugend sei für „Klassensystem-Sozialismus“ gestanden, sagte die frühere Landwirtschaftsministerin.

    Auch der langjährige Grünen-Vordenker und Politikwissenschaftler Hubert Kleinert betonte im Deutschlandfunk, dass die Probleme der Partei nicht darin liegen, dass sie zu wenig das linke Herz anspreche. „Ich glaube eher, dass es einen realpolitischen Neuanfang benötigt, wenn die Grünen nicht in die Rolle der Zehnprozentpartei zurückfallen wollen.“

    Den Grünen bleibe bei der Bundestagswahl dabei gar nichts anderes übrig, als alles auf Habeck zusetzen, sagte Kleinert. „Habeck ist trotz der vielen Schrammen, die er abgekriegt hat, und trotz der Fehler, die er zweifelsohne gemacht hat, sicherlich noch die stärkste Figur, die die Grünen aufbieten können“, betont der Gießener Politikprofessor. Auf Habeck zu verzichten, wäre die größtmögliche Selbstschwächung. Allerdings warnt Kleinert seine Partei vor Selbstgefälligkeit: „Ich denke, die Grünen sollten mit Blick auf die Bundestagswahl auch ein Stück Selbstkritik üben.“

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