Es war ein Auftritt ganz nach dem Geschmack von Nigel Farage, bei dem alle Augen auf ihn gerichtet waren. In einem von drei opulenten Kronleuchtern erhellten Ballsaal im Herzen Londons verkündete der 60-Jährige am Montagnachmittag, dass er in die Politik zurückkehrt. Er wolle zum achten Mal versuchen, als Abgeordneter ins Parlament einzuziehen. Außerdem wird er Parteichef der rechtspopulistischen Partei Reform UK.
Noch vor zwei Wochen hatte Farage angekündigt, bei den Wahlen in Großbritannien am 4. Juli nicht mehr antreten zu wollen. Nun die Kehrtwende, um seine Anhänger nicht zu enttäuschen, wie er sagte – ein Schock für die regierende Partei. Denn den Konservativen unter Rishi Sunak droht bei den landesweiten Wahlen in einem Monat ohnehin eine Jahrhundertniederlage.
Nach dem Regierungschaos der vergangenen Jahre gilt ein Sieg der sozialdemokratischen Labour-Partei quasi als sicher. Die Rückkehr von „Mr. Brexit“ Nigel Farage könnte die Lage für die Tories noch verschlimmern. Schließlich deuten Umfragen darauf hin, dass viele Briten im Falle einer Rückkehr Farages an die Spitze der rechtspopulistischen Partei eher geneigt sind, ihr Kreuz bei Reform UK statt bei den Konservativen zu machen.
Brexit-Treiber gibt zu, dass EU-Ausstieg den Briten schadete
Wegen der Schwäche der Tories könnte Farage damit womöglich tatsächlich zum ersten Mal als Abgeordneter für den Wahlkreis Clacton im Nordosten Englands ins Parlament einziehen, sagt Tim Bale, Politikwissenschaftler an der Queen Mary University of London.
Farage gehört zu den einflussreichsten Politikern Großbritanniens. 2016 trieb er die britische Regierung in der Brexit-Frage vor sich her, zwang sie zu einer harten Haltung. Im vergangenen Jahr gab er dann zwar unumwunden zu, dass der Brexit den Briten geschadet habe. Das liege aber nicht am EU-Austritt an sich, sondern daran, dass die Konservative Partei die Chancen nicht genutzt habe.
"Mr. Brexit" Nigel Farage will Donald Trump beim Wahlkampf unterstützen
2021 hatte sich der 60-Jährige aus der Politik eigentlich schon zurückgezogen und arbeitete stattdessen für den rechtspopulistischen britischen Sender GB-News. Außerdem kündigte er an, Donald Trump im US-Wahlkampf zu unterstützen.
Warum kommt Farage bei den Briten so gut an? „Er wirkt sehr natürlich, geht ins Pub, trinkt Pints“, sagt Sophie Stowers von der Denkfabrik UK in a Changing Europe unserer Redaktion. Manche Briten haben das Gefühl, dass er ausspricht, was viele denken, sei es im Wahlkampf oder bei seiner Teilnahme an der britischen Version des Dschungel-Camps. Zudem profitiere der Politiker davon, dass er bisher nicht ins Parlament gewählt wurde und sich daher nie mit der politischen Realität auseinandersetzen musste, sagt Stowers. Zumindest das könnte sich ja nun ändern.