1. Labour sucht die Nähe zur EU nur bedingt: Mit dem Regierungswechsel verband ein Teil der Briten auch die Hoffnung auf eine rasche Rückkehr in die Europäische Union - oder zumindest eine Wiederannäherung zwischen London und Brüssel. Eine Mitgliedschaft in Zollunion und Binnenmarkt schließt Starmer jedoch kategorisch aus, weil der Brexit „zu erschöpfend, zu traumatisch, zu spaltend” war, sagt Jake Benford, Politologe der Bertelsmann Stiftung. Interessanter sei, was innerhalb dieser roten Linien möglich ist. „Es geht darum, dass Großbritannien ein geeignetes Modell für eine dynamische Anpassung an das EU-Regelwerk findet, das zu einem reibungsloseren Handel beiträgt.“ Labour strebt außerdem einen breit angelegten Pakt mit der EU an, der Bereiche wie Energie und Klima ebenso umfasst wie eine engere Kooperation in der Verteidigungsindustrie. Der neue Außenminister David Lammy hatte bereits im Vorfeld auf die Bedeutung Deutschlands als Partner hingewiesen und traf am Samstag in Berlin mit Außenministerin Annalena Baerbock zusammen. Geplant sei ein deutsch-britischer Sicherheitspakt, der laut Benford „sehr bald“ zustande kommen soll. Die wichtigsten gemeinsamen Ziele sollten unter anderem „der Aufbau von Verteidigungskapazitäten sowie die Herstellung von Munition“ sein.
2. Ruanda-Pläne sind passé: Es war ein umstrittenes Vorhaben, das den britischen Steuerzahler Millionen Pfund kostete. Der ehemalige Premierminister Rishi Sunak wollte Migranten, die illegal nach Großbritannien kamen, ohne Rücksicht auf ihre Herkunft nach Ruanda ausfliegen. Sie sollten dann dort Asyl beantragen, eine Rückkehr ins Königreich war ausgeschlossen. Im Frühjahr verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das die Pläne ermöglichte, obwohl ein britisches Gericht das ostafrikanische Land als nicht sicher eingestuft hatte. Laut Starmer sei das Vorhaben nun jedoch „tot und begraben“. Bei den Plänen habe es sich um reine Symbolpolitik gehandelt. Tatsächlich wurde bis heute kein einziger Flüchtling aus dem Königreich nach Ruanda gebracht.
3. Abstieg der Tory-Partei: Für die Konservativen geht es nach der historischen Niederlage ums Überleben. Die Partei ist massiv geschrumpft. 2019 gewannen die Tories 365 Sitze, jetzt sitzen nur noch 121 Abgeordnete im Parlament, so wenige wie nie zuvor. Gut ein Dutzend früherer Kabinettsmitglieder haben ihre Mandate verloren, darunter die ehemalige Premierministerin Liz Truss, der erzkonservative Brexit-Fan Jacob Rees-Mogg und auch Penny Mordaunt, die noch vor wenigen Wochen als mögliche Nachfolgerin Sunaks gehandelt worden war. Jetzt ist ein Streit über die Zukunft der Partei entbrannt. Soll sie zurück in die politische Mitte oder noch weiter nach rechts rücken? Im Gespräch für den Vorsitz sind Ex-Innenminister James Cleverly und der ehemalige Staatssekretär für Sicherheit, Tom Tugendhat, beide eher gemäßigt, sowie Cleverlys Vorgängerin Suella Braverman und Ex-Wirtschaftsministerin Kemi Badenoch vom rechten Flügel.
Nigel Farage hat es erstmals in Parlament geschafft
4. Die Gefahr von Rechtsaußen: Sieben Mal hatte Nigel Farage versucht, Abgeordneter im Unterhaus zu werden, beim achten Mal ist es dem Populisten und ehemaligen EU-Parlamentarier geglückt. Der 60-Jährige zieht für die Partei Reform UK ins Parlament ein. Farage beeinflusst die britische Politik seit Jahren, einst trieb er die konservative Partei in der Brexit-Frage vor sich her und galt als treibende Kraft hinter dem Referendum zum EU-Austritt, nun warf er den Tories vor, die Einwanderung nicht im Griff zu haben. Reform UK gewann wegen des Mehrheitswahlrechts zwar nur fünf von insgesamt 650 Sitzen, aber 14 Prozent der Stimmen. Farage will jetzt mit seiner Partei eine Alternative zu den Konservativen bieten und diese so langfristig ersetzen. Sein erklärtes Ziel ist es, bei den nächsten landesweiten Wahlen Premierminister zu werden. Ob ihm das gelingt, ist jedoch fraglich. Kurz vor der Wahl sorgten Parteimitglieder mit rassistischen Äußerungen für Skandale. Ein Wahlkämpfer forderte etwa, man solle Armeerekruten entsenden, um die an den Stränden landenden Migranten „einfach zu erschießen”.
5. Niedergang der Nationalisten in Schottland: Mehr als zehn Jahre lang dominierte die Scottish Nationalist Party (SNP) die Politik im Norden. Sie will den Landesteil in die Unabhängigkeit führen. Zuletzt stimmte Schottland 2014 über die Eigenständigkeit ab, nachdem die SNP 2011 die absolute Mehrheit im dortigen Parlament errungen hatte. Die Abstimmung ging knapper aus, als viele in London vermutet hatten. Trotz des „Nein“ damals blieb der Wunsch nach einem erneuten Referendum das Kernanliegen der schottischen Nationalisten. Doch in den vergangenen Jahren wurde die SNP von Skandalen erschüttert: Spendengelder wurden veruntreut, die einst beliebte Ex-Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon wurde vorübergehend verhaftet, ihr Nachfolger Humza Yousaf sprengte die Koalition mit den Grünen. Der neue Parteichef John Swinney konzentrierte sich im Wahlkampf auf akute Probleme wie die hohen Lebenshaltungskosten. Vor die Wahl gestellt, stimmten die Schotten dann eher für Labour. Die SNP verfügt nur noch über neun Sitze in London, zuvor waren es 48. Der Traum von der Unabhängigkeit scheint damit für Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, ausgeträumt.
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