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Griechenland: Merkel und Schäuble trotzen allen Zweifeln

Griechenland

Merkel und Schäuble trotzen allen Zweifeln

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    Das griechische Drama lässt Europa nicht los.
    Das griechische Drama lässt Europa nicht los. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Um zu verstehen, was viele Menschen in Griechenland gerade durchleiden, empfiehlt Angela Merkel ein kleines gedankliches Experiment. „Stellen wir uns nur für einen Moment vor“, sagt die Kanzlerin, „was es bedeuten würde, wenn bei uns zuhause in Deutschland Rentnerinnen und Rentner verzweifelt vor geschlossenen Banken Schlange stehen und darauf warten, 120 Euro Rente pro Woche ausgezahlt zu bekommen.“ Nur so, findet sie, „bekommen wir eine Ahnung davon, wie dramatisch die Situation ist“.

    Es ist ihr 61. Geburtstag, dieser Freitag, viel Zeit, ihn zu feiern, aber hat die Kanzlerin nicht. Nach einer Woche, die mit einem beispiellosen nächtlichen Kraftakt in Brüssel begonnen hat und mit einem klaren Votum des Bundestages für die Aufnahme von Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket endet, wirbt sie noch einmal für den Verbleib der Griechen im Euro. „Weit mehr als eine Währung“ sei der, sagt sie. „Er steht für die Idee der europäischen Einigung.“ Sie weiß, dass auch viele Kollegen hier sich fragen, wo das alles einmal enden soll, aber was wäre die Alternative? „Die Alternative wäre keine geordnete Auszeit aus dem Euro, sondern unvorhersehbares Chaos.“ Und überhaupt: Auf Dauer gehe es auch Deutschland nur gut, wenn es auch Europa gut gehe.

    Es sind Sätze, wie man sie so oder so ähnlich schon oft von Angela Merkel gehört hat, nur nicht so eindringlich vielleicht. „Es liegen Tage hinter Europa“, sagt sie gleich zu Beginn ihrer fast schon beschwörerischen Rede, „die an Dramatik nicht zu überbieten sind.“ Tage, wie sie sie auch selbst noch nicht erlebt habe. Nun aber, da die Regierung in Athen die ersten Vorleistungen erbracht und die ersten, von den Geldgebern verlangten Reformen eingeleitet habe, soll sie auch ihre Chance bekommen: „Wir würden grob fahrlässig, ja unverantwortlich handeln, wenn wir diesen Weg nicht wenigstens versuchen würden.“ Gestern stimmten die EU-Staaten einer kurzfristigen Brückenfinanzierung von 7,16 Milliarden Euro aus dem Altrettungsfonds EFSM formal zu. Großbritannien gab seinen Widerstand auf. Doch das reicht nicht.

    Mehrheit, über drittens Hilfspaket für Griechenland verhandeln zu können, steht

    Am Ende ist die Zahl der Abtrünnigen in der Koalition mit 60 Neinstimmen und fünf Enthaltungen in der Unionsfraktion und viermal Nein bei der SPD zwar deutlich größer als bei der Verlängerung des zweiten Hilfspaketes im Februar. Die Mehrheit aber, die Finanzminister Wolfgang Schäuble braucht, um überhaupt über ein drittes Hilfspaket verhandeln zu können, steht.

    Er selbst hat mit seinem Plädoyer für einen Grexit auf Zeit am vergangenen Wochenende zwar für einigen Wirbel gesorgt, wie sehr er damit das Binnenklima in der Koalition belastet hat, wird im Bundestag aber nur noch in Andeutungen deutlich.

    „Jede Debatte über einen Grexit“, verlangt SPD-Chef Sigmar Gabriel etwas umständlich, „muss jetzt der Vergangenheit angehören.“ Schäuble braucht er dazu nicht anzusehen oder anzusprechen – auch so weiß jeder, wer gemeint ist. Die Sorge, dass der deutsche Steuerzahler durch die immer neuen Hilfspakete irgendwann überfordert sein könnte, hat Gabriel nicht: „In Deutschland wird dadurch kein Kindergarten weniger gebaut und keine Straße weniger saniert.“

    Insgesamt stimmen 119 Parlamentarier mit Nein, darunter zwei Grüne und fast alle Abgeordneten der Linkspartei, deren Fraktionschef Gregor Gysi die strengen Bedingungen der Geldgeber für Griechenland „unerträglich“ genannt hat und sich auch an dem Treuhandfonds stört, in den die Erlöse aus der geplanten Privatisierung von Staatsbetrieben fließen sollen. Treuhand – das erinnert Gysi dann doch zu sehr an die gleichnamige Anstalt, die nach dem Mauerfall ziemlich erfolglos versucht hat, DDR-Betriebe zu Geld zu machen. Griechenland aber, stichelt er, „wird im Unterschied zu Ostdeutschland kein Teil Deutschlands“. Die anderen Neinstimmen kommen mit Ausnahme des früheren Finanzministers Peer Steinbrück und drei weiteren Sozialdemokraten aus der Union.

    "Keine Reformbereitschaft Griechenlands"

    Einer der Skeptiker, der frühere CDU-Vorständler Axel J. Fischer, beschreibt seine Bedenken so: „Ich sehe weder eine Reformbereitschaft Griechenlands noch eine Gefahr für die Finanzstabilität der Eurozone.“ Andere formulieren ihre Kritik wie der Wirtschaftsexperte Christian von Stetten weniger staatstragend: „Mein Vertrauen in die griechische Regierung“, sagt der, „tendiert gegen null.“

    Wolfgang Schäuble, der große Europäer, hat auch noch so seine Zweifel. Ja, räumt er ein, er sehe eine Chance, eine Lösung für Griechenland im Euro zu finden. Dann aber fügt er gleich zweimal hinzu: „Es ist ein letzter Versuch.“

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