Ginge es nach Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek, wäre klar, um welches Thema sich Karl Lauterbach nach der abflauenden Corona-Pandemie kümmern sollte: „Lauterbach muss das Jahr 2023 zum Jahr der Pflegereform machen“, betont der CSU-Politiker. „Corona hat uns schmerzhaft vor Augen geführt, an welchen Stellen das System robuster werden muss“, sagt Holetschek unserer Redaktion. Er erwarte, dass die Bundesregierung die Lehren aus der Pandemie zieht und 2023 mutige Reformen auf den Weg bringt, die das Gesundheits- und Pflegesystem ernsthaft auf bessere Füße stelle. „Korrekturen und Ergänzungen am bestehenden System sind nicht ausreichend.“
Holetschek fordert eine konsequente Ausrichtung des Gesundheitssystems an den Pflegebedürftigen und den Pflegenden. „Die pflegerische Versorgung ist eine der größten gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit“, betont der CSU-Minister. „Der demographische Wandel fordert maßgebliche nachhaltige Schritte“, mahnt er. „Wir müssen Pflegekräfte halten und viele zusätzliche Pflegekräfte gewinnen“, sagt er. „Klar ist, die erforderlichen Reformen kosten Geld – wir müssen uns als Gesellschaft entscheiden, was uns die pflegerische Versorgung wert ist.“
Karl Lauterbach hat riesige Baustellen in der Gesundheitspolitik
Doch die Pflege ist nur ein Teil der riesigen Baustellen, die sich Lauterbach für seine Amtszeit vorgenommen hat. Der Kölner Professor hatte den Traum vom Amt des Bundesgesundheitsministers jahrzehntelang gehegt und eigentlich längst aufgegeben. Selbst das Amt des Gesundheitsexperten der SPD-Fraktion hatte Lauterbach zwei Jahre vor der Bundestagswahl offiziell aufgegeben, nachdem er sich 2019 erfolglos für den Parteivorsitz der Sozialdemokraten bewarb, und wollte sich fortan um Klimapolitik kümmern. Doch dann brach die Pandemie über das Land und das lang ersehnte Amt kam unverhofft zum Mann.
Einst wechselte Lauterbach in die Politik, weil der Gesundheitsökonom als Berater der damaligen SPD-Ministerin Ulla Schmidt sehen musste, dass seine Vorschläge in einer Weise umgesetzt wurden, dass sie nur seltenst die von ihm erhoffte Wirkung entfalteten.
Lauterbach war Architekt des umstrittenen "Fallpauschalen"-Systems
Lauterbach war der Architekt des „Fallpauschalen“-Systems, das heute als das Hauptübel der Probleme der deutschen Krankenhauslandschaft gilt. Der Berater Lauterbach wollte damit zielgerichteter die Versorgung verbessern und die Kosten in den Griff kriegen. Tatsächlich verschlimmerte das neue System die Krise.
Immer mehr Klinken rutschten in die roten Zahlen, der ökonomische Druck diktierte die Versorgung mit fatalen Folgen: Es wird aus finanziellen und nicht medizinischen Gründen viel zu viel operiert, mit all den Risiken und Verletzungen für die Menschen, die in die Krankenhaus-Maschinerie geraten. „Wir haben das Gleichgewicht verloren zwischen Medizin und Ökonomie“, räumte Lauterbach im Dezember ein. Die Kliniken steckten in einem „Hamsterrad“, möglichst viele Behandlungen auf möglichst billige Weise durchzuführen. „Nicht mehr ökonomischer Zwang, sondern medizinische Notwendigkeit soll künftig in den Kliniken über die Behandlung entscheiden“, versprach er als Ziel seiner Krankenhausreform, die laut Lauterbach eine „Revolution“ sein soll.
Bei der Krankenhausreform ist Streit zwischen Bund und Ländern programmiert
Dieses Jahr wird Lauterbachs schwierigstes Jahr. Der SPD-Minister muss ein Krankenhaus-System reformieren, das viele Experten für unreformierbar halten. Schon Lauterbachs Versuche, gemeinsam mit seinem CDU-Amtsvorgänger Jens Spahn in der Großen Koalition mit Vorgaben und Fallpauschalen unabhängiger Finanzierung die Situation der Pflegekräfte zu verbessern, versandeten wirkungslos im System und im Dauerkampf zwischen Krankenkassen und Krankenhausträgern. Nun will Lauterbach in den kommenden Wochen die große Krankenhaus-Finanzreform im Ringen mit den Bundesländern auf den Weg bringen, die seine Expertenkommission vorschlägt. Das Fallpauschalensystem soll zurückgedrängt werden, Krankenhäuser teils wie die Feuerwehr für ihre Einsatzbereitschaft finanziert werden und nicht nur wie jetzt für ihre tatsächlichen Einsätze.
Bayerns Gesundheitsminister Holetschek ist skeptisch, ob Lauterbach der erhoffte große Wurf gelingen kann. „Das bisherige Konzept der Regierungskommission birgt die enorme Gefahr, ein zentral gesteuertes, quasi-planwirtschaftliches und hochtheoretisches System zu schaffen, das bedarfsnotwendige Versorgungsstrukturen gefährdet“, warnt der CSU-Minister.
Klaus Holetschek skeptisch bei Krankenhausreform
Die Länder würden nicht zulassen, dass der Bund sich unzumutbar in ihre Kompetenzen einmische und am Ende die Versorgung vor Ort zerstöre. „Krankenhausplanung ist Ländersache! Wir erwarten, dass wir engmaschig einbezogen und vor allem auch gehört werden.“
Harter Streit zwischen Bundesgesundheitsminister und Ländern ist damit wie schon so oft in der Pandemie vorprogrammiert. „Wir brauchen auch weiterhin eine flächendeckende und qualitativ hochwertige stationäre Krankenhausversorgung – in der Stadt und auf dem Land“, betont Holetschek. „Was die Reform bringen muss, ist weniger Bürokratie und passgenauere Strukturen – ausgerichtet an den Bedarfen vor Ort“, fordert der bayerische Minister.
Vor der Reform müsse es deshalb eine umfassende Folgenabschätzung geben. „Die Bundesregierung muss auch der systematischen Unterfinanzierung der Krankenhäuser ein Ende setzen“, betont Holetschek. „Das kann nicht durch eine reine Umverteilung der bisherigen Mittel gelingen. Es ist klar, dass der Krankenhausbereich mit zusätzlichem Geld ausgestattet werden muss.“