Die Spitze der nächsten Bundesregierung, sie ist gesetzt. Friedrich Merz wird der zehnte Kanzler der Bundesrepublik, wenn sich CDU, CSU und SPD auf einen Koalitionsvertrag einigen. Die Verhandlungen darüber sind in die entscheidende Phase eingetreten, in Berlin besprechen sich jetzt die Großen der Parteien. Genauso spannend wie einzelne inhaltliche Vorschläge sind Personalfragen. Also: Wer wird was unter Merz? Seit dem Wochenende geistert eine Liste mit Namen durch Berlin. Dass die Besetzung der Posten ihr am Ende 1:1 entspricht, daran glaubt niemand im Hauptstadtbetrieb. Die Wahrscheinlichkeit ist aber hoch, dass einige der Genannten tatsächlich das Ressort bekommen, das ihnen zugesprochen wird. Der Überblick über die entscheidenden Personalien:
Kanzler: Friedrich Merz (CDU)
Die wichtigste und am wenigsten spektakuläre Personalie. Wird sich Schwarz-Rot einig, dann folgt Friedrich Merz auf Olaf Scholz (SPD) als Regierungschef. Merz ist 69 Jahre alt und würde direkt an der Spitze einsteigen. Administrative Vorerfahrung hat er keine.
Finanzen: Lars Klingbeil (SPD)
Lars Klingbeil ist der neue starke Mann der SPD. Ihm ist das Kunststück gelungen, als Parteichef das schlechteste SPD-Ergebnis seit 130 Jahren mitzuverantworten, aber nun trotzdem den Ton bei den Genossen anzugeben. Die mächtigste Position der Regierung nimmt hinter dem Kanzler der Finanzminister ein. Bei allen Projekten und Gesetzen, für die Geld benötigt wird, redet er mit. Wenn der oberste Kassenwart will, kann er ein Veto einlegen und Vorhaben zumindest zeitweise aufhalten. In keinem anderen Haus hätte Klingbeil mehr Einfluss auf die Regierungsgeschäfte. Die Wahrscheinlichkeit für diese Personalie gilt deshalb in Berlin als sehr hoch. Aufgewertet würde der Einfluss des 47-Jährigen durch den Titel des Vizekanzlers. In seinem Ministerium würden sogenannte Spiegelressorts eingerichtet, die die Arbeit der anderen Häuser inhaltlich begleiten. Genau wie Merz hätte auch sein Vize keinerlei administrative Erfahrung.
Verteidigung: Boris Pistorius (SPD)
Der 65-Jährige ist seit langem der beliebteste Politiker Deutschlands. Womöglich hätte seine SPD mit ihm als Kanzlerkandidaten ein merklich besseres Ergebnis bei der Neuwahl Ende Februar geholt. Das ist Geschichte. Die SPD hat klargemacht, dass Pistorius in der nächsten Regierung eine herausgehobene Rolle spielen soll. Er würde gerne als Verteidigungsminister weitermachen, bei der Truppe ist er beliebt. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Niedersachse weiter die Armee anführt, ist groß. Verhindern könnte ihn allerdings die CSU. Die Christsozialen haben Interesse am Verteidigungsministerium angemeldet.

Innen: Alexander Dobrindt (CSU)
CSU-Chef Markus Söder hat für Dobrindt öffentlich ein gewichtiges Ministerium verlangt. Wenn Verteidigung an die SPD geht, dann bliebe für den bisherigen CSU-Landesgruppenchef das Innenressort als Alternative. Es ist zentral für die Umsetzung der harten Asylpolitik, die die Union im Wahlkampf versprochen hat. Die Wende in der Migration wird als zentral erachtet, um den Aufstieg der AfD zu stoppen. Als möglich gilt allerdings auch der Tausch der Häuser: Dobrindt übernähme demnach die Bundeswehr, Pistorius das Innenministerium. Als ehemaliger Innenminister Niedersachsens verfügt er über viel Vorerfahrung in der Materie. Dass die noch amtierende Innenministerin Nancy Faeser weitermacht, gilt hingegen als beinahe ausgeschlossen. Faeser lehnt die direkte Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze ab.
Außen: Armin Laschet, Norbert Röttgen oder Johann Wadephul (alle CDU)
Weil Noch-Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen bald aus dem Auswärtigen Amt ausscheiden wird, gibt es keinen natürlichen Aspiranten auf die freiwerdende Stelle. Auf der herumschwirrenden Liste steht der Name Johann Wadephul. Diese Besetzung wäre eine Überraschung. Wadephul ist einer der Sicherheitsexperten der CDU-Bundestagsfraktion und hat einen Vorteil: Er stammt aus Schleswig-Holstein. Damit ist er kein weiterer CDU-Mann aus Nordrhein-Westfalen, von denen ein halbes Dutzend in das Kabinett eintreten will. Darunter sind auch Ex-Kanzlerkandidat Armin Laschet und Norbert Röttgen. Für Laschet wäre das Außenministerium die Versöhnung nach dem kalten Abgang infolge der Wahlniederlage 2021. Er hat einen starken Fokus auf die Verbesserung des unterkühlten deutsch-französischen Verhältnisses, während Röttgen der klassische Transatlantiker ist. Nachteil Laschet: Wegen Raserei musste er jüngst seinen Führerschein abgeben.

Wirtschaft: Carsten Linnemann (CDU)
Eine andere Asylpolitik und eine andere Wirtschaftspolitik waren die beiden zentralen Wahlkampfschlager der Union. Mit dem gewaltigen Schuldenpaket haben die Konservativen einen Teil ihrer Wähler enttäuscht. Die Konjunktur wieder in Gang zu bringen und für bessere Bedingungen für Unternehmen zu sorgen, könnte die Aufgabe von Carsten Linnemann werden. Der Paderborner ist promovierter Ökonom und Anhänger der klassischen deutschen Angebotspolitik. Der Staat setzt den Rahmen, lässt den Unternehmen aber Freiraum. Der bisherige CDU-Generalsekretär kehrt sich wahrscheinlich vom Noch-Amtsinhaber Robert Habeck ab, der einzelne Unternehmen mit viel Staatsgeld in die grüne Zukunft führen wollte. Linnemann ist ein enger Vertrauter von Merz. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit seiner Besetzung.
Gesundheit: Karl Lauterbach (SPD) oder Tino Sorge (CDU)
Tino wer? Im Vergleich zu Amtsinhaber Karl Lauterbach ist der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion ein Unbekannter. Sorge hat den Vorteil, dass er aus Magdeburg kommt und damit den Ost-Platz im Kabinett einnehmen würde. Lauterbach gehört seit der Corona-Pandemie zu den bekanntesten Politikern des Landes. Als Minister hat er das Gesundheitswesen stärker reformiert als seine Vorgänger. Der 62-Jährige ist noch nicht fertig, etliche Reformvorschläge liegen ausgearbeitet auf seinem Schreibtisch.
Ich glaube, man sollte mit einer möglichen Kritik erst mal abwarten. Mache ich auch. Feststeht aber für mich schon länger, daß die ministrable Decke bei diesen Parteien doch sehr dünn ist.
Das Besondere an diesem spekulativen Dünnpfiff aus der Berliner Polit-Medien-Blase ist, dass ausschliesslich männliche Politiker, wie selbstverständlich mit dem Attribut der Stärke versehen, für Ämter gehandelt werden. Und dabei noch solche, die ihre m,inistrable Unfähigkeit (Dobrindt/Verkehr und Lauterbach/Gesundheit) nachgewiesen haben. Oder auch Gewscheiterte, wie Laschet und Röttgen. Wenn das Aufbruch und Hoffnung bedeutet, wie sieht dann eigentlich Verzweiflung aus?
Dobrindt als Innenminister? Der zweite Mautkaschperl neben Scheuer, der zwei Legislaturperioden lang an der widerrechtlichen Ausländermaut festgehalten hat, die den Steuerzahler einen 9-stelligen Eurobetrag gekostet hat? Nicht wirklich, oder?
Interessant, die Union scheint wenig vorbereitet in die Gespräche mit der SPD gegangen zu sein, siehe u. a. der ein Kommentar im Handelsblatt vom vergangenen Freitag: "Selbst in der Union ist die Klage groß, die Partei sei trotz des lange absehbaren Wahlsiegs völlig unvorbereitet in die Koalitionsverhandlungen gegangen. Experten, die CDU-Politiker um Rat fragen, bestätigen dies: Während der Arbeitsgruppen hätten die Unionsverhandlungsführer mangels eigener Ideen ständig bei ihnen angerufen, um Vorschläge zu sammeln." Naja, Hauptsache Ministerposten besetzen. Vielleicht ist aber alles auch nur ein vorgezogener Aprilscherz und Merz überrascht einem überschwänglichen "April, April" das deutsche Volk.
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